Loslassen

Einblicke Die Struktur von "Paterson" ist recht simpel und folgt lediglich sieben Tagen im Leben der Figuren. Es ist ein Film, dem man es erlauben sollte, einfach an einem vorbeizuziehen
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Foto: Mary Cybulski

Kommentar des Regisseurs

PATERSON ist eine ruhige Geschichte, ihre zentralen Figuren haben keine wirklich dramatischen Konflikte. Die Struktur ist einfach und folgt lediglich sieben Tagen im Leben der Figuren. PATERSON ist als Feier der Poesie von Details, Variationen und alltäglichen Begegnungen gedacht und als eine Art Gegenentwurf zu hochdramatischem oder Action-orientiertem Kino. Es ist ein Film, dem man es erlauben sollte, einfach an einem vorbeizuziehen – so wie Bilder, die man durchs Fenster eines Linienbusses wahrnimmt, der sich wie eine mechanische Gondel durch eine kleine, vergessene Stadt bewegt.

Unbestrittener Publikumsliebling der PATERSON- Aufführungen in Cannes war die englische Bulldogge Nellie, die im Film Lauras Hund Marvin verkörpert. Leider verstarb sie wenige Monate nach den Filmaufnahmen. Sie wurde als erster Hund posthum mit dem Palm Dog Award ausgezeichnet.

„Dieser Hund war so ein guter Improvisator. Genaugenommen ist es eine Sie. Sie spielt die Transgender-Rolle Marvin. Sie war erstaunlich gut darin, ihre eigenen Dialoge zu verfassen.“ Jim Jarmusch über Nellie

Großes Vorbild und Idol des Busfahrers Paterson im Film ist der amerikanische Lyriker und Prosa-Autor WILLIAM CARLOS WILLIAMS (17.09.1883 – 4.03.1963), dessen bekanntester Gedichtband „Paterson“ die gleichnamige Industriestadt in New Jersey zu einem der literarisch denkwürdigsten Orte Amerikas erhob.

„William Carlos Williams war Doktor und Kinderarzt. Interessanterweise war er der Arzt von Robert Smithson, dem großartigen Land-Art-Künstler, der auf tragische Weise jung ums Leben kam. Er arbeitete Vollzeit, aber er schrieb auch all diese brillanten Gedichte. Seine Philosophie ist die Poesie der kleinen Details und der Dinge des täglichen Lebens. Eine seiner Gedichtzeilen, die Method Man von Wu-Tang Clan – der einen Auftritt im Film hat – zitiert, lautet „No ideas but in things“. Das bedeutet, dass man Ideen aus der realen Welt bzw. aus den Details der realen Welt bezieht. William Carlos Williams war ein wunderbarer Umsetzer dieser Philosophie. Er war sehr wichtig für uns. Seine Philosophie und seine Herangehensweise an Poesie formten den Film. Dass Method Man ihn in dem kleinen Rap, den er für den Film schrieb, zitiert, war keine Idee von mir. Er kam damit zu mir, nachdem er selbst etwas von William Carlos Williams gelesen hatte. So schließt sich der Kreis.“ Jim Jarmusch über William Carlos Williams

Die Gedichte, die der Busfahrer Paterson im Film verfasst, stammen aus der Feder von Ron Padgett. Der am 17. Juni 1942 in Tulsa, Oklahoma geborene Dichter zählt zu den Vertretern der New Yorker Schule. Er veröffentlichte zahlreiche Gedichte und Aufsätze, ist aber auch als Lehrer, Übersetzer und Verleger tätig.

„Ron Padgett ist ein Dichter, den ich liebe, seit ich ihn in den 1970er Jahren entdeckt habe. 1970 war er Mitherausgeber (zusammen mit David Shapiro) von „An Anthology of New York Poets“, das so eine Art religiöses Buch für mich wurde, denn die Dichter der New Yorker Schule gehören zu meinen liebsten in der Geschichte der amerikanischen Poesie. Darunter sind großartige Poeten wie Frank O’Hara, John Ashbery, Kenneth Koch, James Schuyler, natürlich Ron Padgett, David Shapiro. Ich bin seit ein paar Jahren mit Ron Padgett befreundet und ich liebe seine Gedichte. Daher wollte ich, dass die Gedichte, die Paterson im Film schreibt, von Ron Padgett sein sollten. Wir benutzten einige, die bereits existierten, zu denen wir eine Beziehung hatten und bei denen wir das Gefühl hatten, dass sie von Paterson stammen könnten. Aber Ron schrieb auch neue Gedichte – nur für unseren Film. Ich fühle mich sehr geehrt, Gedichte von Ron Padgett in meinem Film zu haben. Für mich ist er ein Rockstar. Er ist ein unglaublicher Dichter und ein unglaublicher Mann.“ Jim Jarmusch über Ron Padgett

17.11.2016, 11:32

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