Seit 1908 haben sich die Frauen nach und nach Zugang zu den Olympischen Wintersportarten erkämpft. Zwei Disziplinen waren in diesem Jahr in Salt Lake City fürs weibliche Geschlecht immer noch tabu
Daniela Iraschko hat Pech. Die Österreicherin ist zwar seit Jahren eine der Besten in einer der populärsten Wintersportarten, doch in Salt Lake City konnte sie trotzdem nicht um olympische Medaillen kämpfen. Damit geht es ihr nicht besser als der Norwegerin Anita Wold, die Anfang der siebziger Jahre zwar bei der Vierschanzentournee mitmachte und 1976 mit einem 97,5-Meter-Flug Frauenweltrekord aufstellte, bei den Winterspielen von Innsbruck im selben Jahr aber mit dem Zuschauer-Rang vorlieb nehmen musste. Denn dort gab es kein Skispringen für Frauen - und das ist bis heute so geblieben. Olympisches Skispringen gibt es nur für Männer. Wintersport bei Olympischen Spielen, das war lange fast ausschließlich Männersache. Die erste Wintersportart, in der F
in der Frauen um olympische Ehren kämpfen durften, war - wen wundert´s - der Eiskunstlauf. Allerdings, und das ist schon erstaunlicher, Eiskunstlauf war auch die erste Wintersportart, in der Männer um Olympischen Lorbeer fuhren. Die Spiele von London wurden 1908 auf den Oktober verschoben, damit auf der Kunsteisbahn des "Prince´s Scating Club" der erste olympische Eiskunstlaufwettbewerb durchgeführt werden konnte. Die Deutsche Anna Hubler gewann zusammen mit Heinrich Berger den Paarlauf. Erste Einzel-Olympiasiegerin in einer Wintersportart wurde bei den verregneten Spielen von London die Britin Florence Syers. Sie war keine Unbekannte. 1906 war sie erste Weltmeisterin im Eiskunstlauf geworden und hatte schon vor den ersten Weltmeisterschaften der Frauen eine WM-Auszeichnung gewonnen. 1902 startete sie im Männerwettbewerb und wurde zweite hinter dem Schweden Ulrich Salchow, der 1908 in London erster Eiskunstlauf-Olympiasieger wurde. SportmillionärinFür die Olympischen Spiele 1916 in Berlin waren erstmals Winterwettkämpfe geplant, die aus sehr verständlichen Gründen dann aber nicht stattfanden. Im Februar 1916 hätten im Schwarzwald erstmals Skispringen, Nordische Kombination und Langlauf, im Berliner Eispalast zum ersten Mal Eishockey und Eisschnelllauf stattfinden sollen. Für die Frauen war erneut nur der Eiskunstlauf auf dem Programm. Daran änderte sich weder für die Sommerspiele von Antwerpen 1920 noch für die ersten Winterspiele 1924 in Chamonix etwas. Die Spiele von Chamonix waren als "Internationale Wintersportwoche" durchgeführt und erst nachträglich als die ersten Olympischen Winterspiele anerkannt worden. Dass Frauen nicht am Militärischen Patrouillenlauf, der damals noch olympisch war, teilnahmen, ist fast schon sympathisch. Doch Frauen finden sich auch nicht in den Siegeslisten der Langlaufwettbewerbe oder des Curlings oder in denen der erstmals olympischen Bobrennen. Auch bei den 2. Olympischen Winterspielen 1928 in St. Moritz sucht man in diesen Disziplinen nach ihnen vergebens. Mächtiger als als alle ihre Vorgängerinnen war jedoch die charismatische Siegerin des Eiskunstlauf-Wettbewerbs von 1928, die Norwegerin Sonja Henie. Sie gewann in St. Moritz im Alter von 15 Jahren ihre erste olympische Goldmedaille und wiederholte ihren Sieg bei den Spielen 1932 in Lake Placid und 1936 in Garmisch-Partenkirchen. Danach ging sie mit eigenen Eiskunstlaufshows auf Tour und unterschrieb beim Hollywood-Studio 20th Century Fox einen Vertrag für One In A Million. Der Film wurde ein Erfolg und Sonja Henie drehte in den dreißiger und vierziger Jahren eine ganze Reihe von erfolgreichen Filmen. Damit wurde sie zu einer der frühen Sportmillionärinnen. Kräftige AnmutBei den 3. Olympischen Winterspielen 1932 in Lake Placid durften sich Frauen zum ersten Mal per Wettbewerb in einer Kraft-Ausdauer-Sportart messen. Sie starteten im Eisschnelllauf über 500, 1.000 und 1.500 Meter. Damit relativierte sich bei Olympischen Winterspielen das traditionelle Rollenbild der Frau im Sport. Die Rollenverteilung sprach den Frauen, die man im Sport bis heute lieber "Damen" oder "Mädchen" nennt, eine "Ausdrucksmotorik" zu, während die Männer angeblich über eine "Willensmotorik" verfügten. Das traditionelle kulturelle Wertsystem sah Geschlechteridentität für Frauen vor allem durch Harmoniestreben, Anmut und Lieblichkeit vor. Kraft, Aggressivität, Ehrgeiz oder Kampf galten als unweiblich. Seit den ersten radfahrenden Frauen im 19. Jahrhundert haben sich diese Geschlechterstereotypen im Sport nach und nach aufgelöst.Auf Piste und LoipeVier Jahre nach Lake Placid, bei den Spielen von Garmisch-Partenkirchen 1936, war der Eisschnelllauf nicht mehr auf dem Programm. Das war Pech für die Norwegerin Laila Schou Nilsen. Sie hielt zu dieser Zeit sämtliche Eisschnelllauf-Weltrekorde der Frauen. Ohne Olympische Medaille blieb sie dennoch nicht. Sie gewann Bronze in der erstmals für Frauen wie für Männer durchgeführten alpinen Kombination (Abfahrt und Slalom). Die Aufnahme der alpinen Skidisziplinen in den Olympischen Wettbewerb war eine doppelte Premiere. Zum ersten Mal wurden die Olympischen Winterspiele durch eine Sportart erweitert, die von Anfang an für Frauen wie für Männer zugänglich war. 1948 traten in St. Moritz dann auch Frauen wie Männer zum ersten Mal zu einer Olympischen Abfahrt und zu einem Olympischen Slalom an. Die Schweizerin Heidi Schlunegger gewann das erste Abfahrtsgold, Antoinette Meyer gewann hinter der US-Amerikanerin Gretchen Fraser Silber im Slalom. Bei den 6. Olympischen Winterspielen 1953 in Oslo durften die Frauen dann zum ersten Mal in der Loipe und 1964 in Innsbruck auch im ersten Rodel-Wettbewerb starten.Der "Sextest" kommtBei den Spielen in Grenoble 1968 starteten die Frauen im Eisschnelllauf, nachdem der Wettbewerb 1960 wieder ins Programm aufgenommen wurde, neu auch über 3.000 Meter. Das war aber nicht die Aufsehen erregendste Neuerung an der Geschlechterfront. Das Internationale Olympische Komitee hatte vor den Spielen von 1968, beunruhigt vielleicht durch die zunehmende Angleichung von vermeintlich weiblichem an männliches Verhalten, bestimmt aber misstrauisch gemacht durch den starken Bartwuchs osteuropäischer Kugelstoßerinnen, den sogenannten "Sextest" eingeführt. Frauen, die an Olympischen Spielen teilnehmen wollen, müssen seither mit einem medizinischen Test nachweisen, dass sie die richtigen Chromosomenpaarungen haben. Das kostete 1968 die österreichische Skirennfahrerin Erika Schinegger die Startnummer. Sie war 1966 mit 18 Jahren Abfahrtsweltmeisterin geworden und galt für Grenoble als Favoritin und Anwärterin auf drei Medaillen. Zu den Olympischen Spielen konnte sie jedoch nicht nicht fahren, denn der Chromosomentest zeigte: Erika Schinegger war ein Mann. Schinegger wurde bald darauf durch eine spektakuläre Operation auch äußerlich zum Mann, gewann als Erik Schinegger einige Rennen, wurde dann aber recht unschön aus der österreichischen Herrenmannschaft herauskomplimentiert.Letzte BastionenIn den siebziger und achtziger Jahren tat sich für die Frauen bei den Winterspielen wenig Neues. Der Super-G wurde für Frauen wie für Männer eingeführt, Frauen konnten im Langlauf auch über 20 Kilometer starten und im Eisschnelllauf über 5.000 Meter. In den neunziger Jahren kam es dann aber, wie auch bei den Männern, zur eigentlichen Explosion der Sportarten: Buckelpistenfahren, Springen im Freestyle-Ski, Snowboard, Short Track und zum ersten Mal Frauenbiathlon, mit Langlauf und Schießen ein Nachfolger des Militärischen Patrouillenlaufs. Bei den vergangenen Olympischen Winterspielen 1998 in Nagano wurden die Frauen gar in der männlichsten aller Wintersportarten zugelassen, im Eishockey. Zwar gab es schon Ende des 19. Jahrhunderts in Kanada Frauen, die Eishockey spielten, bei Titelkämpfen durfte das offiziell zarte Geschlecht den harten Sport aber nicht ausüben. Erst 1987 fand in Toronto das erste nationale Frauen-Eishockeytournier statt. 20.000 Spielerinnen waren damals in Kanada organisiert. 1989 fand die erste Europameisterschaft statt, 1990 die erste Weltmeisterschaft und acht Jahre später gewannen die Kanadierinnen das erste Olympische Eishockeytournier der Frauen. Im EiskanalBei den diesjährigen Winterspielen in Salt Lake City lassen die Olympiafunktionäre die Frauen nun neu in Bob- und auf Skeletonschlitten den Kunsteiskanal hinunterrasen. Und die Schweizer Bobweltmeisterin Françoise Burdet muss, ganz im Gegensatz zu ihrer Schwester Caroline vor neun Jahren, nicht mehr in Unterwäsche vor ihrem Sportgerät posieren, um Sponsoren auf sich aufmerksam zu machen. Skeleton ist eine Sportart, die nach 1928 und 1948 wieder olympisch ist, diesmal auch für Frauen. Doch heute wird sich niemand mehr ernsthaft Sorgen machen, die holprige Fahrt könnte bei den Skeleton-Favoritinnen wie Alexandra Coomber, Maya Pederson oder ihren Konkurrentinnen zu geschlechtsspezifisch gesundheitlichen Schäden führen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das noch anders. In den Anfängen des Skeleton bei dem St. Moritzer "Cresta Run" durften sich auch Frauen auf dem kleinen Metallschlitten bäuchlings in die Tiefe stürzen. Ursula Weble gewann die Frauenkonkurrenz insgesamt neun Mal. 1929 wurden die Frauen jedoch von den Wettkämpfen ausgeschlossen, mit einem Argument, das Ende der neunziger Jahren in der peinlichen Diskussion ums Frauenboxen von Sportfunktionären wieder aus der Mottenkiste geholt wurde: die Schläge beim Sport könnten Brustkrebs auslösen. Medizinische Bedenken haben in der Argumentation gegen Frauen im Sport Tradition. Männer fürchteten nicht nur, Frauen könnten an Brustkrebs erkranken oder ihr Kreislauf könnte der Belastung nicht standhalten, Männer fürchteten vor allem um die Gebärfähigkeit der sporttreibenden Frauen. So mag heute kein seriöser Mediziner mehr öffentlich argumentieren, obwohl wahrscheinlich nie mehr Grund bestand als heute, sich um die Gesundheit von Sportlerinnen und Sportlern Sorgen zu machen. Wie dem auch sei, bei diesen Olympischen Winterspielen wurde den Frauen nur noch das Skispringen und die nordische Kombination mit Skispringen und Langlauf vorenthalten. Wohl zum letzten Mal.