S21 Klassisch: Dvorak gegen Barbarei

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Für hochgelahrt-linke FREITAG-Leser selbstverständlich viel zu banal. Deshalb nur für's Protokoll:

"Am 12.9.2010 fand im Schlossgarten ein von den Parkschützern organisiertes Sinfoniekonzert statt. Aufgeführt wurde Antonín Dvořáks 9. Sinfonie "Aus der Neuen Welt" unter der Leitung von Wolfgang G. Hofmann. Dass das Konzert stattfinden konnte war ein mittleres Wunder: bis kurz vor knapp war nicht klar, ob wir überhaupt genügend Musiker beisammen bekommen, einen Tag vorher war noch nicht sicher, ob es genügend Stühle geben würde. Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Konzert" (www.bei-abriss-aufstand.de/2010/09/13/sinfoniekonzert-im-stuttgarter-schlossgarten/ ).

Der 2. und 3. Satz sind mittlerweile über YouTube direkt oder über die o.a. Adresse anzuschauen und zu hören. Leider bieten die Stuttgarter Baumkronen keine optimale Akustik, aber der Anblick macht hoffentlich verständlich, dass dies trotzdem kein Grund sein kann, sie abzuholzen, um ein überflüssiges und überteuertes Beton-Maulwurfsloch an ihre Stelle zu setzen.

Besonders bedauerlich, dass ich selbst - der schönste Mann vor Ort - im Film nicht zu sehen bin, obwohl ich im Einzugsbereich der Kamera stand. Vermutlich wurde ich wegen meines Ralph Lauren-Hemdes als Pro-S21-Spitzel verdächtigt und boykottiert :).

Trotz allem: dies taugt als Symbol. Und als Fanal. Denn spätestens seit diesem Konzert kann nicht mehr geleugnet werden: im Südwesten bahnt sich - verspätet - die bürgerliche Revolte an, die (West-)Deutschland bisher nicht erlebt hat. Auch deshalb befinden wir uns ja schon wieder auf der Strasse in einen kapitalistischen Neo-Feudalismus, in dem unter Wahrung "demokratischer" Formalien die Wünsche einer polit-industriellen Machtclique durchgepeitscht werden sollen (S21, Kernenergie).

Dass speziell das Feuilleton nach Stuttgart schaut, hat auch diesen Grund. Während nämlich S21 versucht, die letzte Frischluftschneise in Stuttgart zu schließen, kämpfen die Kritiker dafür, im politischen System der BRD eine solche zu öffnen.

Hartz IV-Empfänger mag das zunächst wenig berühren, den "Schwarzen Block" auch. Wenn aber Bourgeoisie zu Citoyens wird, kann das zumindest dem System insgesamt nur gut tun, denn wer soll die Machtcliquen effektiv kontrolliern und in ihrer Macht begrenzen, wenn nicht die, die die Politik nicht nur bezahlen, sondern sich endlich auch für den Shareholder Value dieser Politik interessiern. "Wir sind das Volk, wir sind das Geld", mag vordergründig für heuteshow-Häme geeignet scheinen. Ist aber, genau betrachtet, nur schwäbisch-realistische Nüchternheit.

Und in den Blogs der Stuttgarter Zeitung tut sich derweil Ungeheuerliches. Unternehmer rebellieren offen gegen die Vereinnahmung durch die aus feudaler Ständeordnung überkommene Zwangsinstitution IHK und deren möglicherweise rechtswidrige Instrumentalisierung für S21.

Überhöht? Sicher. Noch. Kommt darauf an, was wir und der Rest der Republik jetzt daraus machen. Mit den Mächtigen lachen oder den Mächtigen zeigen, "wo dr Bartel dr Moscht holt", wie man hier sagt. Oder, wie gehabt, bis in's Delirium intellektuell vor uns hin onanieren.....

Zum Dvorak:

2. www.youtube.com/watch?v=wQlNnE45Mnw

3. www.youtube.com/watch?v=qbz0LLsOqlA

Eine Frühjahrsansicht des Parks, der zerstört werden soll, gibt es hier:

www.youtube.com/user/kpunkt

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

seriousguy47

Anglophiler Pensionär und Flüchtlingsbetreuer aus Stuttgart.

Wehrdienst, Studium ( Anglistik, Amerikanistik, Empirische Kulturwissenschaft, Sozialpädagogik) , Praktikum ( Primärtherapie), Lehramt, Flüchtlingsbetreuung

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