Tod, Therapie und dieses Bäm

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ich bin momentan ganz schön alle. mein kopf fühlt sich ein bisschen leer gepustet an. die vergangenen zwei wochen hat mich praktisch jeder tag an meine grenzen getrieben. irgendwo, irgendwie. in so einer zeit, mit dem eigenen leicht wahnsinnigen kontext, dann auch noch als feministische mutter mit einem hang dazu, verklemmt zu sein, diese "schoßgebete" in der wenigen freien zeit zu lesen ist... einfach "bäm"!

die letzten seiten, seit meinem ersten eindruck, waren brutal (ich schreibe dies, mich auf s. 185 befindend). einige davon habe ich nicht ausgehalten, ich musste sie überblättern, sie haben mich und meine vorstellungskraft (die ist sehr gut, immer gleich alles in bildern im kopf - juchuuu!) überfordert.

was bleibt mir also zu sagen? ich kann ja mal sagen, dass mich diese schonungslosigkeit sprachlos macht. sie imponiert mir ein bisschen und ich finde es ja eh immer gut, wenn eine da hin geht, wo es vielen weh tut. kleines beispiel: der umgang mit dem tod. weil das thema beinahe auf jeder seite des buches auftaucht, kann man nicht umhin kommen, einmal darüber nachzudenken, wie wenig es sonst in unserem leben vorkommt. eines der ersten dinge, die elisabeth mit ihrem mann georg zu beginn der beziehung tut, ist das regeln von testamenten und patentienverfügungen. das nennt sie ihre spezielle form der romantik. ich musste sehr grinsen, mir gefällt das.

ein anderes tabu ist das wünschen von tod. wer nach elisabeths wunsch schon so alles hätte sterben sollen. manchmal zumindest. ein bisschen zumindest. mit den unterschiedlichsten motiven. mit elisabeth kiehl tritt in diesem buch eine in eine hygienisch vom sterben bereinigte gesellschaft, die den tod in alles hineindenken kann. der tod ist ihr ständiger gedanklicher begleiter. sie spielt hier und da damit, hat manchmal panik, manchmal sehnsucht... außer beim sex ist er eigentlich immer präsent. deswegen ja auch dieser sex, da am anfang des buches, auf den manche das buch reduzieren wollen. wie sinnig.

noch so ein tabu: "therapie ist geil!" - macht alle therapie, dann werdet ihr glücklicher! - naja. schön wär's, wenn's so einfach wäre. ich habe selbst leider einmal erleben dürfen, wie schwer es war, für einen massiv in einer krise steckenden menschen einen termin bei IR-GEND-WEM zu bekommen. da habe ich schon gar nicht mehr nach qualität geschaut. da ging es quasi um leben oder tod - also gefühlt - aber zeit hatte dafür natürlich niemand. daneben kenne ich zu viele leute, die scheitern, weil die qualität nicht stimmt. in großstädten mag man ja jemanden finden. aber auf dem land?! die leute sollen nach elisabeths meinung alle eine therapie machen. um eine gute frau, mutter, wasweißich zu sein. so sehr ich sympathie für diese einstellung entwickeln kann, die dazu ermuntert, therapie nicht als stigma, sondern als chance zu begreifen - das tu ich wirklich!! - dieses überschwängliche stört mich doch sehr. 1. weil wenn alle idioten mit idioten-problemchen plötzlich "therapiebedürftig" werden, dann bekommt man für die ECH-TE krise ja noch viel länger keinen termin. und 2. krieg ich die motten, wenn ich daran denke, dass plötzlich alle unsere macken "behandelbar" sein sollen. "das kann man wegmachen" - mit therapie. so ist das vielleicht - hoffentlich! - nicht gemeint, aber manchmal könnte der eindruck entstehen. es gibt keine schlimmere krankheit, als die diagnose. und ich bin da ganz bei manfred lütz, der in "irre! - wir behandeln die falschen, die normalen sind das problem" darlegt, warum dieser ansatz, man müsste leute mit ner psychischen macke alle "richtig stellen" total gefährlich ist. liebe elisabeth, bitte lies mal dieses buch.

wie ich merke, fällt es mir ansonsten sehr schwer, viel und tiefergehend etwas über das buch zu sagen, und was es in mir auslöst, weil es zu persönlich würde. das ist ja keine therapie hier! deswegen halte ich jetzt die klappe.

nee, eins noch: als feministin, das muss ich jetzt schon nochmal loswerden, käme es mir nicht in den sinn, an diesem buch anstoß zu nehmen. es ist ja ein roman. es ist keine reportage. schon gar kein ratgeber. - eher im gegenteil. also, ich glaube, wenn feministinnen an diesem buch rumzukritisieren begännen, dass es heteronormativ! sei oder dieses mütter-ideal!, oder diese ganze sex-puff-porno-kacke! - ja, also dann käme ich nicht umhin, zu vermuten, dass frau roche mit ihrem roman wirklich irgendwohin getroffen hat, wo es eben vielen weh tut. und das ist auch gut so. aber mit feminismus hat so eine kritik für mich dann nicht viel zu tun.

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Geschrieben von

Katrin Rönicke

ich bin... einfach so; ich bin nicht... so einfach

Katrin Rönicke

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