Wien: Nie wieder.

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In Wien scheint immer die Sonne. Als mein Zug in den Westbahnhofeinfährt klatschendicke Tropfen gegen das Fenster meines Abteils. Der Himmel ist grau und die Wolken wirken erdrückend. Auf dem Weg zur Bim werde ich natürlich nass. Der Wind bläst die Tropfen in mein Gesicht. In Wien scheint immer die Sonne, ich bin verwirrt.

Das Naturhistorische Museum ist alt, 1889 hat Kaiser Franz Joseph es eröffnet und es bauen lassen, weil er in der Hofburg keinen Platz mehr für seinen ganzen Krempel hatte. Darwin und seine Theorie zur Evolution sind auch alt, letztere hat allerdings vor den Mitgliedern einiger Glaubensgemeinschaften halt gemacht.

Im NHM zu Wien bietet man zur Zeit Darwin und seiner Theorie Unterschlupf in einer Ausstellung. Leider ist die Didaktik der Ausstellung, so sehr man sich auch bemüht haben mag, auch alt. Texte beschrieben Ausstellungsstücke und in der Mitte lag ein Papp-Darwin in einer Hängematte an Bord der Beagle. Meeresrauschen und Möwentöne komplettierten das Bild. Schnell war ich müde und habe mir den Rest den Museums nur im vorübergehen angesehen. Das ist ziemlich Schade, den dort steht die Fracht einer kompletten Arche. Leider ausgestopft.

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Am Donnerstag spricht das Wetter eine Einladung auf die Donauinsel aus. Meine Augen tränen unter der Kraft, die von den Sonnenstrahlen ausgeht und erinnern mich daran, dass ich eine Sonnenbrille kaufen möchte. Seit drei Jahren übrigens. Zum Glück mag der Österreicher Rabatt-Angebote, nun habe ich zwei Brillen zum Preis von einer. Toll!

Mein Magen spricht eine Einladung zum Mittagessen aus, die nur ein Grieche annehmen kann, denn alle anderen Restaurants haben noch geschlossen. Der Grieche bietet drei Gerichte, unter anderem Mousaka, welches auch bis zum späten Abend faul in meinem Magen herumliegt und nicht daran denkt, sich verdauen zu lassen. Das Essen in Wien zeigt sich so dauerhaft, wie die Architektur.

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Bei Porgy und Bess treten am Freitag „The Fell Clutch“ auf und haben mein Verhältnis zum Jazz verändert. Ich bin wie hypnotisiert von der Klangwelt, die sich mir eröffnet. Ich werde einfach eingesogen schaue wie gebannt auf Stomu Takeishi (Bass) dessen Gesicht ich erst am Ende zu sehen bekommen und staune, wie er sein Instrument operiert. Zusammen mit Tony Buck (Schlagzeug) führt er einen Tanz auf der sich bei Buck vor allem im Gesicht abspielt. Etwas außerhalb steht Ned Rothenberg und schafft es mittels Zirkularatmung endlose Töne aus Klarinetten, Saxophonen und einer komischen Flöte zu bekommen. Spätestens jetzt sollte klar sein, dass ich von Musik keine Ahnung habe. Die Musik hört plötzlich auf, Applaus brandet auf und ich erwache, erstaunt, dass es schon vorbei ist und erstaunt über den Zustand, in dem ich gewesen bin. 20.3.10, ich kann Jazz hören.






In Wien spüre ich die Vergangenheit auf Schritt und Tritt. Diese Kulisse diente vor 60 Jahren als Kulisse für einen Teil dessen, was in einem Inferno und demTod von Millionen von Menschen endete.

Besonders beeindruckt hat mich ein Besuch beim Karl Marx Hof. Dort verschanzten sich 1934 beim Aufstand gegen den Austrofaschismus Arbeiter undgaben erst nach dem Beschuss durch Artillerie auf. Der Karl Marx-Hof gilt als das größte zusammenhängende Wohngebäude der Welt.

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Am Abend nach dem Konzert zeigt mein Gastgeber mir den ehemaligen Flakturm im Arenbergpark, einen Koloss aus Stahlbeton, der in jeden Star-Wars-Film gepasst hätte. Ein Gebirge in der Stadt, unzerstörbar. Heute dient er als Ausstellungsfläche für Kunst. Hier sagt Wien: Nie Wieder.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

merdeister

Ein guter Charakter erzieht sich selbst. - Indigokind - Blogtherapeut

merdeister

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