Das Drehbuch von „Morgen sind wir frei“ beruht auf wahren Begebenheiten. Wie bist Du auf die Geschichte von Beate und Omid gestoßen und was hat Dich daran fasziniert?
HP: Vor elf Jahren habe ich eine deutsch-iranische Familie kennengelernt. Sie hat mir von ihrer schicksalhaften Reise aus der DDR in den Iran nach der Revolution von 1979 erzählt. Die anfängliche Euphorie und die ungeheure Aufbruchsstimmung nach dem Sturz des Schahs hatte das Ehepaar dazu bewogen, als Familie in den Iran zu ziehen. Das hat sofort mein Interesse geweckt. Was mich aber wirklich faszinierte, war die unendliche Liebe zwischen diesen beiden Menschen, die bis heute andauert. Trotz der großen Unterschiede in ihren Biografien hatten sich hier zwei Menschen unter sehr ungewöhnlichen Umständen gefunden. Hier waren sie keine Gegner. Ihre Liebe stand nie im Zweifel. Sie wollten beide das Beste für ihre Familie, nur auf unterschiedliche Art und Weise. Und das hat ihre Geschichte für mich zusätzlich erzählenswert gemacht.
Inwiefern sind Deine persönlichen Erfahrungen und Eindrücke zum Leben im Iran und der Islamischen Revolution im Film verarbeitet?
HP: Es fließen viele eigene Erinnerungen und Erfahrungen meiner Familie aus den Jahren nach der Revolution in den Film mit ein. Zum Beispiel der Moment, in dem Sarah in der Schule Verse aus dem Koran vorträgt und anschließend von ihrer Mutter kritisiert wird. Oder die Szene des Angriffs der Milizen im Haus der Familie. In diesem Sinne ist der Film nicht nur die Geschichte einer einzigen Familie, sondern erzählt von (zum Teil sehr schmerzhaften) Erlebnissen, die vielen iranischen Familien aus der damaligen Zeit bekannt sein dürften. Und weil es größtenteils um Schicksale von echten Menschen geht, erzählen wir all das als Innenansicht einer Familie, ausschnitthaft und fast kammerspielartig. Unsere Familie versucht sich vor den Folgen der Revolution zu schützen, doch dann bricht die Gewalt der Straße durch die Türen und Fenster hinein und sie ist nicht mal mehr in den eigenen vier Wänden sicher.
Warum brechen die Hauptfiguren Omid und Beate ihre Zelte in Ost-Berlin ab, lassen ein vergleichsweise sicheres Leben hinter sich und stürzen sich in dieses ungewisse Abenteuer?
HP: Die Welt damals, auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, war zwiegespalten. Es wimmelte nur so von Revolutionären, die glaubten, die Welt nicht nur im kleinen, sondern im ganz großen Stil auf den Kopf stellen zu können, ja sogar zu müssen. Viele von ihnen waren gewaltbereit. Der Zweck rechtfertigte für sie alle Mittel. Menschen wie Omid waren Idealisten. Sie wollten einen Beitrag leisten, um aus ihrer Sicht das Leben ihrer Mitmenschen besser zu machen.
Sie strebten einen Umbruch an und die Islamische Revolution war eine Chance auf einen Neuanfang. So blieben sie sogar dann noch der Revolution treu, als längst viele ihrer Landsleute darunter litten. Sie haben die Folgen der Revolution verharmlost. Am Ende wurden aber auch sie Opfer des Systems, an das sie glaubten. Den Preis dafür zahlt allerdings eine ganze Gesellschaft. Bis heute.
Beate handelt dagegen nicht aus ideologischen Gründen, sondern aus persönlichen: sie will ihre Familie zusammenhalten und dabei die ihr unbekannte Welt, aus der ihr Mann kommt, kennenlernen. Diese Neugierde für das Fremde und die Offenheit zeichnen ihre Persönlichkeit aus, die auch erst ihre Liebe zu Omid möglich gemacht haben. Und diese Liebe zieht Beate hinein in den unheilvollen Strudel, in dem sie glaubt und lange hofft, ihr Leben und das ihrer Tochter seien sicher, was sich aber als eine große Fehleinschätzung (eines ganzen Volkes) herausstellt. So muss man Beate und Omid im Kontext ihrer Zeit sehen, um sie besser zu verstehen: Er glaubte an die Revolution. Sie glaubte an ihn.
Was hätten Deiner Meinung nach Beate und Omid anders machen können, um aus ihrer schicksalhaften Situation zu entkommen?
HP: Diese Frage habe ich der „echten“ Beate auch immer wieder gestellt. Nach allem, was sie jetzt über das Schicksal ihrer Familie in den Jahren unmittelbar nach der Revolution weiß: würde sie etwas anders machen? Und mein Eindruck war immer: Nein, denn sie konnte nicht anders! Und zwar nicht, weil sie nicht mit sich und ihren Entscheidungen kritisch ist, keineswegs. Ich denke aber: bei Omid und Beate dominierte tatsächlich das Schicksalhafte. Ihre Liebe zu ihm und seine Sehnsucht nach seiner Heimat, in die er unbedingt zurück musste, waren zu große Sogkräfte. Dass diese beiden Liebenden keinen Ort finden konnten, an dem sie einfach beide gleichzeitig glücklich sein konnten, macht ihre Geschichte so tragisch.
Die Islamische Revolution feiert dieses Jahr 40-jähriges Jubiläum – was macht die Erinnerung an dieses Ereignis und einen Film wie Deinen noch heute relevant?
HP: Unsere Geschichte ist ein Prolog zu den Umständen von heute. Unser Film zeigt die Anfänge und die Entwicklung einer gescheiterten Revolution und will auf das Leid der Menschen damals im Iran unter diesem Regime aufmerksam machen, das bis heute andauert. Wir erzählen den stetigen und schleichenden Zerfall einer euphorisierten Gesellschaft in eine skrupellose Diktatur, wenn es keine kraftvolle Gegenströmung gibt, die den Anfängen der Unmenschlichkeit Paroli bieten kann. Übrigens auch eine Herausforderung, der sich heutzutage einige Gesellschaften, auch hier in Europa, aufgrund des wachsenden Nationalismus und der Fremdenfeindlichkeit zu stellen haben. Um Freiheit und Rechtsstaatlichkeit muss man in einer Gesellschaft tagtäglich kämpfen, denn demokratische Grundrechte lassen sich nicht bloß von einer ‚schweigenden‘ Mehrheit schützen. Es braucht aktive, mündige Bürger, die Missstände lautstark ansprechen, die kritisch sind, aber auch Kritik selbst annehmen können. Es braucht Parteien und Politiker, die Gewalt als Mittel ablehnen, die mit anderen Demokraten Kompromisse eingehen, die Respekt haben für die Rechte des Gegners. Das alles hat vor 40 Jahren im Iran gefehlt. So hat die Islamische Republik ihre Herrschaft bis heute gewaltsam gesichert.