Versinkt die Elfenbeinküste im Bürgerkrieg? Frankreichs "Friede von Linas-Marcoussis", der vor zwei Jahren nach dem Rebellenaufstand im Norden zur Teilung des Landes führte, ist verbrannt. Stattdessen drohen die andauernden Plünderungen und Gewaltausbrüche in einen Bürgerkrieg zu münden, der bis zum Genozid führen kann (vgl. Freitag, 8.10.2004).
Alles begann am 6. November in Bouaké, im nördlichen Rebellengebiet, mit einem Angriff veralteter, von weißrussischen Söldnern geflogener Sukhoi-Bomber der ivorischen Luftwaffe auf ein Camp der französischen Armee, die zusammen mit Kontingenten anderer Staaten dank eines UN-Mandats (insgesamt 11.000 Mann) einen fragilen Waffenstillstand überwacht. Die Attacke von Bouaké koste
Bouaké kostete neun Franzosen das Leben. Daraufhin goss Jacques Chirac erst recht Öl ins Feuer und befahl die Ausschaltung der ivorischen Luftwaffe. Für Präsident Gbagbo ein willkommener Anlass, den gedemütigten Patrioten herauszukehren und mit nationalistischen Parolen die Prätorianer-Garden seiner Partei, des Front Populaire Ivorien (FPI), in Pogromstimmung zu versetzen. Fast scheint es so, als habe Frankreichs Präsident die Provokationsstrategie des Laurent Gbagbo unterschätzt. Dessen Jeunes Patriotes marschierten durch die weißen Viertel der Hauptstadt Abidjan, um zu plündern, zu vergewaltigen und zu vertreiben. Auch den französischen Militärs stand der Sinn weder nach Deeskalation noch Waffenruhe. Sie schossen in mehreren Städten direkt in die Menge und töteten viele der marodierenden Jung-Milizionäre, allein zehn in Yamoussoukro.Bis zum 15. November sind mehr als 5.000 der rund 15.000 in der Elfenbeinküste lebenden französischen Staatsbürger sowie Ausländer aus 63 weiteren Ländern (Weiße und Schwarze) über eine Luftbrücke nach Frankreich ausgewichen. Diesen Exodus flankieren Hunderte von Managern ausländischer Firmen, die sich mit ihren Familien in Sicherheit bringen. Deren Flucht zeigt einmal mehr, dass Chiracs Kalkül gründlich gescheitert ist, mit einer Aufrechterhaltung der Teilung des Landes in den von der Regierung beherrschten Süden und den von den Rebellen des Mouvement Patriotique de Côte d´Ivoire (MPCI) kontrollierten Norden zuallererst den französischen Wirtschaftsinteressen einen Dienst zu erweisen, die auf die Bodenschätze im Süden fixiert sind.Doch wer mag sich schon über die Flucht von Managern freuen, wenn die Zeichen auf Massaker und Bürgerkrieg stehen? Niemand kann übersehen, dass Präsident Gbagbo die treibende Kraft des inner-ivorischen Konfliktes ist. Er drapiert sich nicht ungeschickt mit antikolonialen - sprich antifranzösischen - Parolen und parierte unbeeindruckt den Generalvorwurf aus dem Pariser Elysée-Palast. Der besagt, die Elfenbeinküste treibe unter seiner Führung dem Faschismus entgegen. Gbagbo konterte, Frankreich habe schließlich 40 Jahre lang in Abidjan ein Einparteiensystem unterstützt, das liege wohl näher am Faschismus als seine "Mehrparteien-Demokratie" heute. Doch nicht nur die Jeunes Patriotes verweisen auf ein gefährliches Parallelsystem Staat-Partei. Bedenklich stimmt auch die Entscheidung Präsident Gbagbos, den moderaten, auf Ausgleich mit den Rebellen im Norden orientierten Chef der ivorischen Armee, Mathias Doué, abzusetzen und dafür den Hardliner Philippe Mangou zum neuen Befehlshaber auszurufen. Nichts deutet so sehr auf Gbagbos Willen zum Krieg wie dieser Schritt. Mangou vertritt einen extremen Rassismus, der den Bevölkerungsgruppen im Norden jedwede "Ivorität" abspricht, er sät Hass gegen die im Südwesten angesiedelten Landarbeiter und Bauern aus dem Nachbarland Burkina Faso. Frankreich ist allerdings - wie auch schon seinerzeit beim Genozid in Ruanda (1994) - vorzuwerfen, dass die Ideologie der "Ivorität", die den gescheiterten Prozess zur Bildung einer Nation an der Elfenbeinküste symbolisiert, eine Schöpfung des eigenen Post-Kolonialismus ist. Auch gibt es keinen höheren Offizier in den Diensten Gbagbos, der keine französische Militärakademie besucht hätte.Die wirkliche Explosion bis hin zum befürchteten Genozid deutet sich im Südwesten an der Grenze zu Liberia an. Nach einem Bericht der französischen Zeitung Libération vom 9. November haben in der Stadt Gagnoa - sie liegt in der Heimatprovinz Gbagbos - Anhänger seiner eigenen Bevölkerungsgruppe, der Bété, Bauern aus dem Norden angegriffen und mindestens vier von ihnen umgebracht. Milizen Gbagbos hatten kurz zuvor Waffen an die Gruppe der Täter verteilt. In der ersten Woche des neu aufgebrochenen Konflikts sind in dieser Region 1.500 Ivorer - zumeist Frauen, Ältere und Kinder - nach Nordost-Liberia geflüchtet. Gleichzeitig sind bewaffnete Formationen aus Liberia in die Elfenbeinküste gekommen, schließlich zahlt die ivorische Armee jedem von außen geworbenen Rekruten und Söldner 500 Dollar Handgeld.Auch eine Hungerkatastrophe ist möglich, wenn nicht Vermittler - vor allem der afrikanischen Staaten, die sich in Nigeria getroffen haben - den Wahnsinn noch stoppen können; die Vereinten Nationen allerdings haben alle humanitären Programme für die Elfenbeinküste bereits aufgegeben. 800.000 ivorische Bürger können dadurch nicht mehr von der Welthungerhilfe versorgt werden.(*) zu deutsch "Operation Einhorn"