Zum Film
John May ist ein Mensch der besonderen Art: Ein Eigenbrötler, akribisch, zurückhaltend, aber mit einem großen Herz für andere. Mit wahrer Engelsgeduld kümmert er sich als "Funeral Officer" im Auftrag der Londoner Stadtverwaltung um die würdevolle Beisetzung einsam verstorbener Menschen. Selbst für das Schreiben der Trauerreden findet er Zeit und Worte – gehalten auf Trauerfeiern, die nur auf einen einzigen Gast zählen können: Mr. May.
Doch John Mays Sorgfalt und Hingabe passen schlecht zusammen mit dem strengen Gebot der Wirtschaftlichkeit, das sich die Stadtverwaltung auf die Fahnen geschrieben hat. Warum sich solche Mühe machen für Tote, die keiner mehr kennt? Seine Stelle wird gestrichen, ein letzter Fall bleibt ihm: Billy Stoke, einsam gestorben in seiner verwahrlosten Wohnung genau vis-à-vis von Mays penibel geordnetem Zuhause.
Fast obsessiv stürzt sich May auf diesen letzten Fall, der ihm so nahe ist. Wer war dieser Billy Stoke? Wie war sein Leben, wer waren seine Freunde, hatte er Familie? Als May auf die ersten Spuren stößt, beginnt eine befreiende Reise, die ihn auch sein eigenes Leben mit allen Aufregungen und Gefahren wagen lässt.
Produktionsnotizen
Am Anfang von Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit stand für Uberto Pasolini ein Zeitungsinterview mit einem "Funeral Officer", einem Angestellten der Londoner Kommunalverwaltung, der Beerdigungen für Menschen ohne Hinterbliebene organisiert.
"Ich war beeindruckt von der Vorstellung dieser einsamen Beerdigungen und verlassenen Gräber. Das ist ein sehr starkes Bild", erzählt Uberto Pasolini. "Ich begann über Einsamkeit und Tod nachzudenken, darüber, was es bedeutet, Teil einer Gemeinschaft zu sein und wie sehr der Aspekt von Nachbarschaftlichkeit für viele Menschen verschwunden ist. Welchen Wert misst die Gesellschaft individuellem Leben zu? Warum werden so viele Leute vergessen und sterben vereinsamt? Ich denke, dass die Qualität unserer Gesellschaft im Grunde durch den Wert bestimmt wird, den sie ihren schwächsten Mitgliedern zuerkennt. Die Art und Weise, wie wir mit den Toten umgehen, reflektiert den Umgang in unserer Gesellschaft mit den Lebenden. Für mich ist der respektvolle Umgang mit den Toten, die Würdigung vergangenen Lebens grundlegend für eine Gesellschaft, die sich zivilisiert nennen möchte."
Pasolini traf sich mit dem "Funeral Officer" aus dem Zeitungsinterview, um mehr über die Hintergründe der städtisch organisierten Beisetzungen zu erfahren. "Das ist ein Job, den es schon immer gegeben hat. In allen Bezirken von London gibt es einen 'Funeral Officer'. Ich habe ungefähr dreißig von ihnen getroffen, mit ihnen gesprochen, sie in die Wohnungen der Verstorbenen begleitet, über 6 Monate bin ich zu Beerdigungen und in die Krematorien gegangen. Einige haben ein eher bürokratisches Verhältnis zu ihrer Arbeit, andere wenden viel Aufmerksamkeit für die auf, die da alleine gestorben sind."
Noch während der Recherche begann Pasolini das Drehbuch zu schreiben, wobei ihm mit der Figur des John May ein Protagonist vorschwebte, der auch in seinem eigenen Leben mit Einsamkeit umgehen und nun, in seinem letzten Fall, selbst den Sprung ins Leben wagen muss. "John May ist natürlich eine fiktive Figur, aber er trägt Züge von einigen der echten 'Funeral Officers', die ich bei der Recherche kennengelernt habe. Eigentlich gibt es in diesem Film nicht sehr viel, was vollständig erfunden ist. Sogar viele der Postkarten und Fotos, die wir im Film verwendet haben, sind echt."
Bald entschied sich Pasolini dafür, nicht nur das Buch zu schreiben und zu produzieren, sondern auch die Regie zu führen. "Ich wollte sehr bewusst einen ruhigen Film machen. Die Orientierung für meine filmischen und visuellen Vorstellungen waren dabei vor allem die späten Filme von Ozu, mit ihren ruhigen, aber immens kraftvollen Bildern alltäglichen Lebens."
Vielleicht, meint Pasolini, habe ihn das Thema auch deshalb so gepackt, weil er in seinem eigenen Leben gerade Erfahrungen mit Einsamkeit gemacht hatte. "Meine Ehe war kurz vorher geschieden worden, und zum ersten Mal in 20 Jahren erlebte ich wieder, was es heißt, in ein leeres, stilles, dunkles Haus heimzukommen. Ich machte in allen Zimmern das Licht an, ich ließ das Radio laufen – all diese Dinge, die man macht, um sich nicht allein zu fühlen. Dieses Gefühl der Einsamkeit kehrte an den Tagen wieder, an denen ich meine Kinder nicht sah. Ich habe versucht mir vorzustellen, wie es wäre, ein solches Leben permanent zu haben, in dem die einzige Art der Kommunikation darin besteht, ein paar Worte mit der Kassiererin im Supermarkt zu wechseln. Und ich habe mich gefragt, wie es ist, einsam zu sterben."
Die Komplexität der Figur liegt für Pasolini vor allem im Erleben und in der besonderen Wahrnehmung der Einsamkeit. "John May nimmt seine Einsamkeit eigentlich nicht wahr. Ihm fällt nicht auf, dass es ein anderes Lebens für ihn geben könnte. Wir neigen dazu anzunehmen, dass alle mehr oder weniger ähnlich denken und fühlen wie wir. Und wenn es um Einsamkeit und Alleinsein geht, projizieren wir oft unsere eigenen Ängste in die Leute um uns herum. Aber es gibt Menschen, deren Leben uns vielleicht leer erscheint, die aber in ihrer Selbstgenügsamkeit andere Bereiche im Leben haben, die sie erfüllen. John Mays Leben ist eben nicht nur einsam, es ist auch 'erfüllt', mit all diesen vergessenen Leben, denen er sich in seinem Beruf mit Hingabe widmet. Wenn wir sein Leben so respektieren, wie er es führt, freuen wir uns vielleicht um so mehr, wenn er sich im Verlauf der Geschichte dann zu öffnen beginnt und Neues wagt."