Auf der letzten Seite kocht er dann hoch, der Unterschied. „So kochen Frauen. So Männer“, heißt die Rubrik. Die Frau, lernen wir, widmet ihrem Handy mehr Aufmerksamkeit als dem Morgenkaffee, schüttet sich ein Kaffee-Milch-Gemisch in den Kitschbecher, vergisst die Hälfte. Geradezu gedankenlos, nicht fokussiert. Der Mann dagegen agiert präzise, voller Passion, erlesene Kaffeebohnen in der Stahldose, direkt aus dem Kühlschrank, in der Holzmühle eigenhändig feingemahlen, bei der perfekten Temperatur zubereitet. Er trinkt den Espresso nicht, er zelebriert jeden einzelnen Schluck.
So endet Beef!, das neue Koch-Magazin für „Männer mit Geschmack“. Auf dem Cover ein liebevoll geschnürtes rohes Steak, die Internetadresse l
e Internetadresse lautete bis zum Erscheinungstag am 15. Oktober programmatisch www.sokochenmaenner.de.Der Mann ist die neue Nische. Der Verlag Gruner + Jahr (G+J) hat gerade drei neue Titel speziell für Männer auf den Markt geworfen: Business Punk für die Manager, Gala Men für die Style-Bewussten, Beef! für Kerle, die kochen. Die Nischen, in denen Verlage punkten wollten, das waren im vergangenen Jahr noch Menschen mit der Sehnsucht nach dem Landleben, dann, in diesem Sommer, die Kinder, jetzt im Herbst sind es die Herren der Schöpfung. Special-Interest-Magazine gab es sonst nur für Hobbys – oder für Frauen und Gedöns. Warum sollte man etwas lange Zeit so Selbstverständlichem wie dem heterosexuellen, karriereorientierten Mann ein eigenes Magazin widmen? Nun, so scheint es aber, muss der Mann vor der Marginalisierung gerettet werden. Und damit wollen die Verlage sich zugleich selbst aus ihrem derzeitigen Wirtschaftsdesaster ziehen.Ein Krisenphänomen?Und wirklich: Die Ausrichtung dieser Titel illustriert die Krise, in der unsere Wirtschaft derzeit steckt. Und die gerade die Egos der Männer erschüttert, die diese Krise zum größten Teil fabriziert haben. Es sind die „High Performer“, wie G+J die Zielgruppe von Business Punk charakterisiert. Also die so genannten Leistungsträger unserer Gesellschaft, von denen am Wahlabend so oft die Rede war, und die nun endlich wieder zu ihrem Recht kommen sollen, dafür will die FDP sorgen: Sie sollen dafür gewürdigt werden, dass sie so viel verdienen. „Mit Gala Men wollen wir in den von Finanzkrisen geschüttelten Männeralltag etwas Freude bringen“, erklärt Chefredakteur Peter Lewandowski denn auch.Diese Logik ist symptomatisch. Als vor einem Jahr die Weltwirtschaftskrise über uns hereinbrach, war fortan nur die Rede von der Autoindustrie, geradezu hysterisch wurde versucht, diese Männer-Branche zu retten, Überkapazitäten hin oder her. Deutschland ohne Autobauer, so schien es, das kommt einer nationalen Kastration gleich. Den Handelskonzern Arcandor, der laut Betriebsrat zu drei Vierteln Frauen beschäftigt, ließ man dagegen links liegen. Frauenarbeit? Ist doch sowieso nur „Zuverdienst“, so die allgemeine Wahrnehmung, wie die Berliner Wirtschaftswissenschaftlerin Friederike Maier in einem Interview mit der Taz bemerkte.Strategisch passt das in die Zeit. Eine ganze Generation von Eltern mit Jungs kämpft mittlerweile darum, dass ihre kleinen Racker in der Schule mehr Aufmerksamkeit bekommen. Schlechtere Noten, Diskriminierung – Schuld sind die Lehrerinnen, heißt es, alles Frauen, die Jungs nicht richtig verstehen. Der Schulbuchverlag Pons hat nun geschlechtsspezifische Lernhilfen herausgebracht, um wenigstens mit Räubergeschichten das Selbstbewusstsein der Jungs zu stärken.Eine Studie im Auftrag des Bundesfamilienministeriums zum heutigen Rollenverständnis der Männer hat im Frühjahr gezeigt, dass 65 Prozent der befragten Männer stolz sind, Mann zu sein. Dieser Männerstolz, bilanzieren die Autoren, zeige, dass die männliche Ideentität klar und das Männerleben trotz aller Widrigkeiten weiterhin befriedigend sei: „Es sind die Männer mit dem erhobenen Haupt.“Tatsächlich dreht sich bei den neuen Heften alles nur um das eigene, männliche Ego. Fleisch, das Muckis macht, Rezepte für die Angeberküche, Crèmetiegel und „Pfft-pfft“ (Gala Men), die einen fitter wirken lassen, Frauen kommen nicht als Partnerinnen, sondern nur als Accessoires oder Jagdtrophäen vor. In den Texten geht es um Selbstvermarktung. Das alte, lange überholt vermutete „Mein Haus, mein Auto, mein Boot“ ist wieder da. Und mehr noch, der Mann inszeniert sich nun als sein eigenes Statussymbol. Man will so aussehen wie Brad Pitt auf dem Cover von Gala Men.„Work hard. Play hard“, so der Claim, den sich die großen Jungs von Business Punk autosuggestiv auf den Magazintitel gedruckt haben. Alles so schön hart hier, denn fürwahr: Dank all der Top-Erfolgsstorys der High Performers, dank Virgin-Gründer und Playboy Richard Branson auf dem Cover und dank einer Foto-Geschichte über Sekretärinnen mit dem Satz: „Ich werde Vegetarier, wenn ich sie dafür nur kurz in Unterwäsche sehen darf“, kommt das ganze Heft geradezu erigiert daher. Gala Men liefert zu einem Interview über das Uralt-Thema Penisgröße sogar gleich noch die Messlatte am Seitenrand mit: „Einfach Penis auf die Skala links am Heftrand legen und den Abstand von Schaft am Hodensack bis zur Eichelspitze ablesen.“ Geht‘s noch?Wie schon angedeutet: Selbst beim Kochen geht es nur um echte Kerle. „Weil wir es gar nicht leicht wollen, sondern schwierig“, erklärt Beef!-Chefredakteur Jan Spielhagen die Maxime des Heftes. „Weil Nudeln langweilig sind, wenn man sie nicht selber macht.“ Und dann, na klar: „Weil wir nicht 25-mal im Monat kochen, sondern viermal im Jahr“ – es war nicht anders zu erwarten.Denn wenn Männer kochen, ist das etwas Besonderes, vor allem muss es von allen als besonders gewürdigt werden. Wieder eine dieser virilen Ego-Shows: Ohne viel Aufhebens machen sie es nicht. Aber zumindest erweckt dieses Heft den Eindruck, die Männer, für die dieses Magazin gedacht ist, wissen, dass diese Egomanie eine ihrer Charakterschwächen ist. Selbstironie statt Verbissenheit blitzt hier und da auf.Etwa, wenn hier wieder die großspurige Rhetorik zum Vorschein kommt, die uns schon in den Mahlstrom der Finanzkrise zog: „Sparen ist unbekannt. Es werden keine Kosten gescheut“, heißt es in der Satzung für den Männerkochclub, die die Redaktion sicherheitshalber gleich mal mit ins Heft gepackt hat. Paragraph 14 besagt, dass Mitglieder der Kochleistung der anderen respektvoll zu begegnen haben. Keine fiesen Wunden im gemeinsamen Kampf, bitte, man solle an „den Zimmermannssohn vom See Genezareth“ denken: „Dies ist sein Leib, dies ist sein Blut.“ Am Herd wird der Mann von heute wieder religiös.Ein Heft gewordenes KlischeeDagegen ist Business Punk ein echtes Männerklischee: Wahnsinnig von sich überzeugt, in der festen Annahme, unwiderstehlich sexy und lässig zu sein, ein Leben auf der Überholspur sicher in der Tasche. Und dabei ist dieser Typus gesegnet mit dem bemühten Appeal eines Karl-Theodor zu Guttenberg, der sich als DJ hinters Mixpult stellt, um locker zu wirken. Business Punks sind, so der Verlag, „Männer, die für ihren Job und ihr Leben brennen“, „zwischen 25 und 39 Jahre alt“, „häufig Unternehmensberater, Manager, Banker oder Juristen“, „voller Visionen eines erfolgreichen Lebens“. Kurz: „Sie verdienen ihr Geld, um es auszugeben“, sie bräuchten nun endlich „ein Magazin, wie sie selbst“. Was, wenn die mal arbeitslos werden? Es scheint, als solle dieser Lebensentwurf desto offensiver vertreten werden, je fragiler er wird.Gala Men nimmt sich aus wie eine reine Ergänzung: Den Style, der die Coolness der Erfolgsverwöhnten ausstrahlt, den kann man lernen und kaufen, so die Logik des Hefts. Selbst um sich einen Schal zu binden, brauchen die Männer, die das Heft lesen sollen, eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, gezeichnet wie in einem Technikbuch. Stil-Vorbilder wie der ZDF-Moderator Steffen Seibert werden mitgeliefert. Immerhin: Die Männer-Gala ist kein Tratsch-Heft, das bleibt eine Frauendomäne.Unterm Strich gibt es sowieso nur einen Namen, der zu diesen Magazinen gepasst hätte. Leider schon besetzt: Y – so heißt das Magazin der Bundeswehr. Der Titel trägt den genetischen Chromosomenunterschied schon als Differenzmarker in sich. Und ausgerechnet dieses Magazin erscheint im Vergleich zu den anderen geradezu ausgeglichen und reflektiert. Das Heft ist für Männer, die in der Lage sein müssen, Verantwortung zu übernehmen.Gut, da es hier um die Armee geht, rückt das Kämpferische von allein in den Vordergrund. „Immer vorn“, „Sicher in den Kampf“, „An mir kommt keiner vorbei“ lauten die Titelschlagzeilen der vergangenen Ausgaben des im Sommer generalüberholten Heftes. Es wird Stärke demonstriert, weil das bei dem Job zum Überleben gehört. Aber es ist eben hier nicht Kraftmeierei um ihrer selbst willen oder um den eigenen Testosteronspiegel nach oben schießen zu lassen. Wenn die Leser von Y nicht locker und leicht laufen können, liegt das nicht daran, dass sie vor lauter Kraft kaum gehen können, sondern an den schweren Schutzwesten, Munitionsgurten, Waffen und Helmen, die sie tragen müssen.Die Bundeswehr befindet sich schon länger in einer Identitätskrise, seit dem Afghanistaneinsatz erst recht. Jahrzehntelang galt, beim Bund wird nur Krieg gespielt. Und nun stecken die Männer – und ein paar Frauen, 8,6 Prozent, um genau zu sein – mittendrin. Das Heft ist für eine Armee, die mit dieser veränderten Situation umzugehen lernen muss. Und ja, gut, ein paar leichtbekleidete Frauen für den Spind findet man auch noch, wenn man sie sucht.Mannsein ohne Gedöns Übrigens nahm sich auch die Sommerausgabe des Berliner Independent-Magazins Dummy die Spezies Mann vor. Und zeigte damit, wie ein anderes Männermagazin aussehen könnte – eine Bande schluchzender Kerle auf dem Cover, alle in Uniform. Sie können es also doch, das Weinen. Das Heft schafft es, die brüchig gewordene männliche Identität adäquat abzubilden, ohne weinerlich zu sein oder ins Virile abzudriften. Man las von Männern, die nun ohne Hoden weiterleben müssen, vom Fernfahrer und seinem Familienleben, von Brüdern und jungen Männern, die für ihre Überzeugungen einstehen. Alles ohne viel Aufhebens.Vielleicht setzt sich die Fähigkeit zur männlichen Selbstreflexion in den kommenden Ausgaben der G+J-Magazine auch noch durch. Denn bislang spricht eine gewisse Engstirnigkeit aus den Heften. „Das Ziel immer klar vor Augen“, wie es in Y so schön heißt. Und dabei wird das Wesentliche übersehen.