Rohstoffspekulation ist ein gutes Geschäft. Die Erfinder der Fonds nennen ihre Profitziele erstaunlich offen. Verantwortlich für den Hunger sehen sie sich nicht
Hunger ist in aller Munde. Intensiv wird derzeit geforscht nach den Verursachern einer globalen Katastrophe, deren grausame Bilder aus vielen Regionen der Welt uns Tag für Tag erreichen. Die Spekulation auf die Preise von Agrarrohstoffen wird als einer der Gründe für den Preisanstieg von Nahrungsmitteln gesehen, „Banken und Spekulanten“ werden als Schuldige benannt. Wie aber funktioniert dieses System? Und sind es wirklich anonyme Organisationen, die im Verborgenen handeln und auf diese Weise den Hunger der halben Welt mitbestimmen?
Allenfalls Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann wird derweil als persönlich haftbar ausgemacht. Nach öffentlichem Druck hat er inzwischen eine Überprüfung der Spekulationsgeschäfte mit Agrarrohstoffen anberaumt u
nberaumt und versichert: „Kein Geschäft ist es wert, den guten Ruf der Deutschen Bank aufs Spiel zu setzen.“ Doch wirft Ackermanns eilfertige Ankündigung Fragen auf. Schon sein Hinweis auf die nun notwendige Recherche, ob die an sein Unternehmen gerichteten Vorwürfe überhaupt zuträfen, scheint eine Nebelkerze. Denn die Deutsche Bank hat den am schwierigsten zu rechtfertigenden Fonds gezielt aus Bank und Tochterunternehmen ausgegliedert und in die USA umgesiedelt, wo er jetzt von einem US-Unternehmen betreut und weltweit vermarktet wird.Geld sucht „sicheren Hafen“ Was aber macht die „Anlageklasse Rohstoffe“, die Spekulation auf Nahrungsmittel, Agrarflächen oder, wie im Falle des DWS-Deutsche-Bank-Fonds „Invest Global Agribusiness“, gleich „entlang der ganzen Wertschöpfungskette“ überhaupt so attraktiv? Ursächlich sind zunächst die fallenden Erträge festverzinslicher Wertpapiere aller Art. Deshalb ist in den Hocheinkommensländern wie auch in den Schwellenländern viel Kapital auf der Suche nach einem „sicheren Hafen“. Investmentfonds sammeln dieses Geld und schichten die Anlagen hin zu den Rohstoffen um, da diese große Erträge versprechen.Für die Entwicklungsländer bedeutet dies eine fatale Entwicklung. In Haiti zum Beispiel, das Reis und Weizen einführt, stiegen die nominalen Importpreise von 2000 bis 2008 um 190 Prozent. Arme Haushalte versuchen wegen der hohen Preise, beim Essen zu sparen – oder die Mehrkosten irgendwie bei anderen Ausgaben, etwa für Gesundheit oder Schule, auszugleichen. Viele in den ärmsten Ländern verhungern.Der Handel mit Rohstoffpapieren wird auf verschiedenen Marktebenen abgewickelt (siehe Kasten). Zum Teil werden Agrarzertifikate mit anderen Anlagen gemischt, um das Risiko für den Anleger abzufedern. Insgesamt umfassen die in Deutschland gehandelten rohstoffbezogenen Fonds ein Anlagevermögen von 4,4 Milliarden Euro. Im Rennen sind dabei nicht nur die Fonds der Großen wie Deutsche Bank, Société Générale oder Commerzbank. Auch viele kleine Anbieter tummeln sich in diesem lukrativen Marktsegment.Alle diese Fonds eint ein organisatorischer Umstand: Sie alle haben einen verantwortlichen Fondsmanager. Diese Manager bestimmen Struktur und Inhalt des Fonds, verantworten „Performance“ und Investitionen. Sie sind die Stars ihrer Branche, die Herren der Fonds. Ralf Oberbannscheidt ist so ein Fondsmanager. Gemeinsam mit seinem Kollegen Oliver Kratz verantwortet er von New York aus die fast 2,5 Milliarden US-Dollar Vermögen des DWS-Fonds „Invest Global Agribusiness“. Dieser Fonds wirbt damit, dass „die negativen Folgen des Klimawandels ein Übriges tun könnten, um Lebensmittel knapp zu halten bzw. zu machen“. Er hält Aktien des Chemieriesen Monsanto, daneben sind 9,3 Prozent der Gesamtsumme in Nahrungsmittel und Fleisch investiert – also fast 250 Millionen Dollar. Ein solcher Gigant ist eine Marktmacht globaler Größe, der „entlang der ganzen Wertschöpfungskette“ mitbestimmen kann. Die Deutsche Bank lässt ihn unauffällig von den USA aus handeln.Langfristige PerspektiveVerantwortung für den Hunger sieht Oberbannscheidt bei seinem Fonds nicht. Gestiegene Preise für Agrarrohstoffe bezeichnet er als Anzeichen für „Ineffizienzen“. Die Fondsanteile des „Invest Global Agribusiness“ kann jeder deutsche Sparer, der mindestens tausend Euro übrig hat, übrigens bequem am Bankschalter erwerben.Kleinere Brötchen backt da Manager Jörg Dehning mit seinem Fonds „DJE – Agrar Ernährung“ der Dr.-Jens-Ehrhardt-Gruppe aus Pullach bei München. Er verwaltet etwas mehr als 60 Millionen Euro. Der smarte Manager, der ein wenig wirkt wie Daniel Bahr mit Dreitage-Bart, wirbt mit klaren Worten um neue Anleger: „Agrar und Ernährung sind für Anleger besonders attraktive Sektoren, weil das sich weltweit abzeichnende Nahrungsmitteldefizit kein kurzfristiges Phänomen ist.“ Wem das noch nicht verlockend genug klingt, Dehning seinen Spargroschen anzuvertrauen, der kann auch überzeugt sein, dass „der globale Bevölkerungszuwachs, die Überfischung der Weltmeere und die sich ändernden Ernährungsgewohnheiten uns noch über Jahrzehnte beschäftigen werden.“Es sind also nicht anonyme Systeme, die für Investments in der grauen Zone zwischen Rendite und Ethik verantwortlich sind. Es sind Menschen – in der Regel gut ausgebildete Männer (Frauen finden sich kaum in diesem Berufsfeld). Sie lächeln von Prospektseiten und sagen dazu Sätze, die manch einen schaudern lassen. Letztlich sind aber nicht nur Fondsmanager verantwortlich, sondern all jene, die ihnen ihr Geld anvertrauen.