Herrliches Komödienkino

Zum Film Was mussten Monsieur Claude Verneuil und seine Frau Marie nicht alles über sich ergehen lassen?! Beschneidungsrituale, Hühnchen halal oder koscheres Dim Sum. Doch die beiden sind im Integrieren ihrer Schwiegersöhne unübertroffen
Die lieben Schwiegersöhne: Charles (Noom Diawara), David (Ary Abittan), Rachid (Medi Sadoun) und Chao (Frédéric Chau) machen
Monsieur Claude einen Strich durch die harmonische Familien-Rechnung.
Die lieben Schwiegersöhne: Charles (Noom Diawara), David (Ary Abittan), Rachid (Medi Sadoun) und Chao (Frédéric Chau) machen Monsieur Claude einen Strich durch die harmonische Familien-Rechnung.

Neue Visionen FIlmverleih

Claude und Marie Verneuil haben die Welt bei sich zu Hause. Seit ihre vier Töchter sich kunterbunt verheiratet haben, mussten sich die beiden konservativen Provinzliebhaber zu großen Meistern in der Kunst der Toleranz, des Kompromisses und wohl oder übel auch des friedfertigen Klappehaltens mausern.
Um den nach der Hochzeit ihrer jüngsten Tochter frisch hergestellten Familienfrieden zu bewahren, wollen die Verneuils Wort halten: Wie versprochen machen sie sich auf den Weg, den vier Heimatländern ihrer bunten Schwiegerschar eine Stippvisite abzustatten. Algerien, China, Elfenbeinküste und Israel stehen auf dem Reiseplan: Eine Tour de Force für die frisch verrenteten Vollblutfranzosen, für die kein Aroma lieblicher duftet als der Fladen französischen Weideviehs.

Ob die vierstündige Leibesvisitation in Tel Aviv, die Verkostung von 100-jährigen Eiern in China oder das große Schwitzen im ungewohnten algerischen Klima – für die Verneuils ist der Weg um die halbe Welt eine strapaziöse Pfl ichtübung. Die große Erleichterung, sich endlich wieder mit Charcuterie und Rohmilchkäse den Bauch vollschlagen zu können, wird nur von der Sorge übertroffen, sich den Kulturschock von ihren Töchtern und deren Ehegatten nicht anmerken zu lassen. Denn bei den Familientreffen führt nach wie vor am multikollateralen Siedepunkt kein Weg vorbei. Und die Schwiegersöhne sind in Sachen Diskriminierungsverdacht so dünnhäutig wie eh und je.
Das Großfamilienmittagessen gerät deshalb trotz aller Vorsätze zur Launen-Lotterie und zum Beschimpfungs-Schmaus. Claude und Marie möchten ihren Aufenthalt in der Fremde unbedingt schönreden und können doch nicht widerstehen, ihren zahlreichen Irritationen Ausdruck zu verleihen. Doch so ein formvollendeter Beleidigungskanon gehört in der Familie mittlerweile zum guten Ton und so denken sich die beiden Rentner nichts weiter dabei, wenn über das „Restjordanland“ oder über dauerfeiernde Ivorer gewitzelt wird. Sie möchten sich in aller Ruhe ihrem Großelterndasein widmen. Claude hat sich in den Kopf gesetzt, auf seine alten Tage noch zum Schriftsteller zu werden. Keinem Geringeren als Alfred Tonnellé, einem der wichtigsten Vertreter des Pyrenäismus, möchte er mit einer Biografie ein Denkmal setzen und damit „mächtig viel Staub aufwirbeln“. Während Claude sich jegliche Störung bei seiner so tiefschürfenden Arbeit am poetischen Gipfel verbittet, ist Marie fröhlich dabei, sich als Großmama 2.0 in Stellung zu bringen und mit ihren Töchtern um die Wette zu twittern, zu posten bzw. zu „amstragrammen“.

Gänzlich unvorbereitet sind sie auf das nächste Schwieger-Chaos, das ihnen ins Haus steht. Denn frustriert von Frankreichs zunehmend zersplitternder Gesellschaft geht den vier Schwiegersöhnen der integrative Atem aus: als Einwanderer der zweiten Generation werden ihnen noch immer Steine in den Weg gelegt. Dem arabisch-stämmigen Rechtsanwalt Rachid werden ausschließlich Kopftuch-Klagen angetragen, für den schwarzen Schauspieler Charles mag sich die französische Autoren-Elite keine komplexen Rollen ausdenken, das ambitionierte Bio-Halal-Projekt des jüdischen David scheitert grandios und der chinesisch-stämmige Banker Chao ist von der zunehmenden Übergriffi gkeit gegen Einwanderer völlig verängstigt. Ihre gemeinsamen Erfahrungen bringen die vier jungen Familien gleichsam parallel zu der Erkenntnis: in diesem Land ist keine rosige Zukunft zu machen. Auswandern wollen sie, nach Algerien, China, Israel und – Indien! Denn hier steht der Jüngsten, Laure, eine große Karriere offen und Charles macht sich schon mal warm für Bollywood.

Als Claude und Marie von diesem MiniExodus erfahren, sind die Gemüter maximal zerknirscht. Mal davon abgesehen, dass der so lebhafte Großeltern-Modus plötzlich ins Leere laufen soll, scheint den beiden doch vor allem ihre so mühe voll erworbene, kosmopolitische Dickfelligkeit vergeblich gewesen zu sein.
Für Claude Verneuil ist nichts schmerzhafter als eine umsonst eingeübte Abweichung von der eigenen Routine. Und auch Marie weigert sich zu akzeptieren, dass sie ihre Kinder und Kindeskinder nur noch einmal pro Jahr zu Gesicht kriegen soll. Mit fast krimineller Energie fassen die beiden einen tollkühnen Plan: auch wenn sie sich jahrelang alle Mühe gegeben haben, die Eigenheiten ihrer vier Schwiegersöhne mit zahllosen hochgezogenen Augenbrauen zu bedenken, soll nun nicht der Hauch eines Zweifels übrig bleiben: Frankreich braucht sie. Frankreich liebt sie. Frankreich ist schön. In ungewohnter Gastgeber-Mission entwickeln Claude und Marie echte Schlitzohr-Qualitäten und schrecken auch vor haarsträubendsten Integrations-Methoden nicht zurück. Einziger Lichtblick in dieser trüben Suppe voller Überzeugungsarbeit ist für Claude die Aussicht auf ein Wiedersehen mit den Koffis und die Hoffnung auf eine gewaltige Portion Schadenfreude. Denn anders als seinem Schwiegervater-Pendant André wurde Claude schon geflüstert, welche Überraschung den Koffis bei der Hochzeit ihrer Tochter Viviane ins Haus steht. Mit diabolischer Spottlust kostet Claude aus, dass diesmal die Toleranz der anderen auf die Zerreißprobe gestellt wird.

04.04.2019, 10:56

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