Im Teufelskreis

Kommunen Nach Bund und Ländern brechen durch die Finanzkrise jetzt auch den Kommunen die Einnahmen weg. Gleichzeitig steigen die Ausgaben. Rettung ist nicht in Sicht

Die Wirtschaftskrise hat die Kommunen erreicht. „Die schon seit Jahren bestehenden strukturellen Finanzprobleme vieler Städte spitzen sich zur Zeit dramatisch zu“, sagte die Präsidentin des deutschen Städtetages und Oberbürgermeisterin von Frankfurt am Main, Petra Roth (CDU), bei der Präsentation der aktuellen Finanzdaten der deutschen Städte. Letztes Jahr erzielten die Kommunen ein Rekorddefizit von rund 40 Milliarden Euro. Dieses Jahr dürften es noch zwei mehr werden.

Tatsächlich sind die Kommunen in einer besonders undankbaren Lage. Auf der einen Seite brechen ihnen die Einnahmen weg, auf der anderen schießen die Ausgaben in die Höhe. Aufgrund der Finanzverfassung der Bundesrepublik Deutschland kommen die wirtschaftlichen Schwankungen relativ ungefiltert bei den Städten an. Geht es wirtschaftlich bergab, bricht die Gewerbesteuer ein, aus der sich die Kommunen maßgeblich finanzieren. So geschehen in den letzten zwei Jahren. Die Einnahmen aus der Steuer sanken in diesem Zeitraum um rund 10 Milliarden Euro. Gleichzeitig steigen im Abschwung die Sozialausgaben, für die die Kommunen beispielsweise im Bereich Wohngeld auch mit aufkommen müssen. Konsequenz: Es entsteht eine Finanzierungslücke – in diesem Jahr voraussichtlich in Höhe von rund 12 Milliarden Euro.

Vor diesem Hintergrund erteilte Roth den geplanten Steuersenkungen der Bundesregierung eine Absage. Die Belastungsgrenze der städtischen Haushalte sei durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz bereits überschritten worden. Das Gesetz bedeutet für die Kommunen Mindereinnahmen in Höhe von 1,6 Milliarden Euro.

Gleichzeitig wandte sich Roth gegen die Gehaltsforderung der Gewerkschaft Verdi. Diese fordert für die Angestellten des öffentlichen Diensts eine Lohnerhöhung von fünf Prozent. In der jetzigen Situation zu viel, findet Roth. „Das kann nicht akzeptiert werden“, sagte sie. Schon Steigerungen von zwei oder drei Prozent trieben die Kommunen weiter in die Verschuldung. Roth lies weiter durchblicken, dass es ihr lieber sei wenn statt Lohnerhöhungen der Personalabbau in den Kommunen verlangsamt werde. Derzeit gebe es viele Städte, die ihre Auszubildenden nicht mehr übernehmen könnten. Das halte sie für „bildungsfeindlich“, so Roth.

Nicht nur in diesem Punkt zeigt sich, dass die Aufgabenteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen an vielen Stellen nicht ausreichend funktioniert. Die Kommunen bekommen im Zuge des Subsidiaritätsprinzips zwar wichtige Aufgaben zugewiesen, wie jüngst etwa den Ausbau der Kitas, werden dafür nach eigenen Angaben aber nicht mit ausreichenden Mitteln ausgestattet. Direkte Einflussmöglichkeiten auf neue Gesetze haben sie kaum. Die Länder haben den Bundesrat um Druck auf den Bund auszuüben. Die Kommunen haben kein solches Gremium. Sie sind nicht einmal an der Kostenfolgeabschätzung beteiligt, die prognostizieren soll welche tatsächlichen Kosten ein Gesetz nach sich ziehen wird und wo sie anfallen werden. Natürlich können die Kommunen einem Gesetz öffentlich widersprechen, doch ohne effektives Einflussinstrument ist es leicht, ihre Bedenken zu übergehen. Das klingt abstrakt, schlägt sich aber sehr konkret nieder.

Ein Blick in die Streichliste einiger Städte erklärt wieso: Um die Stadthaushalte zu konsolidieren, greifen einige Kommunen bereits zu einschlägigen Grausamkeiten. Duisburg erhöht die Eintrittspreise für Schwimmbäder, Konzerte und Theater, Frankfurt die Straßenreinigungsgebühren. Hannover ersetzt Personal in Bibliotheken durch Kassenautomaten, erhöht die Hundesteuer und erhöht die Parkgebühren. Hamburg fährt die Zuschüsse für Stadtentwicklung und die öffentlichen Verkehrsmittel zurück und Regensburg will freiwerdende Stellen erst nach einem halben Jahr wieder neu besetzen. Besserung, so scheint es, ist derzeit nicht in Sicht.

Einen Vorschlag wie der Kreislauf von einbrechenden Einnahmen und explodierenden Ausgaben durchbrochen werden könnte, hat Petra Roth dann aber doch noch. Die Sozialpolitik, so die Frankfurter Oberbürgermeisterin, solle wieder komplett beim Bund angesiedelt werden. Doch das wird die Bundesregierung zu verhindern wissen. Mit einer Neuverschuldung von rund 100 Milliarden Euro steht der Bund schließlich noch tiefer in der Kreide, als es die Kommunen in ihren schlimmsten Träumen zu fürchten wagen.

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Geschrieben von

Julian Heißler

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