Auch wenn DIE FRAU, DIE VORAUSGEHT die Great Plaines in beeindruckenden Bildern feiert, ist Whites Film doch alles andere
als ein klassischer Western. Mehr als einmal überrascht die britische Regisseurin, die zuletzt den raffinierten Agententhriller VERRÄTER WIE WIR mit Ewan McGregor inszenierte, das Publikum, wenn sie etwa Sitting Bull nicht als edlen Wilden, sondern als weltgewandten Individualisten zeichnet, der seinen Marktwert gut kennt und zur Überraschung seiner engagierten Besucherin erst einmal ein Honorar fürs Modellstehen fordert. Der Film zeigt hier eindrücklich, dass die simplen Formeln schon lange nicht mehr funktionieren, wobei sich die Szenen oft erstaunlich witzig und keineswegs pathetisch oder gar didaktisch entwickeln. Auch die (selbstverständliche) Annäherung zwischen der Künstlerin und ihrem „Objekt“ mündet niemals im Klischee: DIE FRAU, DIE VORAUSGEHT konzentriert sich zwar vorrangig auf die Beschreibung einer wahrhaft außergewöhnlichen Beziehung, lässt aber die erotische Spannung zwischen Catherine und Sitting Bull immer wieder aufblitzen.
Das künstlerisch-philosophische Tête-à-tête zwischen der hinreißenden Jessica Chastain (MOLLY’S GAME, ZERO DARK THIRTY) und dem charismatischen Michael Greyeyes (AMERICAN GODS, „Fear the Walking Dead“) entwickelt sich in der zweiten Hälfte des klug aufgebauten Drehbuchs zum Zentrum einer weitaus größeren Geschichte. Autor Steven Knight (KLEINE SCHMUTZIGE TRICKS, TÖDLICHE VERSPRECHEN) nimmt sich bei der Zeichnung der historischen Ereignisse einige dramatische Freiheiten, denn so gelingt es ihm, die Zusammenhänge zwischen Politik und Privatem, zwischen übergeordneten Strukturen und einzelnen Schicksalen aufzuzeigen. Das Schicksal von Männern wie Sitting Bull und seinen Lakota-Sioux mag besiegelt sein. Aber die Zukunft gehört Frauen wie Catherine Weldon.