Schröders Experiment

Engagement Der Bundesfreiwilligendienst soll den Zivildienst ersetzen. Womöglich finden sich aber nicht genügend Freiwillige, solange die Anreize für unliebsame Arbeiten fehlen

Wie sozial sind die Jugendlichen von heute? An dieser Frage wird sich entscheiden, ob „das Experiment“ von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) Erfolg haben wird. Ihr Plan: Ein Bundesfreiwilligendienst soll den Zivildienst ersetzen, der nach dem vorläufigen Ende der Wehrpflicht ebenfalls ausläuft. Bis zu 35.000 Männer und Frauen, Junge wie Alte, sollen sich für 6 bis 24 Monate für die Gesellschaft engagieren und dafür bis zu 324 Euro erhalten. Parallel dazu soll die gleiche Anzahl von Stellen für das freiwillige soziale und ökologische Jahr (FSJ und FÖJ) weiterbestehen.

Unnötige Doppelstrukturen, klagt die Opposition. Doch nicht nur das: Niemand weiß, ob sich überhaupt genügend Freiwillige melden. Die Wohlfahrtsverbände könnten in arge Personalnot geraten.

„Ich habe den Eindruck, die Politik ist da zu idealistisch“, sagt Patrick Bernhard. Der Historiker von der Universität Freiburg forscht zur Entwicklung des Zivildienstes. „Der Zivildienst war eine Zwangseinrichtung. Wer ihn gemacht hat, tat das, weil er vom Staat gezwungen wurden“, sagt Bernhard. Deshalb fragte auch keiner, was die jungen Leute motivierte. Völlig unklar sei deshalb, ob sich ab 2011 genügend Freiwillige finden, um die Zivildienstplätze nur annähernd auszufüllen. Bernhard jedenfalls glaubt nicht, dass sich junge Leute in Scharen melden – eher, dass sie für ein paar Monate ein Praktikum im Krankenhaus oder bei Caritas, Rotem Kreuz oder Johanniterbund machen. Dem hält Schröder entgegen, dass bei den bisherigen Freiwilligendiensten auf einen Platz drei Bewerber kämen, dass der neue Dienst auch für ältere Menschen geöffnet sei, und dass Anreize geschaffen würden – etwa die Anrechnung der Zeit auf Studium oder Rente.

"Da wird es noch Probleme geben"

Zwar ist der Andrang auf das freiwillige soziale oder ökologische Jahr in der Tat groß – doch gilt das auch etwa für die mühsame Pflege von alten Leuten? „Ich weiß nicht, ob die Rechnung aufgeht“, sagt Michael Bürsch. Der Sozialdemokrat hat mehrere Jahre die Enquete-Kommission des Bundestags zur „Zukunft des bürgerlichen Engagements“ geleitet. Neben den schwierigen Aufgaben wie Altenpflege sieht Bürsch eine weitere Baustelle bei der Feuerwehr oder dem Katastrophendienst. Früher hätten viele Jugendliche dort ehrenamtlich gearbeitet, um nach zehn Jahren vom Wehr- und Zivildienst freigestellt zu werden. Heute fehle dieser Anreiz. „Da wird es noch größere Probleme geben.“

Laut Bürsch gehen die Pläne Schröders in die richtige Richtung, was die Anreize betrifft. Doch seien hier vor allem die Träger in der Pflicht: Ausbildungen für Handwerksberufe, Computerkurse, oder Mentoren, die die Jugendlichen bei Entscheidungen etwa über den Schulabschluss oder die richtige Ausbildungunterstützen. Die Jugendlichen müssten spüren, dass sie wertgeschätzt werden. Ruft man bei Wohlfahrtsverbänden an, hört man das öfters. Etwa von Veronika Schneider, Zivildienst-Referentin bei der Arbeiterwohlfahrt, die aber gleich lachend korrigiert: „Das klingt jetzt so, als ob das bisher nicht der Fall gewesen ist.“

Die Caritas plant bereits, Honorarkräfte und Ehrenamtliche für den Übergang einzusetzen. „Es wird wohl nicht sofort gelingen, einen großen Schwung reinzubekommen“, sagt auch Schneider von der AWO. Die Pläne, viele Junge durch Ältere zu ersetzen, sieht sie skeptisch. Auf den frischen Wind der jungen Leute wolle man nicht verzichten.

Benjamin von Brackel hat 2002 seinen Zivildienst beim Arbeiter Samariter Bund gemacht gern, sehr gern

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