Auslese I

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Gebettet auf Seidentüchern, liegen sie verlockend in vielen Buchhandlungen: Bücher der Abteilung "Engel, Esoterik und Verarsche". Bei vielen Büchern lohnt ein Blick hinein, denn hinter einem Umschlag in warmen Farben aus dem Regal "Lebenshilfe/Alternatives Heilen" verbirgt sich schon mal Inhalt, der einen frösteln lässt.

Um ein solches Buch handelt es sich bei "Was dir deine Krankheit sagen will: Die Sprache der Symptome", und ich habe mir ein paar Seiten darin durchgelesen. Der Autor verspricht die "Heilkraft der Seele" zu aktivieren. Meine Seele habe ich bei Ebay verkauft, vielleicht gibt es trotzdem Hoffnung.

Er geht davon aus, jede(!) Krankheit sei ein Appell des Lebens an uns, eine Aufgabe, die es zu lösen gilt, indem wir unsere Gedankenrichtung ändern und unser Bewusstsein erweitern. Und das gilt, dem Autor zufolge ganz gleich, in welchem Stadium sich eine Erkrankung befindet, immer steht dahinter ein ungelöstes Problem, einer "Aufgabe des Lebens" und die Unfähigkeit oder die Weigerung, auf bestimmte Anforderungen des Lebens richtig zu reagieren. Leider sagt er nicht, wer oder was dieses, irgendwie zur Handlung fähige, personifizierte Leben ist, noch, was es für richtig halten möge. Vielleicht weiß der Autor rat? Dazu später mehr.

Das "Bewusstsein" hat es dem Autoren ganz besonders angetan, schreibt er doch vom wahren 'Selbst-Bewusstsein' welches einen, so man darin lebe, nicht krank werden lassen. Er sinniert über das Bewusstsein des wahren Ich, welches, verlassen wir den falsch eingeschlagenen Weg wieder, der uns hat krank werden lassen, vollkommen wird.

Wo das Bewusstsein herangeschleift wird, kann der Sinn nicht weit sein und so ist es auch. Denn der tiefere Sinn von Erkrankung, fantasiert der Autor weiter, sei, uns einmal zur Besinnung zu zwingen. Man müsse nur sein Denken, Fühlen, Reden und Handeln wieder in Ordnung bringen, die körperliche Harmonie und Gesundheit stelle sich dann schon wieder ein. Das führt mich zur Frage, wie ein Neugeborenes, dessen Nabelschnur sich um den eigenen Hals gelegt hat und so die Sauerstoffzufuhr zum Hirn unterbrach, was zu bleibenden Schäden führte, wohl sein Denken, Fühlen, Reden und Handeln wieder in Ordnung bringen soll. Doch wir sollten uns an dieser Frage nicht lange aufhalten, der Autor bietet eine Lösung an, denn das Schicksal sei der beste Therapeut. Es, so der Autor weiter, heile letztlich jeden. Im beschriebenen Fall liegen ein Regal weiter auch schöne Bücher, unter dem Stichwort "Engel".

Bei solchen Worten wird einem ganz warm ums Herz, doch damit nicht genug, denn der Autor zeigt auf, dass wir selbst unser Glück in der Hand halten, jeder kann selbst bestimmen, auf welchem Weg er lernen will: auf dem königlichen Weg der Erkenntnis oder auf dem üblichen Weg durch Krankheit und Leid. So wie sich der junge Mann in Haiti entschieden hat, sich von der Cholera infizieren zu lassen. Vielleicht weil er endlich mal was loswerden wollte. Oder die junge Frau in Deutschland, deren Körper ihr durch den Brustkrebs sagen will, dass...?

Der Autor geht soweit, uns mitzuteilen, wir sollten dankbar sein für die Botschaft unseres Körpers und die Chance nutzen, sofort auf den richtigen Weg zurückzukehren. Das mag uns zynisch erscheinen, doch ist es nur logisch, denn wer krank wird, dem fehlt die Liebe zu sich selbst, zu seinem wahren Selbst. Ihrem, im letzten Fall.

Der Weg führe über das Symptom, als das, so der Autor weiter Vorne, man eine Krankheit beschreiben solle, denn der wahre Grund liege tiefer. Spräche ich die "Sprache der Symptome", sage mir mein Körper nicht nur, ich sei vom Weg abgekommen, sondern auch wo ich aus der Ordnung gefallen sei und was ich tun müsse, um die Harmonie wieder herzustellen. Jemand mit Diabetes könnte zum Beispiel süßer zu seinen Mitmenschen sein, jemand mit Angina Pectoris offenherziger. So einfach können wirre Gedanken sein. In einem anderen Werk* schreibt der Autor über Lähmungen:

"Hinter jeder körperlichen Lähmung steht immer eine geistigseelische Unbeweglichkeit. Der Teil des Körpers, der gelähmt ist, gibt dabei den Hinweis auf die Art der Unbeweglichkeit."

Und natürlich hat er Recht, Stephen Hawking ist der Beweis oder dieser junge Mann.

Bereits wenige Seiten weiter, nimmt der Autor die Psychosomatik als Geisel, indem er den deutschen Arzt Johann Heinroth zitiert, der, als er behauptete, körperliche Leiden könnten psychische Ursachen haben, von seinen Kollegen ausgelacht wurde. Und weil es immer gut kommt, einen Griechen im Text zu haben, besser zwei, werden auch noch Plato und Sokrates verwurstet und zwei Zitate herangezerrt:

"Es gibt keine von der Seele getrennte Krankheit des Körpers"

und

"Das aber ist der größte Fehler bei der Behandlung von Krankheiten, dass es Ärzte für den Körper und Ärzte für die Seele gibt, wo doch beides nicht getrennt werden kann."

Also muss es wahr sein. Wie plötzlich aus der Psyche die Seele wurde und ob man beides Synonym verwendet kann, thematisiert der Autor nicht. Es sei so schlimm, dass wir heute zwischen Körper und Seele (oder Psyche?) trennen, da es keine Tempelärzte mehr gäbe. Und die wünschen wir uns doch alle zurück, damit sie uns (unsere Seelen?) mithilfe einer Trepanation von bösen Geistern befreien. Der Autor ist enttäuscht, weil wir, so wir überhaupt bereit sind, Psychosomatik für möglich zu halten, nach wissenschaftlichen Beweisen suchen. Pfff, Wissenschaft! Das ist was für Kleingeister ohne Seele, vielleicht sogar ohne Psyche!

Wenn der Autor schreibt, Ego und Seele hätten recht unterschiedliche Wünsche, vergisst er leider, darauf hinzuweisen, wie er zu diesem Gegensatzpaar kommt. Sei's drum. Das Ego, so der Autor weiter, will Bequemlichkeit und die Seele Entwicklung. Und wer kennt Sie nicht, die entspannten Egoisten in den Chefetagen, auf nichts aus, als Ihre Bequemlichkeit, und wer hat nicht schon die Steuererklärung für drei Jahre entwickelt, um einfach mal die Seele baumeln zu lassen.

Um nicht krank zu werden, rät der Autor, Kurt Tepperwein, vorzubeugen, am besten durch die richtige Ernährung (ÜBERRASCHUNG!). Dabei unterscheidet er zwischen physischer, psychischer und geistiger Ernährung.

Die psychische Ernährung ist eine Diät aus nicht mehr ärgern, sich aufregen und in Stress geraten, gewürzt mit Heiterkeit und Gelassenheit. Die physische Ernährung solle nicht das Falsche, zur falschen Zeit und im falschen Bewusstsein sein. Das ist doch ausreichend konkret und positiv formuliert! Apropos positiv: Die richtige geistige Ernährung besteht aus positivem denken, reden und handeln und auch sonst alles zu machen was langweilig, sprich richtig ist.

Zum einen fragt man sich, ob der Autor seine LeserInnen für so gehirnamputiert hält, dass ihnen nicht auffällt, wie er es bei der Formulierung der physischen Ernährung selber nicht so genau genommen hat mit den Regeln der geistigen Ernährung? Zum anderen, ob der Autor sich zumindest außerhalb seiner Bücher an seine eigenen Tipps hält. Das Amtsgericht Memmingen sah das wohl nicht so.

Die Meinung des Autors fasse ich Zusammen: Jeder Mensch ist so krank wie er es verdient, weil er vom richtigen Weg abgekommen ist. So ist auch jeder Mensch selber schuld, wenn er nicht wieder gesund wird. Denn er ist nicht bereit sich genug zu ändern. Frei nach Bobby McFerrin:

Don't worry, be happy or suffer and die!

Hier noch ein, leicht bearbeitetes, Wordle aus den Worten der von mir gelesenen Seiten in einem Buch, in dem es um Gesundheit gehen soll:

http://dieausrufer.files.wordpress.com/2011/06/wordle-tepperw.jpg * "Du machst mich krank: Die Sprache der Symptome erkennen und verstehen. Warum viele Beziehungen so ungesund sind" MVG Verlag 2004 +

Mehr zum Thema: Fliegen oder freier Fall auf "Die Ausrufer" oder auf Freitag.de

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

merdeister

Ein guter Charakter erzieht sich selbst. - Indigokind - Blogtherapeut

merdeister

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