Die kühl beleuchteten Bürogebäude und die verschlungenen Stadtansichten Manilas lassen THE CLEANERS stilistisch oft wie einen Krimi oder Thriller wirken. Auch der sphärische elektronische Score des Films erinnert mit den dumpfen Bässen im Hintergrund an einen Genrefilm und trägt zu einem Gefühl der stetigen Bedrohung bei. Bisweilen entstehen Bilder aus anfänglichen bewusst gesetzten Unschärfen, bisweilen setzten sich mehrere Detailaufnahmen, die zunächst nur Einzelheiten zeigen, nach und nach wie Teile eines Puzzles zusammen. THE CLEANERS erzählt insofern oft mit den Mitteln eines Spielfilmsund legt viel Wert auf Ästhetik und Atmosphäre. Dennoch verliert er dadurch nicht an Authentizität. Im Gegenteil: Er sucht vielmehr nach Möglichkeiten, die "Schattenwelt“ der Content-Moderator*innen sichtbar zu machen.
Sachlich setzt sich der Film mit den drastischen Inhalten auseinander, die gerade zu Beginn thematisiert werden. Manchmal werden grausame Bilder oder Filme gezeigt, die zur Diskussion stehen. Beklemmend sind aber auch manche Erzählungen der Content- Moderator*innen über das, was sie im Laufe ihrer Arbeit gesehen haben und sie nicht mehr loslässt, weil dadurch Bilder im Kopf des
Publikums entstehen. Dabei wirkt THE CLEANERS nie voyeuristisch, aber auch nicht verharmlosend. Diese Szenen sind kein Selbstzweck, sondern notwendig, um ansatzweise einen Einblick in die Arbeit der Moderator*innen zu vermitteln.
Kein Selbstzweck
Um eine differenzierte Sicht bemühen sich die Regisseure, indem sie durch Parallelmontagen Querverbindungen und Beziehungen zwischen den Moderator*innen, Expert*innen und Nutzer*innen herstellen: Nachdem wir ein satirisches Akt-Gemälde von Donald Trump sehen, lässt THE CLEANERS etwa die Künstlerin in den USA zu Wort kommen, die dieses gemalt und gepostet hat. Darauf folgt die Einschätzung der Content-Moderatorin in Manila, die begründet, weshalb sie diese Abbildung unangemessen findet. So vermittelt der Film stets zwischen der Arbeit der Moderator*innen und den Inhalten und zeigt die Ermessensspielräume.
Während zu Beginn vor allem die Arbeitsbedingungen der Content-Moderator*innen im Fokus stehen und auch Themen wie Ausbeutung und psychische Folgen angesprochen werden, rücken in der zweiten Hälfte des Films zunehmend grundsätzliche Fragen in den Mittelpunkt. Kritisch setzten sich die Regisseure damit auseinander, welche weitreichenden Folgen die Auslagerung der Kontrolldienstleistungen hat und wie uniforme „Echokammern“ oder „Filterblasen“ zu einem gesamtgesellschaftlichen Problem werden können, wenn die Welt nur noch oder hauptsächlich über die Inhalte sozialer Netzwerke wahrgenommen wird.
Das sagt Produzent Christian Beetz zum Film:
"Als wir Mitte Mai 2016 den Themenvorschlag der zwei Debutregisseure Hans Block und Moritz Riesewieck zu THE CLEANERS auf den Tisch bekommen haben, war uns schnell klar, dass dieses Thema aufgrund der Relevanz und der Exklusivität außergewöhnliches Potenzial hat. Wir können hier auf filmische Art eine der großen Gegenwartsfragen für ein breites Publikum erzählen: Wie funktionieren soziale Netzwerke eigentlich? Wer entscheidet darüber, was wir in den sozialen Medien zu sehen bekommen – und was nicht? Und welchen Einfluss haben soziale Netzwerke auf unser gesellschaftliches Zusammenleben?
Wir sind sofort in die aufwändigen Recherchen eingestiegen und haben innerhalb von nur 1,5 Jahren den ersten großen Dokumentarfilm zu sozialen Netzwerken produziert. Ende Januar hat der Film schließlich auf dem Sundance Film Festival eine vieldiskutierte Weltpremiere gefeiert. Seit der Premiere sind die zwei Regisseure mit dem Film praktisch durchgängig auf Festivaltournee. Und die Reaktionen ähneln sich: volle Kinosäle, lange intensive Diskussionen – und schweigende Unternehmen.
Das Thema, das vor zwei Jahren noch hauptsächlich in der Tech-Community diskutiert wurde, ist im Mainstream angekommen. Immer neue Geschichten über den schädlichen Einfluss sozialer Netzwerke auf unsere Gesellschaften tauchen auf: Da gibt es geheime Deals der Konzerne mit autoritären Regierungen; da werden soziale Netzwerke in der Brexit-Abstimmung und im US-Wahlkampf missbraucht; nicht zuletzt sind soziale Netzwerke Plattformen für explodierenden Hass, der sich längst auf die analoge Welt übertragen hat – wie das erschütternde Beispiel der Rohingya-Verfolgung in Myanmar zeigt.
Dabei vermeidet der Film einfache Antworten: Die Digitalisierung hat in wenigen Jahren die Art, wie wir leben, arbeiten und uns informieren komplett verändert. Wir haben völlig neue Möglichkeiten, mit Menschen in Kontakt zu treten. Soziale Netzwerke werden von Minderheiten genutzt, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen und geben Millionen Menschen die Möglichkeit, öffentlich wahrgenommen zu werden.
Doch diese Entwicklungen haben eine Schattenseite, die viel zu lange ignoriert wurde: Soziale Netzwerke können auf einfache Art und Weise missbraucht werden, so wie beim russischen Einfluss auf die US-Wahlen oder bei der Kampagne vor der Brexit-Abstimmung. In einer der stärksten Szenen des Films erzählt Tristan Harris, ehemaliger Design Ethiker bei Google, von den grundlegenden Mechanismen der Plattformen, die Hass und starke Emotionen verbreiten und verstärken. Pandoras Büchse ist geöffnet und die Frage ist, wie wir sie wieder geschlossen kriegen.
Die Diskussion ist mittlerweile so weit vorangetrieben, dass Facebook-Gründer Mark Zuckerberg vor einigen Wochen zum ersten Mal „einen möglichen schädlichen Einfluss sozialer Netzwerke auf unsere Gesellschaft“ eingeräumt hat – ein vor wenigen Monaten noch undenkbarer Vorgang! THE CLEANERS wird nach der erfolgreichen Festivaltour im Frühsommer in vielen Ländern in die Kinos kommen und anschließend in mehr als 30 Ländern im TV zu sehen sein.
So ist THE CLEANERS ein aktueller und wichtiger Film mit einem hochaktuellen Thema. Aber er ist auch ein Kinofilm, der vor der grandiosen Kulisse der philippinischen Metropole Manila mit starken Bildern von der Arbeit und der Mission der Content Moderatoren erzählt. Und diese Bilder und Geschichten des Films hallen nach und machen das, was gute Kinofilme macht: Sie lassen einen nicht mehr los. Sie wirken."