Brüchige Waffenruhe in Syrien

Syrien Das wird am heutigen 25. April aus Syrien gemeldet:

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"Der anhaltende Bruch der von den Vereinten Nationen vermittelten Waffenruhe in Syrien wird nach UNO-Angaben von Satellitenbildern und weiteren glaubwürdigen Quellen belegt. Trotz der Zusage aus Damaskus sei der vom Sondergesandten Kofi Annan ausgehandelte Abzug aller schwerer Waffen aus Wohngebieten nicht erfolgt, sagte sein Sprecher Ahmad Fawzi am Dienstag in Genf. Das sei inakzeptabel, erklärte er.
Annan habe den UNO-Sicherheitsrat über die derzeitige Lage informiert und die syrische Regierung aufgerufen, dem Waffenstillstandsabkommen voll und ganz nachzukommen. Auch wisse Annan, dass es mit dem Eintreffen von UNO-Beobachtern in den Konfliktgebieten zu kurzen Gefechtspausen komme. «Wenn sie da sind, schweigen die Waffen. Wir haben glaubwürdige Berichte, wonach der Beschuss wieder beginnt, wenn sie weg sind», erklärte Fawzi." (TagesAnzeiger, Schweiz) siehe auch UN-TV

"Die syrische Regierung verweigert laut Herve Ladsous, dem UN-Vizegeneralsekretär für Friedensoperationen, den UN-Beobachtern aus den Ländern, die sich an der Tätigkeit der Gruppe der „Freunde Syriens“ beteiligen, die Einreise ins Land, meldet die AFP unter Hinweis auf die UN-Botschafterin der USA, Susan Rice.
Ladsous teilte mit, dass Damaskus bereits eines der Mitglieder der ersten Beobachtergruppe nicht ins Land gelassen hat. Rice zufolge bezeichnete er solche Handlungen als vom Standpunkt der Uno aus absolut unzulässig." (RIA Novosti)

Das klingt nicht gut. Und natürlich erscheint die syrische Regierung als die böse Seite, als diejenige, die den Waffenstillstand und eine friedliche Lösung nicht will. Gegen diesen einseitigen Anschein sei an Folgendes erinnert: "Die ölreichen Monarchien am Persischen Golf haben der syrischen Opposition in Istanbul 100 Millionen Dollar versprochen. Damit könnten Assads Gegner Waffen kaufen und eine Söldnertruppe anwerben. Nicht allein deshalb gab es heftige Kritik Russlands an der Konferenz in der Türkei.
Abdullah ibn Abd al-Aziz und Hamad ibn Chalifa Al-Thani haben keine Lust mehr, so zu tun als ob. Der König von Saudi-Arabien und der Emir von Katar beendeten in der Nacht zum Montag bei der Konferenz der »Freunde Syriens« nun auch öffentlich ihr vermeintliches Bemühen um eine friedliche Lösung der Konflikte in Syrien. 100 Millionen Dollar sollen die bewaffneten Gruppen der Regierungsgegner in diesem Quartal erhalten. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate wollen sich an der Finanzierung beteiligen.
Die Monarchen äußerten sich nicht selbst, sondern überließen es Molham al-Drobi, einem der Begünstigten, den Coup gegenüber der »New York Times« öffentlich zu machen. Drobi, der in Istanbul für den Syrischen Nationalrat (SNR) sprach, nahm kein Blatt vor den Mund. Man wolle mit dem Geld vor allem im Ausland Waffen kaufen, eine Guerilla-Truppe bezahlen und weiteren Angehörigen der syrischen Armee einen »Anreiz zur Desertion« geben. Das 47-jährige Führungsmitglied der Muslimbruderschaft wurde einst in der syrischen Provinz Homs geboren, lebt aber seit Langem im Exil in Toronto (Kanada). Nach der politischen Offenherzigkeit seiner Sponsoren muss Drobi nun auch keine Rücksicht mehr auf die Annan-Mission nehmen. Ohnehin hatten die im SNR organisierten Exilpolitiker nicht vor, auf Einladungen zum Dialog bzw. Trialog mit Vertretern der syrischen Regierung und UN-Vermittler Kofi Annan einzugehen." (Neues Deutschland, 3. April 2012)

"Die »Freunde Syriens« haben ihre Perspektive für den »Regime change« in Damaskus bekräftigt. Auf einem Treffen am Sonntag in Istanbul erkannte das selbsternannte Gremium den oppositionellen Syrischen Nationalrat (SNR) als »legitimen Vertreter des syrischen Volkes« an und stimmte zu, diesen finanziell, politisch und logistisch zu unterstützen. Eine Arbeitsgruppe soll prüfen, welche weiteren Sanktionen gegen Syrien verhängt werden können. Kofi Annan, der als Syrien-Beauftragter der Arabischen Liga und der Vereinten Nationen für einen Plan wirbt, mit dem die Gewalt in Syrien beendet und ein nationaler Dialog aufgenommen werden soll, erhielt zwar nominell die Unterstützung des Treffens. Gleichzeitig hieß es aber, Damaskus müsse eine Frist gesetzt werden, den Plan umzusetzen. US-Außenministerin Hillary Clinton schließlich dekretierte: »Die Welt wird nicht zögern, Assad muß gehen.«" (junge Welt, 3. April 2012)

Ich hatte schon geschrieben, dass es verwunderlich wäre angesichts der vielen Gruppen und Kräfte, die im syrischen Konflikt mitmischen, wenn der Waffenstillstand und eine friedliche Lösung tatsächlich zustande kommen. Dass die immer noch souveräne Regierung des immer noch souveränen Staates Syrien ein Problem mit den Beobachtern aus den Ländern der "Freunde des syrischen Volkes", wie sie sich ja vollständig nennen, und an der Aufrichtigkeit des UN-Planes hat, ist doch nur zu verständlich angesichts der Handlungen dieser Länder. Wenn dann noch die UN-Botschafterin der USA böse guckt dazu ...

Lutz Herden hat es auch im Freitag beschrieben: "Assad müsste die politische Identität Syriens aufgeben. Allein das würde seine Gegner überzeugen. Eine neue Verfassung, die der Baath-Partei das Machtmonopol entzieht, hat sie nicht überzeugt. Sie gilt als Täuschungsmanöver. Es bleibt also nur die ganz große Kapitulation. Weil Assad die verweigert und seine Armee nicht auseinanderläuft, sondern kämpft, wird die Schlacht um den einzigen säkularen Staat im Nahen Osten so bald kein Ende finden. Ein Waffenstillstand ändert daran wenig, ob er nun zwei Stunden dauert oder zwei Wochen oder gar nicht erst zustandekommt – es ist egal. Assads innere Gegner haben zu viele Opfer gebracht und seine äußeren wollen zu viel, als dass sie mit weniger als dem Regimewechsel zufrieden wären." (Freitag, 11. April 2012)

Und was die Bundesrepublik angeht, sei MdB Wolgang Gehrcke zitiert: "Offenkundig lautet die wichtigste Lehre für die Bundesregierung aus dem Libyen-Krieg, dass sie zumindest unter der Hand beim gewaltsamen regime change nicht abseits stehen darf, wenn sie der deutschen Wirtschaft Einfluss und Geschäftschancen in Syrien sichern will. Deshalb beteiligt sie sich an der Arbeitsgruppe "syrische Wirtschaftspolitik in der Nach-Assad-Zeit" der selbst ernannten "Freunde des syrischen Volkes". Der syrischen Wirtschaft soll von außen ein neoliberales Konzept verordnet werden, um den wirtschaftlichen Einfluss in Syrien, den Umbau von Staatsindustrie, wetteifern die Türkei, die Golfstaaten, aber auch die alten Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien. Wo so viel zu holen ist, will Deutschland nicht zurückstehen." (Pressemitteilung vom 2. April 2012)

Die Bestätigung für diese Arbeitsgruppe ist in der Rede von Bundesaussenminister Guido Westerwelle vom 1. April 2012 zu finden: "In Tunis, the Friends' Group endorsed the idea of a Working Group on Economic Recovery and Development. Together with the United Arab Emirates, Germany has taken this idea forward. We are pleased that today the mandate for the group has been endorsed.
The UAE and Germany are willing to continue their engagement as co-chairs."

Nein, das sind alles keine guten Voraussetzungen für einen tatsächlichen und ernstgemeinten Waffenstillstand und für eine wirkliche friedliche Lösung. Es bleibt der Anschein, dass das auch gar nicht gewollt ist, vor allem nicht von jenen, die ununterbrochen den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad an den Pranger stellen. Sie wollen das Land gar nicht zur Ruhe kommen lassen, damit sie endlich in Syrien aufräumen können ... Auch wenn ich mich wiederhole: Alles andere wäre auch verwunderlich.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Hans Springstein

Argumente und Fakten als Beitrag zur Aufklärung (Bild: Eine weißeTaube in Nantes)

Hans Springstein

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