An einem Tag im November checkt Isabelle (ISABELLE HUPPERT) in einem Motel im Death-Valley-Nationalpark an der Grenze von Kalifornien und Nevada ein. Im Tal des Todes ist es brütend heiß. 50 Grad Celsius. Und die Zeit dort scheint still zu stehen.
Wenig später trifft dort auch Gérard (GÉRARD DEPARDIEU) ein. Isabelle und Gérard waren einmal verheiratet, sind aber längst geschieden. Aus dieser Ehe haben die beiden einen Sohn, Michael. Und genau dieser Sohn ist der Grund dafür, dass sich das Ex-Ehepaar nach vielen Jahren in dieser Wüstengegend wiederbegegnet. Michael, ein junger Fotograf aus San Francisco, hat sich nämlich vor sechs Monaten umgebracht. Er war erst 31 Jahre alt.
Und er hat seinen Eltern jeweils einen Brief geschrieben, in dem er darum bittet, dass sie sich zu einer ganz bestimmten Zeit im November im Tal des Todes treffen sollen, um dort eine Woche lang zusammen zu verbringen. Mehr noch: Sie sollen dort eine Reihe von Plätzen aufsuchen und sich gemeinsam auf seine Spuren begeben. Und er verspricht ihnen, dass sie sich an einem dieser Tage begegnen werden. Trotz der Absurdität der Situation beschließen Isabelle und Gérard, dem „Programm“ zu folgen, das Michael entworfen hat.
Doch die Annäherung zwischen Isabelle und Gérard ist nach all den Jahren – und vor allem nach dem tragischen Selbstmord ihres Sohnes – nicht gerade einfach. Trotzdem geben sich die beiden Mühe. Bei einem gemeinsamen Dinner versuchen sie, sich über das Geschehene klar zu werden und auch ihre Emotionen in den Griff zu bekommen. Bald sehen sie ein, dass Ihnen gegenseitige Vorwürfe und Schuldzuweisungen nicht wirklich weiterhelfen. Während Gérard, der in den USA lebt, seinem Sohn etwas näher gewesen zu sein scheint, hat Isabelle, die ihren Lebensmittelpunkt in Frankreich hat, Michael seit sieben Jahren nicht gesehen. Sie war noch nicht einmal auf seiner Beerdigung.
Unterbrochen wird Isabelles und Gérards erzwungenes Miteinander nur durch die Nächte, die beide in getrennten Motel-Zimmern verbringen oder durch die Phasen, in denen sich einer der beiden für eine Zeit zurückzieht – und das ist meist Isabelle. Als Gérard einmal am Pool einen Mann um Feuer für seine Zigarette bittet, entpuppt sich dieser als Autogrammjäger, der Gérard als Schauspieler zu erkennen scheint. Allerdings weiß er weder Gérards Namen, noch in welchen Filmen dieser mitgespielt hat. Als er trotzdem ein Autogramm für seine Frau haben will und Gérard ein Buch zum Signieren hinhält, zeichnet dieser nonchalant mit „Bob de Niro“. Der düpierte Autogrammjäger wirft – nachdem er die Charade durchschaut hat – Gérard lauthals Arroganz und Undankbarkeit vor. Doch anstatt zu einer Eskalation kommt es dann sogar zu einem gemeinsamen Abendessen mit dem Celebrity-süchtigen Ehepaar (DAN WARNER und AURÉLIA THIÉRRÉE) – bei dem Gérard allerdings noch weitere hanebüchene Filmstar-Stories erzählt. Selbst Isabelle findet das lustig und muss lächeln. Die Situation scheint sich zu entspannen. Und es kommt sogar zum ersten Gute-Nacht-Kuss zwischen Isabelle und Gérard.
Doch von einem neuen gegenseitig selbstverständlichen Umgang sind beide noch weit entfernt. Zumal Gérard Isabelle gesteht, dass er an einer Krebserkrankung leidet und sich nach der gemeinsamen Woche einer Operation unterziehen muss. Isabelle nimmt diese Nachricht relativ gelassen auf.
Dann lesen sich beide die Briefe ihres Sohnes vor. Vor allem Isabelle wird dabei von ihren Emotionen überwältigt und beginnt zu weinen. Noch in derselben Nacht – Gérard raucht gerade eine Zigarette am Pool – hört er Isabelle in ihrem Zimmer laut schreien. Sofort eilt er ihr zu Hilfe. Nachdem Isabelle völlig verstört die Tür geöffnet hat, sucht Gérard nach dem mutmaßlichen Eindringling, findet aber niemanden. Isabelle schwört aber Stein und Bein, dass jemand da war und sie an beiden Füßen gepackt hat. War es nur ein Alptraum? Oder ist Michael tatsächlich zurückgekommen?
Das nächtliche Ereignis stürzt Isabelle in eine weitere Krise. Es stellt sich heraus, dass sie auch in ihrer jetzigen Ehe unglücklich ist und kurz vor der Scheidung steht. Sie fällt nun, wie sie meint, ins Bodenlose. In dieser Nacht lässt Gérard sie nicht allein und schläft bei ihr.
Bald hat auch Gérard eine seltsame Begegnung. Auf dem Tennisplatz sieht er einen Krüppel, der vom Tod spricht. Eine mythische Begegnung? Ein kryptischer Traum?
Gérard und Isabelle unternehmen einen weiteren Trip ins Valley. Die Sonne brennt erbarmungslos auf sie nieder, sie suchen schon fast verzweifelt nach Schatten. Isabelle hat immer größere Mühe beim Gehen. Als Gérard ihre Füße untersuchen will, sieht er an ihren Beinen auffallende rote Druckstellen.
Die beiden rasten. Es folgen großes Schweigen, laute Vorwürfe und quälende Existenzfragen. Dann wieder Schweigen und lange Blicke ins Nichts. Wie soll diese Tour durch das Tal des Todes sie wieder zusammenbringen? War das Michaels Wunsch? Sein letzter Wille? Und warum? „Die Menschen wechseln ihre Partner, aber sie verändern sich nicht wirklich“, stellt Gérard lakonisch fest.
Doch dann erinnern sich beide daran, wie es damals war, als sie sich zum ersten Mal begegneten und ineinander verliebten. Dadurch werden sie etwas zugänglicher füreinander. Es verändern sich Stimme, Gesten, Blicke. Und es entsteht sogar so etwas wie Zärtlichkeit. Isabelle wirkt plötzlich weniger distanziert, nicht mehr so kühl, Gérard ist weniger ruppig und nicht mehr so ungehobelt. Beide entspannen sich zusehends. Isabelle stört es jetzt auch nicht mehr, dass Gérard gerne und viel trinkt. Und als die überzeugte Vegetarierin im Diner dann einen Hamburger bestellt, muss selbst Gérard herzhaft lachen.
Bei der letzten Station ihrer Reise, dem Mosaic Canyon, kommt es zu einem dramatischen Ereignis. Während Isabelle sich von einer Wanderung ausruht, geht Gérard – getrieben von einer seltsamen inneren Unruhe – alleine weiter und tiefer in den Canyon hinein. Wenig später kommt er total erregt zu Isabelle zurück und behauptet, Michael sei ihm begegnet. Statt sich zu freuen, flippt Isabelle total aus und macht Gérard bittere Vorwürfe, weil er sie nicht gerufen hat.
Wenig später sehen wir Gérard allein im Auto vom Motel wegfahren. Die gemeinsame Zeit mit Isabelle scheint vorbei. Wir sehen ihn noch, wie er am Straßenrand zum Pinkeln hält. Da entdeckt er an seinen Armen rote Male. Wo kommen die her? Unruhig fährt er zu Isabelle zurück...
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GUILLAUME NICLOUX – Ein kurzes Statement des Regisseurs
Der ‚Ort‘ ist das konkrete Element, das sich am stärksten und unmittelbar auf meine Vorstellungskraft auswirkte, als noch nichts durchdacht, strukturiert oder geplant war.
Das Tal des Todes (Death Valley) habe ich Ende 2012 besucht. Meine Reise in einen der größten Nationalparks der Vereinigten Staaten war wie ein Wachtraum. Aber ein Traum, dessen Eindrücke und Details niemals völlig verblassen. Ganz im Gegenteil: Was davon blieb, wurde über die Monate hinweg sogar noch präziser wie bei den Träumen, die man als Kind hatte und die sich einprägen wie ein eigentümlich bekannter, beinahe taktiler Geschmack.
Dort verläuft die Zeit horizontal, wie in Afrika. Eine echte Falle. Das Death Valley ist eine Falle für die Wahrheit. Es ist dein einsames Gehirn, offen für alles, was dir sonst entgeht. Und wenn man die Vorstellung akzeptiert, dass es niemals das Wesentliche ist, was man entscheidet, dann entwickelt sich die Geschichte wie eine Quelle, und diese Quelle kann dein nacktes Herz reinwaschen..
Ich bin auf die Ranch im Furnace Creek gezogen und habe gewartet. Ich habe auf mich selbst gewartet. Und das Kind kam. Das Kind, das ich meine, ist das Kind, das ich immer in mir getragen habe und das mich bis zu meinem Tod begleiten wird. Das, das einen wie ein Spuk verfolgt. Die natürliche Ordnung des Todes darf nicht außer Kraft gesetzt werden, sonst ist es die natürliche Ordnung des Lebens, die außer Balance gerät. Ich renne offene Türen ein, denn eigentlich sollen die Eltern als erste sterben.
Isabelle Huppert war von Anfang an mit dabei. Unsere Zusammenarbeit in DIE NONNE („La religieuse“, 2013) war für uns ein emotionaler Durchbruch. Sie hat die Fähigkeit, nicht zu reproduzieren, man muss ihr nichts erklären, zeigen oder sagen.
Es gibt also den Ort, darüber hinaus eine Frau, eine Mutter. Die Mutter des Kindes.
Und dann die Trauer, die aus dem Leben in den Film und aus dem Film in das Leben strömt. So funktioniert mein Kopf. Eine Schlammlawine, die nie versiegt und in eine andere Schlammlawine hineinfließt, die sich dann in mich hinein ergießt bis ich nicht mehr atmen kann, nicht mehr weiß, ob ich ertrinken werde bevor ich ans Ende gelangt bin.
Ich kann mich wieder in diesem Canyon sehen, verloren, vollkommen frei. Ich kann meinen Körper erkennen, wie er sich durch diesen Korridor aus Felsgestein bewegt, auf der Suche nach dem Sohn. Da taucht der Vater auf. Der Vater des Kindes nähert sich. Ich sehe, wie er sich mir nähert, und erkenne ihn sofort.
Ich kann Gérard Depardieu ganz genau sehen. Wenn ich sage, ich kann ihn sehen, ist er ‚der Film‘. Er ist derjenige, dem sich die Bedeutung des Films definitiv offenbart. Diese Art von Kino könnte für ihn also existieren, das wichtigste Element fügt sich zuletzt. Ich sehe ihn an der Seite von Isabelle; das ist alles, was ich tue, ich sehe sie.
Ich sehe sie beide und stelle fest, dass dieses tote Kind auch ich bin, und dass wir es vielleicht gemeinsam wieder auferstehen lassen werden.