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Kultur : Livestream zu den Enkeln

Guckuck Oma! - Großeltern entdecken Skype als Babyphon für ihre Enkel. Das Programm könnte den Computer für Senioren zum Alltagsgegenstand machen

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Die Dame wird Großmutter, im April. Beglückwünscht man sie dazu, sagt sie: "aber". Der Enkel wird in San Diego aufwachsen. Flugzeugstunden entfernt. Es gibt doch Telefon, Internet, da lässt sich doch etwas machen! Die Dame schüttelt den Kopf und sagt: „Skype habe ich, seit mein Sohn drüben ist. Ach, es ist dennoch etwas anderes.“

Vielleicht gab es zuvor keine Generation, die so leicht ihren beruflichen Wünschen folgen konnte, wie die heute 20- bis 40-Jährigen. Zahlen müssen den Preis der Ferne auch die Großeltern. Anders als jüngere Freunde oder der Lebenspartner können sie oft nicht so einfach in ein Flugzeug steigen, um den Nachwuchs zu sehen. Doch nun wollen sich viele der Älteren mit dieser Situation nicht mehr abfinden.

Livestream gegen die Sehnsucht

Inzwischen haben viele Großeltern Skype entdeckt - die kostenlose Software, mit der übers Internet telefoniert werden kann, mit Bild sogar, wenn eine Kamera an den Computer angeschlossen ist. So kann die Enkelin der Oma ihre neue Puppe präsentieren und erscheint tausende Kilometer weit entfernt auf einem Bildschirm. Ein Livestream zu den Enkeln, sozusagen. In Echtzeit, kostenlos. Vielleicht wird es Skype sein, der den Computer endgültig zum Alltagsgegenstand im Seniorenheim machen wird, stundenlang in Betrieb. Aber stillt Skype auch die Sehnsucht?

„Komm rein, willst Du Frank Guten Tag sagen?“ fragt die Freundin, und wer sich in ihrer Wohnung umschaut, sieht keinen Frank, wohl aber einen aufgeklappten Laptop, und der zeigt das Bewegtbild eines winkenden Mannes. Frank in Berlin, das Bild von Frank in Münster. Skype macht Entfernung erträglich und verhilft Fernbeziehungen zu einer Nähe und Selbstverständlichkeit, die Menschen früherer Generationen für unmöglich gehalten hätten. Statt des Partners wird freilich eher dessen abstraktes Bild zur Realität: Das Abbild Franks kommt ohne Geruch und Berührung aus.

Skype lässt vergessen, was man vermisst

Was nicht ganz ungefährlich ist: Frank und seine Freundin benötigen meist ein paar Stunden Warmlaufzeit, wenn sie sich wirklich wiedersehen. Dann streicht sie sich oft durch die Haare, aus Verlegenheit, er spricht zuviel, die Nervosität. Beim skypen passiert ihnen das nicht. Da stellt sich das Gefühl der Vertrautheit direkt ein. Denn Skype lässt vergessen, was man vermisst. Manchmal auch, wie sehr man sich entfremdet, wenn die Abstände zwischen den Besuchen größer werden. Zumindest in Liebesbeziehungen. Warum sollte es gerade bei Großeltern anders sein?

Vielleicht wegen dieser Frage: Welches Kind freut sich schon über eine drückende, herzende Omi, die ihm fremd erscheint? Da ist Skype eine gute Erinnerungsbrücke. Die Großeltern sagen per Video regelmäßig „Gute Nacht!“ und sind so sind keine Fremden mehr. Laut New York Times soll es Großeltern geben, die Skype als Babyphon einsetzen: Die Oma in der Ferne überwacht den Schlaf des Babys und gibt der Mutter Bescheid, falls es wach wird.

Der Bruch der Illusion verstärkt den Schmerz der Entfernung

Die Dame, die bald einen Enkel in San Diego haben wird, sagt, dass Skype die Entfernung zu ihrem Sohn erleichtert. „Doch die Stimme ist oft verzerrt. Wenn ich etwas Wichtiges sagen will, rufe ich doch an“. Der Bruch der Illusion verstärkt den Schmerz der Entfernung. Die Dame lächelt schließlich eben doch einen Computerbildschirm an, der surrt, flackert, und der vom Strom erwärmt wird, nicht von Blut.

Kommen Kinder hinzu, tut diese Ferne oft richtig weh. Denn wer Kinder aufzieht, geht zurück an die Wurzeln dessen, was Menschsein ist: fühlen, riechen, schmecken, Körpersäfte geben und nehmen, im Arm halten, heiße Köpfe kühlen, trösten. Babys und Kinder fordern diese Direktheit schonungslos ein. Ohne Hautkontakt, Wärme, offene Arme läuft nichts. Und dem, der daran gern teilhätte, tut es weh, wenn er es nicht kann.

Da ist Skype die gern genutzte Krücke. Sie hilft, ein Spinnennetz von Beziehungen aufrechtzuerhalten, das die Sehnsucht erträglich macht. Mehr nicht. Leider.

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