Mit langem Atem
"Nicht umsonst heißt es gleich zu Beginn, im Vorspann: 'Es war einmal, es war keinmal'. Akin erzählt sein Drama auch als ein Märchen, bei dem man trotz all dem Bösen den Glauben an das Gute nicht verlieren mag. Und er bezieht sich dabei auf die Filmgeschichte fast genauso wie auf die Weltgeschichte. Denn entgegen seinen sonstigen Gegenwartsfilmen erzählt er hier mit langem epischen Atem, der fast schon ein wenig aus der Mode ist, und mit etlichen Genre-Anleihen, allen voran am Western. Nicht zufällig verschlägt es ihn am Ende in die Neue Welt, wo Nazar erneut erleben muss, wie eine Frau einer anderen Ethnie gedemütigt und vergewaltigt wird. Am deutlichsten wird die Referenz ans Kino freilich in einer Szene in Aleppo, wo Nazar zum ersten Mal einen Film sieht. Er erlebt da den großen Charlie Chaplin in seinem Klassiker 'The Kid', wo er, stumm wie er selbst, um sein Kind kämpft. Erst lacht Nazar mit den anderen. Dann bricht er in Tränen aus, weil er sein eigenes Schicksal auf der Leinwand wiedererkennt. Wer da nicht selbst eine Träne vergießt, hat kein Herz." Berliner Morgenpost
Chronistischer Anspruch
"Fatih Akin ist Optimist. Nein, 'The Cut', sein Film über den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich, werde in der türkischen Gemeinde in Deutschland nicht zu einem Wutausbruch führen, davon ist er überzeugt. In dieser Absicht sei die Geschichte des armenischen Schmieds Nazaret Manoogian nicht gedreht worden. Akins Anspruch ist es, zum Chronisten des Verbrechens zu werden. Die Geschichte Manoogians ist die der Armenier." der Freitag
Ohne Stereotype
"Eigentlich ist der Ausgang der Geschichte von Anfang an klar. Trotzdem verliert 'The Cut' nicht seine Spannung. Das Schicksal des Schmieds Nazaret Manoogian, gespielt von Rahar Rahim, lässt den Zuschauer nicht los. Er ist ein passiver Held, erlebt Willkür, Vergewaltigung und Massaker. Akin gelingt es dabei, den Genozid eindringlich und ohne ethnische Stereotype zu schildern. Die religiöse Zugehörigkeit seiner Figuren versteckt er geschickt. Der Film scheint einfordern zu wollen, dass Menschen sich nicht dadurch unterscheiden, dass sie zu Allah beten oder zu Jesus, sondern allein durch ihre Handlungen." Deutsche Welle
Beachtliche Wucht
"Gerade aus der Reduziertheit auf seinen sanften Helden Nazaret (der Name gemahnt nicht zufällig an Jesus von Nazareth) bezieht der Film beachtliche Wucht. Und es gibt in diesen 138 Minuten, die aus einer Welt aus Tausendundeiner Nacht in den kargen Hobo-Kosmos eines Jack London hinüberführen, immer wieder Szenen, die in einer zeitlosen Hölle auf Erden zu spielen scheinen. Die stärkste: ein riesiges Wüstenlager aus zerfetzten Zeltplanen mit halbnackten, verhungernden Armeniern, alles totenbleich sandfarben – und eine Dahinsiechende bettelt Nazaret an, sie zu töten; nach herzzerreißendem Zögern tut er es. Und verflucht Gott. Und kratzt sich das Kreuz aus dem Handgelenk." Der Tagesspiegel
Erzählerische Leidenschaft
"Die größte Leidenschaft und erzählerische Kraft spürt man in diesem Film immer dann, wenn kriegerische Reiter im Steppenland den Mythos des klassischen amerikanischen Westerns aufleben lassen, wenn in einer Fabrik in Minneapolis Fabrikarbeiterinnen an ihren Nähmaschinen zu sehen sind und dabei an die Büromädchen der Hollywoodfilme der Dreißigerjahre erinnern, oder wenn das Gehampel Charlie Chaplins die Bewohner von Aleppo verzückt. Es sind die Momente, in denen man das große Herz des Kinoverrückten Fatih Akin schlagen sieht." Spiegel Online
Ein ganzer Kosmos
"Ist die Gewalt der Teufel, von dem der dritte Teil der Trilogie handeln soll? Oder lauert der woanders? Ruft nicht eine Frau, bevor der Chaplin-Film beginnt, bewegte Bilder seien das Werk des Satans? Die Auslegungsmöglichkeiten sind vielfältig, 'The Cut' hat viele Schnittstellen mit zahlreichen Lesarten. Man hatte geglaubt: Fatih Akin, das ist ein filmischer Stil. Jetzt erkennt man: Nein, das ist ein Kosmos." FAZ.net