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Die Wahrheit hat einen Freund verloren. Ein Nachruf auf Paul, den Tintenfisch

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Im Krieg stirbt zuerst die Wahrheit, sagt man. Doch manchmal stirbt sie auch in Friedenszeiten. Paul der Tintenfisch, tentakelndes Orakel oder orakelnder Tentakel, Fußballnarr und Medienstar ist tot. Er ist am 26. Oktober im gehobenen Tintenfischalter von zwei Jahren und neun Monaten in einem Wasserbassin des Oberhausener Sea Life Center sanft entschlafen, wie die Aquariumsleitung mitteilte. Mit ihm hat die Wahrheit einen wichtigen Freund verloren.

Paul wusste viel, manche sagen: zu viel. Musste er deshalb sterben?

Paul war eine Berühmtheit, sein Wort zählte bei den Menschen von Sylt bis Sevilla. Paul der Tintenfisch war, obwohl er selbst nie einen Ball getreten hat, ein Fußballkenner wie kaum ein zweiter. Als die Weltmeisterschaft in Südafrika angepfiffen wurde, schlug seine große Stunde. Von seinem Oberhausener Aquarium aus schien er mühelos über Sieg und Niederlage zu gebieten – acht von acht Prognosen des „Pulpo“ trafen zu.

Auf einen wie ihn hatte die Fußballwelt gewartet. „Paul el Pulpo!“ riefen die Menschen in Buenos Aires. „Le poulpe!“ skandierten sie in Burkina Faso. „Il polpo!“ flehten sie in Neapel.

Paul war nicht eitel. Aus dem Rummel um ihn machte er sich nichts. Selbst als sich vor den letzten Spielen hunderte Journalisten aus aller Welt vor seinem Aquarium drängten, verlor er nicht die Bodenhaftung, vielleicht dank der Saugkraft seiner Tentakel. Ich denke, das hat ihn vielen sympathisch gemacht. Paule is eener von uns, sagten die Menschen in Berlin.

Woher nahm Paul sein profundes Fußballwissen? Nie hat ihn jemand in einem Fußballmagazin blättern sehen, nie verfolgte er die Sportschau im Fernsehen. Trotzdem lag er stets richtig. Viele Menschen rund um den Globus fragten sich: Wie kann das sein?

Ich glaube, Paul trug den Fußball in seinem Herzen, in seinem kleinen fußballverrückten Tintenfischherzen, das nun – viel zu früh! – aufgehört hat zu schlagen.

Paul ist von uns gegangen. Aber er hat uns etwas hinterlassen. Er hat uns Fußballfreunden gezeigt, dass man kein Experte sein muss, um sich Gehör zu verschaffen. Paul hat sich nichts aus Titeln gemacht (außer aus WM-Titeln), er hat nie studiert oder eine Schule besucht. Paul kam aus kleinen Verhältnissen, wie man so schön sagt. Hat ihn das daran gehindert, seine Stimme zu erheben und zu sprechen?

Ich denke, wir alle kennen die Antwort. Paul hat sich auch vor unbequemen Wahrheiten nicht gescheut. Es war sicher nicht leicht, im Halbfinale den Sieg der spanischen Mannschaft über die deutsche zu verkünden und dazu zu stehen – in einem deutschen Aquarium, konfrontiert mit den Erwartungen und Hoffnungen von Millionen Menschen. Aber Paul hat sich nicht beirren oder beeinflussen lassen. Und auch wenn wir uns manchmal eine andere Prognose gewünscht hätten, so wussten wir doch tief in uns: Bei Paul war die Wahrheit in guten Händen. Auf Paule war Verlass.

Angesichts dieser Wahrheitsliebe werden Fragen bleiben, ob Paul, als er am 26. Oktober vor seinen Schöpfer trat, vielleicht den Preis dafür bezahlte.

Mit seiner Wahrheitsliebe hat Paul sich Feinde gemacht, kein Zweifel. Aber vor allem hat er Freunde gewonnen, überall auf der Welt. Und als einer dieser Freunde möchte ich heute sagen: Danke, Paul, danke für alles, was du für den Fußball, was du für die Wahrheit, und was du somit für so viele von uns getan hast. Danke, dass du uns in einer Zeit, in der Wahrhaftigkeit nicht viel zählt, den Glauben an die Kraft der Wahrheit zurückgegeben hast.

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