Irland im Jahr 1932: Nach Jahren im amerikanischen Exil kehrt Jimmy Gralton zurück in sein Heimatdorf. Dort, inmitten der rauen irischen Landschaft, hatte er einst einen einfachen Tanzsaal eröffnet. Die "Pearse-Connolly Hall" war ein Ort der freien Entfaltung und der Inspiration, ein Ort zum Träumen und natürlich zum Tanzen. Als Jimmy nun, nach über 10 Jahren, zurückkehrt, erwacht auch sein Tanzsaal zu neuem Leben und mit ihm die Hoffnungen einer neuen, jungen Generation. JIMMY’S HALL schwelgt in der ausgelassenen Stimmung der jungen Freigeister und feiert ihren Mut, ihre Ideale gegenüber der erzkonservativen Kirche zu verteidigen.
Für seinen wahrscheinlich letzten Spielfilm vertraute Regisseur Ken Loach (Angels’ Share, The Wind That Shakes the Barley) auf ein eingespieltes Team: Das Drehbuch stammt von seinem langjährigen Autor Paul Laverty, produziert wurde JIMMY’S HALL von Rebecca O’Brien.
JIMMY’S HALL ist inspiriert durch das Leben von James "Jimmy" Gralton und die turbulenten Ereignisse im Irland der 1930 Jahre.
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Einleitung von Drehbuchautor Paul Lavery
Manchmal überfällt einen die Idee für einen Film wie ein Geschenk aus heiterem Himmel. Das Projekt JIMMY‘S HALL ist mir so in den Schoss gefallen, als entferntes Echo aus Nicaragua und in der Person meines alten Freundes Donal O‘Kelly, eines Schauspielers und Dramaturgen, den ich dort in den 80iger Jahren kennengelernt hatte – in einer Zeit, in der die Vereinigten Staaten die sandinistische Revolution blutig unterdrückten.
Vor etwas mehr als drei Jahren planten Donal und Sorcha Fox eine gemeinsame Veranstaltung in der Grafschaft Leitrim, um auf den Leidensweg der Asylbewerber in Irland aufmerksam zu machen, die meist jahrelang inhaftiert werden und von Abschiebung bedroht sind.
Donal wollte ein Stück mit ihnen inszenieren, das, halb Ballett, halb Theaterstück, ihren Leidensweg mit dem von Jimmy Gralton verbindet. Gralton war der einzige Ire, der ohne Gerichtsverfahren aus seinem eigenen Land ausgewiesen worden war, nachdem man ihn im August 1933 zum "illegalen Einwanderer" erklärt hatte.
Wenn man sich mit Leib und Seele einem Projekt verschreibt, wird man stets von seinem Instinkt gelenkt. Als ich mich über das Leben von Jimmy kundig machte, war ich überwältigt von der enormen Leistung der Gemeinschaft, die sich selbst einen Ort schuf, in dem sich junge Leute treffen konnten. Unbehelligt von Kirche und Regierung, die damals an einem Strang zogen, konnten sie dort zusammenkommen, um die Welt zu verbessern, sich zu bilden, Unterricht zu geben, und natürlich auch um zu singen und zu tanzen. In einem zunehmend autoritärer werdenden Land, in dem die herrschende Katholische Kirche eine Erziehung im Sinne der Heiligen Mutter Kirche als ihre angestammte Domäne betrachtete, waren Jimmy und seine Mitstreiter fest entschlossen, einen Freiraum zu schaffen.
Als ich Ken Loach von der Geschichte erzählte, habe ich gleich gemerkt, dass er dieselbe instinktive Reaktion empfand wie ich. Auch Rebecca O‘Brien zeigte sich, zehn Jahre nach The Wind That Shakes The Barley, interessiert an einem neuen irischen Filmprojekt.
Donal und Sorcha waren begeistert von unserem Interesse und haben mich dazu ermutigt, weitere Recherchen über das Leben von Jimmy anzustellen.
Ich ging nach Effernagh in der Grafschaft Leitrim. Man findet dort eine Holztafel mit der Inschrift "Standort der Pearse-Connolly-Hall. In Erinnerung an Jimmy Gralton, Sozialist aus Leitrim, der wegen seiner politischen Überzeugungen am 13. August 1933 ausgewiesen wurde". Obwohl der Saal "von Unbekannten" am 31. Dezember 1932 niedergebrannt worden war, kann man im Gras noch die Umrisse des Gebäudes erkennen.
Trotz dieses trüben und feuchten Januartags habe ich mir schließlich das Geräusch von Füßen vorgestellt, die im Rhythmus der Musik auf den Boden hämmern. Und ich musste unwillkürlich lächeln, als ich an Jimmys Geheimwaffen in seinem Feldzug gegen den Trübsinn dachte: seine Schallplattensammlung und ein elegantes Grammophon, das er aus den USA mitgebracht hatte. Bald habe ich erfahren, dass die Menschen sogar bis zu 45 Kilometer mit dem Fahrrad zurücklegten, um das neueste Album aus den USA zu hören – obwohl die Priester der Pfarrei gegen die diabolische Musik und die "Los-Angelisierung" der irischen Kultur schimpften.
Ich habe Zeitungsartikel über mindestens 500 Leute gelesen, die während des Unabhängigkeitskriegs 1921 das im Saal eingerichtete republikanische Gericht anriefen, um Grundeigentumskonflikte zu regeln (während die britischen Gerichte zu gleichen Zeit boykottiert wurden). Um die Beschlüsse des Gerichtes durchzusetzen, gründeten Jimmy und seine Kameraden ein Aktionskomitee, das nicht nur die Grundbesitzrechte der großen Landeigentümer attackierte, sondern auch den rechten Flügel der IRA angriff. Dabei wurde der Saal von Soldaten umzingelt, und Jimmy musste aus einem Fenster flüchten. In dieser unruhigen Zeit des aufkommenden Bürgerkriegs, der das Land bald blutig verwüstete, war es wenig verwunderlich, dass Jimmy im Mai 1922 um sein Leben fürchtete und in die USA emigrierte.
Nachdem ich den Ort des einstigen Tanzsaals gesehen hatte, besuchte ich Jimmys Familiensitz, der jetzt eine Ruine ist und in einem versumpften, von Schilf überwucherten Land liegt. Es fällt nicht schwer, sich das harte Leben in dieser den Elementen ausgesetzten Hütte vorzustellen. Das Schicksal der Bewohner ist in die Landschaft eingeschrieben, und ich stellte mir jene bitterarmen katholischen Großfamilien vor, die ihr Einkommen durch ihre Arbeit als Helfer bei den Kartoffelernten in Schottland aufstocken mussten. Ich stellte mir vor, wie sich in dieser Misere Jimmys Sinn für soziale Gerechtigkeit schärfte, wozu zweifellos auch seine politisch denkenden Eltern beitrugen.
In The Wind That Shakes The Barley haben wir stets versucht, dem Geist jener Epoche auch mit unseren fiktionalen Charakteren treu zu bleiben. In unserem neuen Projekt mussten wir uns einer anderen Herausforderung stellen. Das Leben von Jimmy Gralton ist bestimmt von großen historischen Ereignissen. Ereignisse von denen wir sowohl durch öffentliche Quellen wie z.B. damalige Zeitungsreportagen wie auch durch mündliche Überlieferung, die durch die Jahrzehnte weitergetragen wurde, Kenntnis haben.
Ich schulde inbesondere Paul Gralton und seinem Vater Jim Gralton großen Dank. Jims Eltern, Packie und Maggie Gralton, waren Jimmys Cousin und Cousine von beiden Seiten der Familie und standen ihm sehr nahe. Paul und Jim haben mir Anekdoten erzählt, die über Generationen weitergetragen worden sind. Jim hat mir auch die Orte gezeigt, an denen manche Schlüsselereignisse stattfanden. So zum Beispiel zu Beginn der dreißiger Jahre die Zusammenkunft der Einwohner, die dafür sorgten, dass die vom Kingston Estate vertriebene Familie Milmoe wieder in ihr Haus zurückkehren konnte – in dem ihre Nachkommen noch heute leben. Jimmy hatte damals eine Rede gehalten, und das Echo seiner Worte ist in Irland bis heute zu hören.
Als Paul und Jim mir diese vielen Anekdoten anvertrauten, wurde mir aber auch klar, dass historische Zeitzeugen nichts, oder nur wenig, über die Persönlichkeit eines Individuums enthüllen, nichts über seine geheimen Gedanken, Ängste, Verletzlichkeiten, Fantasien oder über seine komplexen Beziehungen mit seinen Angehörigen und Freunden. Es gibt so vieles, das den subjektiven Erinnerungen derjenigen, die Jimmy gekannt haben, entglitten ist.
Doch in einem Film müssen wir uns mit den tieferen charakterlichen Eigenheiten, den Widersprüchen, Zweifeln und Motiven des Protagonisten auseinandersetzen – ansonsten bleibt nur eine fade Figur übrig, ein Skelett, mit dem Fakten nachinszeniert werden. Nach einer Diskussion mit Ken trafen wir deshalb eine weitere wichtige Entscheidung: Wir entschieden, dass der Film von Jimmys Leben und seiner Epoche "frei inspiriert" sein würde. Unser Film gibt also nicht vor, ein konventionelles Biopic zu sein. Wir wussten zum Beispiel, dass er Schallplatten von Paul Robeson aus den Vereinigten Staaten mitgebracht hatte, aber hatte er auch was von Bessie Smith mitgebracht? Schaute ein aufsässiger und neugieriger Typ wie er ins Saxony Hotel in Harlem rein, um Shim Sham und Lindy Hop zu tanzen, als er in New York war – ging er also in den einzigen Ort der USA, wo Schwarze und Weiße zusammen tanzen konnten? Niemand weiß es, aber in unserer Version stellten wir uns vor, dass er es getan hat.
Wir wissen, dass es in der "Pearse-Connolly-Hall" Kurse in Boxen, Malerei und Literatur gab – doch Jimmys Freunde, die dort unterrichten und ihm bei der Organisation halfen, sind unsere Erfindung. Ich las von den Denunziationen von Pater O‘Dowd, Cosgrove und auch von anderen, und von den Predigten der lokalen Bischöfe. Diese Dinge und der Versuch, uns die damalige Gesellschaft vom Standpunkt eines Priesters vorzustellen, haben uns bei der Entwicklung der fiktionalen Charaktere von Pater Sheridan und seines Vikars Pater Seamus geholfen. Sie schienen uns interessanter zu sein als jene simpel gestrickten Priester mit ihren formelhaften Predigten. Wir wissen, dass Jimmy einem von ihnen persönlich entgegentrat. Jedoch ist das, was er ihm sagt, oder der Ton, in dem er es sagt, unsere Erfindung.
Ich habe Paul Gralton gefragt, ob er wüsste, ob Jimmy (der erst gegen Ende seines Lebens in New York, lange nach der Ausweisung, heiratete) eine geheime Liebschaft pflegte. Aufgrund seiner Persönlichkeit und besonders wegen seiner Welterfahrung hätte er doch damals als guter Fang gelten müssen. Die Antwort von Paul bleib mir im Gedächtnis: "Selbst wenn's so gewesen wäre, würde man es nicht wissen". Hatte dieser temperamentvolle und warmherzige Mann also eine geheime Affäre? Wer weiß das schon – bei uns ist es aber so, und seine Geliebte heißt Oonagh. Das ist nichts weiter als eine Annahme, nicht mehr und nicht weniger, die aber inspiriert ist von dem Charakter, den wir allmählich zusammensetzen. Haben wir Jimmy Unrecht getan? Ich hoffe nicht. Hätte das Vermeiden von Gefühlen, Intimität und Zärtlichkeit nicht einen viel größeren Verrat an diesem energischen und charismatischen Mann bedeutet? Darauf gibt es keine endgültige Antwort, doch ich hoffe sehr, dass es uns gelungen ist, den Geist der "Pearse-Connolly-Hall" zu respektieren.
Und wie können wir die Tiefe und Komplexität der Beziehung zu seiner Mutter erfassen? Jim und Paul haben mir erzählt, dass Alice den Bibliotheksbus der Gemeinde betrieb. Hat sie Jimmy, diesem intelligenten und wissbegierigen Kind, oft vorgelesen, hat sie ihm beigebracht, zu denken, kritisch zu sein und auch die Ideen jenseits von Leitrim aufzunehmen? Darüber habe ich mir viele Gedanken gemacht und versucht, mir diese liebevolle Beziehung vorzustellen, die Jimmy schließlich, inmitten der zunehmenden politischen Repression, vor eine unmögliche Wahl stellte. Ich habe mir gesagt, dass ein Teenager, der den Mut aufbrachte, wegen seiner politischen Überzeugungen aus der britischen Armee zu desertieren und der seinen Vorgesetzten schon in diesem zarten Alter trotzte, in seiner Familie von Kind an ein solides Vertrauen in sich gelernt haben muss. Nimmt man alle verfügbaren Quellen zusammen, so hat uns am meisten imponiert, das dies die Geschichte eines Mannes ist, der die ganze Welt bereist hatte, der ein erfülltes Leben hatte und sehr großherzig war. Ein Mann, der das Beste von seinen Erfahrungen und Lehrjahren in dieser bescheidenen Bude, 50 Meter von seinem Geburtsort entfernt, in einem verlorenen kleinen Kaff im hintersten Winkel des Landes, an Andere weitergeben wollte. Er war Soldat gewesen, Matrose, Bergmann, Hafenarbeiter, Kellner, und zweifellos noch viel mehr. Zwar hat er die Schule mit 14 Jahren verlassen, doch angesichts der Geschichten über seine Art zu schreiben und zu reden war er wahrscheinlich ein Mann, der viel gelesen und gelernt hat. Er hatte eine ziemlich spitze Zunge, was ihm sicherlich eine Menge Ärger beschert hat. Er hat sogar Peadar O‘Donnell, einen Kameraden und Reisebegleiter beschimpft, der "Bräutigam bei Hochzeiten und die Leiche bei allen Beerdigungen" zu sein! In einem in New York nach seiner Ausweisung verfassten Brief schreibt er an die Adresse von Peter O‘Dowd: "Auch der Deckmantel der Religion kann nicht den imperialistischen Schurken dahinter verdecken".
Nachdem er durch die Welt gereist war, in den USA die Goldenen Zwanziger und die Depressionsära zu Beginn der Dreißiger wie auch die anschließende Wirtschaftskrise auf der ganzen Welt miterlebt hat, hat er aller Wahrscheinlichkeit auch Bekanntschaft mit der schlimmsten Armut und Gewalt gemacht – doch das verwandelte ihn nicht zum Zyniker.
Ich war sehr berührt von den vielen Anekdoten über seine Großzügigkeit (in New York hat er zum Beispiel einen Obdachlosen beherbergt, der ihm seine Hose stahl) und seinen Sinn für Humor. Er hatte ein starkes politisches Bewusstsein und war ein überzeugter Sozialist, doch wir haben ihn als einen Mensch gesehen, der sehr offen war, der wusste, dass der Mensch nicht vom Brot allein lebte, der Humor schätzte und fröhliche Gesellschaft. Nicht ohne Grund legten die Leute, trotz der Verdammungen der Priester, so viele Kilometer zurück, um seine Tanzabende zu besuchen.
Neben den Fragen, die wir uns über die feineren Details der Charaktere gestellt haben, stießen wir auf eine weitere beträchtliche Schwierigkeit: wir mussten mittels Rückblenden die Atmosphäre der zwanziger Jahre wiedererwecken, und auch die völlig unterschiedliche Atmosphäre der dreißiger Jahre, die von der autoritären Regierung von Cosgrave geprägt war. Und letztere nicht aus der Sicherheit einer Rückschau, sondern aus der Perspektive der damaligen Menschen. Der Historiker Donal Ó Drisceoil vom University College Cork, der bereits bei The Wind That Shakes The Barley mit uns zusammenarbeitete, hat uns erneut sehr geholfen, das politische Klima jener Epoche zu dokumentieren. Er hat uns eine Vielzahl detaillierter Informationen gegeben und unendlich viele Fragen beantwortet.
Als ich mich in das Nationalarchiv von Dublin begab, fand ich bestätigt, was Donal mir bereits erzählt hatte: die Aufzeichnungen über Jimmys Verhaftung und die nachfolgende Deportation sind auf mysteriöse Weise verschwunden. Was mich vor allem fasziniert hat, und was ohne Antwort geblieben ist, ist der Zeitpunkt, an dem dies geschah. Die zentrale Frage ist herauszufinden, wie eine solche Entscheidung unter größter Geheimhaltung getroffen werden konnte, und wer darüber auf dem Laufenden war. Das hat mich an die subversive erste Seite von Milan Kunderas "Das Buch vom Lachen und Vergessen" erinnert. Milan Kundera beschreibt darin jenes berühmte Propagandafoto des kommunistischen Würdenträgers Klement Gottwald, das auf einem Balkon in Prag 1948 aufgenommen worden war. Wegen der klirrenden Kälte bekommt der barhäuptige Gottwald von seinem Freund Vladimir Clementis seine Pelzmütze angeboten. Vier Jahre später wird Clementis des Verrats angeklagt und gehängt. Die Kommunistische Partei lässt ihn sowohl aus der offiziellen Geschichte wie aus dem Foto ausradieren. Doch ebenso wie die Grundrisse von Jimmys Tanzsaal im dichten Gras erkennbar sind, ist auch der Hut von Clementis auf dem Foto sichtbar. "Der Kampf des Menschen gegen die Macht ist der Kampf der Erinnerung gegen das Vergessen", schreibt Kundera. Es hat nicht gereicht, den Saal zu zerstören und Jimmy aus seinem Geburtsland auszuweisen – auch die offiziellen Unterlagen über ihn mussten vernichtet werden. Deshalb ist es wenig verwunderlich, dass man selbst in der Grafschaft Leitrim so wenig von Jimmy Gralton gehört hat.
Was uns an dieser Geschichte ebenfalls anzog, war der körperliche Einsatz, den Jimmy und seine Kameraden in jener intoleranten Epoche aufbrachten. Das erinnert mich an den 26. Drehtag, an dem in Athen sieben junge Leute zusammengeschlagen wurden, als sie Flugzettel für ein von der Linken organisiertes Jugendfestival verteilten. 50 Faschisten der Partei "Goldene Morgenröte" haben sie mit Baseballschlägern angegriffen und sie so schwer verletzt, dass sie ins Krankenhaus eingeliefert wurden. Am 29. Drehtag, dem 17. September 2013, wurde der HipHop-Tänzer Pavos Fyssas von ca. 30 bewaffneten Parteigängern der "Goldenen Morgenröte" gejagt und erstochen. Selbst wenn die Umstände nicht dieselben waren und es verfehlt wäre, exakte Parallelen zu suchen (obwohl laut der Zeitung Guardian die "Goldene Morgenröte" von Priestern unterstützt wird), dachte ich doch an die realen Gefahren, die Menschen drohen, wenn sie sich weigern, sich der Katholischen Elite, sei sie in der Kirche selbst oder im Staat, zu beugen. Dies gilt besonders im Hinblick auf jene schreckliche Machtdemonstration der Katholiken beim Eucharistie-Kongress von 1932, bei dem über eine Million Gläubige an der Messe im Phoenix Park in Dublin teilnahmen. Zweifellos war es für Jimmy und seine Kameraden sehr bedrohlich, jeden Sonntag von der Kanzel herab in hysterisch aufgewühltem Tonfall als "Antichristen" und "Gottesmörder" bezeichnet zu werden. Vor dem Eingang des Saals wurde sogar eine Mine gelegt, die nicht explodierte, weil sie defekt war. Und es wurde sogar auf den Saal geschossen (alle tanzten erst recht weiter, um ihren Widerstand zu zeigen), und ich bin sicher, dass Jimmys Freunde um sein Leben fürchteten. Es scheint so, dass sich zehn Jahre nach der ersten Ausweisung von Jimmy kaum etwas geändert hatte. 1932 versammelten sich in Dublin 2000 von einem Priester aufgehetzte Menschen, stürmten zur "Pearse-Connolly-Halle" und brannten sie nieder.
Ich hoffe, dass diese kleine Geschichte als Gegengift gegen unseren Instinkt wirken wird, sich gleichschalten zu lassen und sich den Mächtigen zu unterwerfen. Zwischen den Aufnahmen fragte ich mich stets, wer die moderne Entsprechung zu den "Antichristen" von Jimmys Epoche sein könnte. Wäre es Chelsea Manning, der, am siebten Drehtag, zu 35 Jahren Haft verurteilt wurde, weil er Folter und Morde der amerikanischen Armee entlarvt hatte, während die Mörder straflos davonkamen? Oder Ai Weiwei, Chinas berühmtester Künstler, dessen Atelier – das ebenfalls als Bildungszentrum diente – von den chinesischen Behörden zerstört wurde, weil sie seinen Witz und seine Kritik nicht kontrollieren konnten? Oder Julian Assange, der zum Ziel schwerer persönlicher Angriffe wurde, die, völlig überdimensioniert, im öffentlichen Bewusstsein die Verbrechen gegen die Menschlichkeit übertönen, die er und seine mutigen Mitstreiter aufdeckten? Oder Edward Snowden, der enthüllte, wie Staat und große Unternehmen zusammenarbeiten, um uns bis ins Privatleben hinein auszuspitzeln? Oder die Gewerkschaftsaktivisten, die ihr Leben in den Maquilladores entlang der mexikanischen Grenze und in den scheußlichen chinesischen "Sweat-Shops" riskieren? Oder die Homosexuellen-Aktivisten in Russland, die Lehrerinnen in Afghanistan, oder jene mutigen griechischen Erzieher, denen von der "Goldenen Morgenröte" gedroht wird, ihnen die Ohren abzuschneiden falls sie weiterhin die Kinder von Immigranten unterrichten? Oder die heutigen irischen Aktivisten, die fordern, dass die heimlich ausgehandelten Deals zwischen Politik und Finanzwelt, die einen massiven Einfluss auf den Öffentlichen Dienst und unser zukünftiges Leben haben werden haben, transparent gemacht werden? Jene Aktivisten, die kritisieren, dass der irische Staatshaushalt in Deutschland diskutiert wird, noch bevor die irische Regierung selbst davon Kenntnis hat? Welch eine Farce des demokratischen Prozesses!
Es scheint mir offensichtlich, dass auch wir eine "Pearse Connolly Hall" brauchen, sei sie handfest oder virtuell, oder ein bisschen von beidem. Wenn wir unsere Bürgerrechte wahrnehmen wollen brauchen auch wir einen Freiraum, in dem wir uns treffen können, um nachzudenken, zuzuhören, zu lernen, um uns zu organisieren und die Welt um uns herum zu analysieren – um uns mit der Frage auseinanderzusetzen, ob in unserem Alltag die Macht geteilt wird oder nicht. Und wenn unser Widerstand anhalten soll, dann müssen wir uns auch mit Unfug und Freundschaft kräftigen. Emma Goldmann sagte einst zu den Bolschewiken: "Wenn ich nicht tanzen darf, will ich eure Revolution nicht!" Und der ermordete nigerianische Schriftsteller Ken Saro-Wira hat geschrieben: "Tanzt eure Wut und Freude, tanzt gegen die Waffen der Soldaten, tanzt, um ihre dummen Gesetze auf den Müll zu werfen, tanzt, um die Unterdrückung und Ungerechtigkeit zu vernichten..." Irgendwann, irgendwo werden überall auf der Welt die "Pearse-Connolly Hall" und die Mütze von Clementis an die Oberfläche kommen, trotz der Gewalt und der Unterdrückung.