Bevor ich zur großen Demonstration nahe des Rheinufers gehe, will ich noch einmal bei der Blockade zwischen den Sicherheitszonen vorbei. Am frühen Morgen sah es hier noch nach Eskalation aus. Die Straßen waren voll mit gepanzerten Polizisten, riesige Polizeitransporter und auch ein Wasserwerfer blockierten ausgerechnet die Avenue de la Paix zwischen Place de la République und Parc de Contades.
Doch als ich keine zwei Stunden später wieder komme, hat sich die Situation deutlich entspannt. Die Polizisten haben mittlerweile ihre Helme abgenommen und ziehen sich etappenweise immer weiter zurück. "Nach anfänglichem Fremdeln haben sie wohl doch gemerkt, dass wie ihnen nix tun wollen", sagt ein Demonstrant. Als dann noch die Clownsarmee ihren Auftritt hat, ist vo
at, ist von Anspannung nichts mehr zu merken. Einige Polizisten lachen sogar - achten dabei aber peinlich genau darauf, dass die Clowns es nicht sehen.Die Protestierer sind zufrieden. Ihre Blockade kann bleiben. Nach einer kurzen Beratung steht fest: Sie wollen die Stellung halten. "Vielleicht können wir den Demonstrationszug hierher lenken und auf dem Place de la République die Abschlusskundgebung durchführen", überlegt einer optimistisch. Doch dazu sollte es nicht kommen.Denn es sind nicht diese Bilder, die vom Protest in Straßburg in Erinnerung bleiben werden - dabei sind sie die eigentlich aussagekräftigeren.Verirrte US-LimousineIch mache mich wieder auf und gehe die paar Kilometer Richtung Stadtrand, um zur ersten Kundgebung pünktlich zu sein. Doch schon lange bevor ich am Demonstrationsort angekommen bin, ist mir klar, dass der Spaß ein Ende hat. Ich höre Sirenen und Rotorengeräusche. Schließlich sehe ich in der Ferne schwarzen Rauch aufsteigen. Als ich mich dem Treffpunkt weiter nähere kommen mir schon ältere Demonstranten entgegen: "Das ist nicht unser Protest", ruft einer.Was er meint, sehe ich bald. Rechts neben dem Weg zum Sammelpunkt ist eine Gartenlaubensiedlung. Hier brennt das erste Feuer. Ein kleines Holzhaus steht in Flammen. Ein paar Meter liegt die erste provisorische Barrikade. Auch sie brennt bereits. Dabei ist es noch völlig still. Nicht einmal Parolen werden skandiert.Doch die Geräusche kommen bald. Irgendwie hat sich eine Limousine der US-Delegation in diese Straße verirrt. Der Fahrer weiß offensichtlich nicht, wo er hier gelandet ist. Erst als Backsteine auf den Wagen prasseln bremst er scharf. Er legt den Rückwärtsgang ein und gibt Vollgas. Stünde jetzt ein Demonstrant an der falschen Stelle - der Protest hätte seinen ersten Verletzten. Doch alles geht gut. Der Wagen kann fliehen, einige Vermummte jubeln.Die meisten Demonstranten allerdings schütteln nur den Kopf. Einige versuchen mit dem schwarzen Block zu sprechen - doch Erfolg haben sie keinen. Auch nicht, als einige Meter weiter eine Tankstelle verwüstet und geplündert wird.Ich kämpfe mich weiter nach vorne durch. Der Demonstrationszug zieht zunächst am Treffpunkt vorbei - zur Europabrücke. Hier sollten eigentlich die Demonstranten aus Deutschland dazu kommen, doch die deutsche Polizei hat die Brücke abgeriegelt. Sie steht mit mehreren Hundertschaften und Wasserwerfern auf ihrer Seite und bewegt sich nicht.Der schwarze Block sieht das offensichtlich als Provokationen. Vermummte stürmen einen stillgelegten Grenzposten und schaffen Computerteile, Feuerlöscher und anderes sperriges Gerät nach draußen. Dann bauen sie auf der Brücke eine Barrikade, zünden sie an und werfen schließlich noch einen Brandsatz in das Haus. Es dauert nicht lange, da brennt das Gebäude lichterloh.Die deutsche Polizei macht trotzdem keine Anstalten vorzurücken. Sie ruft lediglich dazu auf, die Brücke zu räumen und die Vermummungen abzunehmen. Für diese kleine Weltfremdheit erntet sie nur Gelächter und Applaus. Die beiden Blöcke stehen sich weiter gegenüber - bewegungslos.Wieder versuchen Friedensaktivsten die Randale zu unterbinden: "Wenn solche Bilder um die Welt gehen, schadet uns das doch nur", schreit ein älterer Mann einen jungen Autonomen an. Der antwortet: "Das sind doch nur Reaktionen auf die Repressionen der Polizei". Der Alte redet weiter auf ihn ein, doch Erfolg hat er keinen.Schließlich kommt doch noch Bewegung in die Situation. Auf einmal zieht sich der schwarze Block zurück und sammelt sich hinter dem immer noch brennenden Grenzposten. Erst jetzt sehe ich, dass auch noch weiter hinten, etwa auf Höhe des Demonstrationsplatzes, eine weitere Rauchwolke in die Höhe steigt. Ich renne hinüber - und sehe ein Hotel in Flammen stehen. Davor hat sich mittlerweile die französische Polizei aufgebaut. Ihr gegenüber: mehrere hundert vermummte Autonome. Die Situation ist angespannt - und entlädt sich blitzartig.Plötzlich, und ohne dass ich eine Vorwarnung gehört hätte, rücken die Polizisten vor. Sie schießen mit Tränengas in die Menge, setzen Schockgranaten und Gummigeschosse ein. Eines verfehlt nur knapp meinen Kopf. Panisch renne ich zurück, doch jetzt finde ich mich in einer denkbar unangenehmen Situation: Links die Autonomen, rechts die französische Polizei und hinter mir die deutschen Beamten.Der schwarze Block schießt wenigstens nicht auf mich, denke ich und renne nach links. Hinter dem Pulk hindurch komme ich irgendwie auf den Demonstrationsplatz. Hier haben sich einige tausend friedliche Demonstranten versammelt. Sie wollen gerade losziehen, das ist mir nur recht. Komme ich so doch ruhig und sicher hier raus - denke ich jedenfalls.Doch plötzlich fliegt Tränengas mitten in die friedliche Demonstration. Panik bricht aus. Neben mir ziehen Sanitäter einen verletzten in Deckung. Die Demonstranten versuchen einen Zaun niederzureißen, um so einen Weg runter von diesem Platz freizubekommen. Was sie nicht sehen: Hinter dem Zaun liegen einige Kabel - versehen mit einem "Achtung Lebensgefahr"-Schild. Das hilft nicht gerade die Situation zu beruhigen. Schließlich finden wir einen Fluchtweg: einige rennen über nahegelegene Bahngleise, andere wie ich laufen unter der Eisenbahnbrücke durch.Hier stehen wir vor einem neuen Problem: Der Weg unter der Brücke ist voll mit Polizeitransportern, die den sowieso schmalen Weg weiter verengen. Wir quetschen uns vorbei als einige Menschen werfen Steine auf die Wagen. Das ist sogar dem schwarzen Block zuviel: "Seid ihr bescheuert? Hier sind doch die ganzen Menschen", schreit einer. Es hilft nichts. Die Polizei reagiert. Langsam rücken die Wagen vor, hinter mir wird geschrieen, doch ich sehe nichts mehr - ich renne nur noch.Über einen kleinen Trampelpfad neben dem aufgewühlten Demonstrationszug komme ich in einer kleinen Gruppe schnell vorwärts. Doch als der Pfad zu ende ist und ich zurück auf die Straße stoße, stehe ich schon wieder mitten im schwarzen Block. Um mich herum gehen Bushaltestellen und Anzeigetafeln zu Bruch. Nicht weit weg sehe ich schon die nächsten Polizeiwagen auffahren.Mir reicht es! Bei der ersten Chance, biege ich anders ab, als der große Zug. Über jede Menge weite Umwege komme ich irgendwann wieder ins Zentrum. Da kommt mir die Idee bei der Blockade von heute Morgen noch einmal vorbei zu schauen.Natürlich ist sie längst nicht mehr da. Verschwunden, so wie viele der Sicherheitskontrollen, die mir heute Vormittag das Leben noch erschwert haben. Der NATO-Gipfel ist mittlerweile schon einige Stunden offiziell vorbei. Was von ihm in Erinnerung bleibt? Obama kommt nach Deutschland, Michelle trifft Carla, Rasmussen ist der neuer Generalsekretär und in Demonstranten haben Gebäude abgebrannt. Schade.