Kuba Papst Benedikt XVI. besucht einen Staat, in dem die Kirche die politischen Schützengräben inzwischen verlassen und den Kalten Krieg mit der Regierung aufgegeben hat
Als Papst Johannes Paul II. 1998 Kuba besuchte, war das eine Sensation. 14 Jahre später wird dort nun Benedikt XVI. erwartet. Und das ist zwar keine Sensation mehr, aber doch ein wichtiger Gast, eingeladen von der kubanischen Regierung und der Katholischen Bischofskonferenz des Landes. Offizieller Anlass der Reise ist ein Jahrestag: Im September 1612 wurde – der Legende nach – die Virgen de la Caridad del Cobre gefunden. Die Heilige Jungfrau der Nächstenliebe ist die Schutzheilige Kubas, und zwar „nicht nur der kubanischen Katholiken, sondern der kubanischen Nation“, wie der damalige Präsident Fidel Castro 1998 unterstrich. Und er erzählte, wie seine Mutter ihn und seinen Bruder Raúl verpflichtet habe, nach ihrem Rebellenkampf ihre Waffen im
im Heiligtum der Jungfrau abzugeben. Weil sie das so versprochen hatten.Das Außenministerium präsentiert im Internet eine spezielle Seite zum Papstbesuch – mit Angaben zu den auf Kuba existierenden Religionen, zu den Vorbereitungen des dreitägigen Besuchs sowie zum Programm. Als politischer Gesprächstermin ist ein Treffen mit Raúl Castro angegeben. Ob es eine Begegnung mit Fidel geben wird? Ein Vertreter des Vatikans antwortet auf diese Frage: „Der Papst ist für alles offen.“ Kardinal Norberto Rivera, Erzbischof von Mexiko – wo Benedikt XVI. vor Kuba Station macht –, verkündet, er wisse mit Sicherheit, dass „sowohl der Comandante (Fidel Castro) als auch der Herr Präsident Raúl Castro diesen Besuch nicht nur mit Freude vorbereiten, sondern sich um die kleinsten Details kümmern“.Nicht immer gingen Revolution und Religion gnädig miteinander um. Laut Verfassung ist Kuba ein laizistischer Staat, ein weltlicher, der in Artikel 8 „Religionsfreiheit anerkennt, respektiert und garantiert“. Mit den Religionen afrikanischen Ursprungs wie Santería oder Vodoo oder auch der protestantischen Kirche gab es wenig Probleme. Mit der Katholischen schon. Zwar hatten einzelne Priester die revolutionäre Bewegung und den Sturz der Batista-Diktatur 1958/59 unterstützt. Sie halfen sogar, die beim Überfall auf die Moncada-Kaserne im Juli 1953 gefangenen Rebellen vor dem Erschießen zu retten. Aber als Institution blieb die Katholische Kirche auf Kuba immer eine Kirche der Reichen. Kein Wunder, dass sie von der Revolution indirekt und direkt stark betroffen war – von der Bodenreform, der Enteignung von Privatunternehmen, der Wohn- und Mietreform oder der Verstaatlichung des Bildungssystems und der Ausbildung Hunderttausender junger Lehrer. Es wurden nach 1959 nicht nur die zahlreichen Privatschulen und Gymnasien der katholischen Orden geschlossen – es gingen dadurch auch Einnahmen verloren, so schwanden Macht und Einfluss der Kirche rapide. Obwohl nahezu jeder Kubaner getauft war, gab es keine tief verwurzelte Gläubigkeit. Die Kirche war keine Volkskirche. Auf dem Land, wo in den fünfziger Jahren etwa 70 Prozent der Bevölkerung lebten, existierte vor 1959 kein einziges Gotteshaus. Und die Ereignisse ließen einen anderen, stärkeren Glauben aufkommen, den an die Revolution.Kein Priester erschossen Als dann die Reichen das Land verließen und mit dem Rückhalt der USA gegen die neue Macht konspirierten, suchten sie dafür auch die Kirche zu nutzen. Bei der Invasion in der Schweinebucht waren im April 1961 katholische Priester dabei. Man war damals für die Revolution oder dagegen und wusste, dass Konterrevolutionäre zu harten Strafen verurteilt wurden. Auch wenn sie katholische Priester waren. Fidel Castro sagte später auf die Frage, ob die Revolution Geistliche mit Samthandschuhen angefasst habe: „Es geschahen einige schlimme Dinge, aber es wurde nie ein Priester erschossen.“Irgendwann schlägt oder gleitet jedes Pendel zurück, das extrem Radikale, Überzogene korrigiert sich. Mit der Zeit und den Umständen und einer gewissen Lebensweisheit. Dies dürfte freilich vor allem auf Seiten der Politik eine Rolle spielen. Die Katholische Kirche mit ihren zweitausend Jahren ist ziemlich unerschütterlich.Als die Not am größten war, als Kuba Anfang der neunziger Jahre allein blieb, ganz allein, vom Westen geschnitten, vom Osten über dem Gang der eigenen Geschichte vergessen, traf sich Fidel Castro im November 1996 mit Papst Johannes Paul II. im Vatikan. Ein ganzes Jahr lang bereitete Kuba danach den Besuch des polnischen Papstes vor, dessen damaliger Satz – „Kuba möge sich der Welt öffnen und die Welt möge sich Kuba öffnen“ – noch gut im Gedächtnis ist.Nun also Benedikt XVI., „der Pilger der Nächstenliebe“. Ob er – wie sein Vorgänger – bereit sein wird, die seit Jahrzehnten über Kuba verhängte Blockade als „ungerecht und ethisch nicht akzeptabel“ zu verurteilen, bleibt abzuwarten. Am Nachmittag des Ankunftstages hält er die erste Messe in Santiago de Cuba, dem folgt der Besuch des Heiligtums der Virgen de la Caridad. Die Abschlussmesse findet am 28. März in Havanna auf dem Platz der Revolution statt. Der Aufbau für den Altar steht seit Wochen, an herausragender Stelle. Und es mutet durchaus seltsam an, diesen Altar vor der großen Figur von José Martí, des Apostels und geistigen Vaters der Revolution, zu sehen.Pullover und Poster Aber vielleicht symbolisiert gerade das den Wandel auf der Insel. Kommt doch der Papst in einer Zeit wesentlicher Veränderungen. Auch wenn sie bisher nicht so greifen wie beabsichtigt. Eine Öffnung hin zur Privatinitiative, vorzugsweise bei Handwerk und Dienstleistungen, ist eingeleitet. Und wer hätte es vor wenigen Jahren für möglich gehalten, dass die Figur der katholischen Schutzheiligen la Virgen de la Caridad 16 Monate lang – von August 2010 bis Ende Dezember 2011 – eine Rundreise über die Insel machen und einen Weg von 30.000 Kilometern nehmen würde, von Ort zu Ort, begrüßt nicht nur von Gläubigen. Wer hätte gedacht, dass sich die kubanische Regierung eines Tages einer Kooperation mit der Kirche bedienen könnte, um einer ständigen Forderung aus dem Ausland nachzukommen: Der Freilassung von mehr als 100 Dissidenten, die 2003 verhaftet und verurteilt wurden.Mit jedem Schritt haben beide Seiten, Katholiken und Regierung, Realitäten anerkannt. Längst ist nicht mehr alles im Land allein von staatlichen Stellen und der Kommunistischen Partei zu regeln. Auch dabei gleitet das Pendel zurück, der Glaube an die Revolution hat sich relativiert. Und die Kirche? Auf Kuba gibt es keine reiche Schicht, die sie tragen könnte. So ist dieses Institut – um beachtet und geachtet zu sein – gezwungen, sich stärker dem Alltag der Gläubigen zu widmen. Natürlich kommt der Kirche die Unzufriedenheit auf der Straße entgegen. Aber sie vermeidet inzwischen nicht nur jede demonstrative Einmischung, sie ruft die Polizei, wenn Gotteshäuser zu politischen Zwecken missbraucht werden. So vor wenigen Tagen in Havanna, wo 13 Dissidenten die Basilica Menor besetzt hatten, um eine Botschaft an Benedikt XVI. anzubringen. Ein Sprecher des Episkopats wies das Vorgehen als „respektlos gegenüber der Kirche“ zurück. „Niemand hat das Recht, Kirchen in politische Schützengräben zu verwandeln“, hieß es. Als die Besetzer nicht aufgeben wollten, bat der Kardinal nach mehr als 48 Stunden die staatlichen Stellen darum, die Aktion friedlich und ohne Konsequenzen für die Teilnehmer zu beenden. Was so geschah.Das Papa-Mobil ist seit dem 1. März im Land, und elf Diözesen halten ihre Geschenke für den Heiligen Vater bereit, der seinerseits eine goldene Rose spenden will, um sie nach alter Tradition der Virgen de la Caridad bei der Messe in Santiago darbieten zu können. Für die jeweiligen Strecken zwischen Flughafen und Stadt ist ein dichtes Spalier organisiert; für die acht Kilometer bis in das Zentrum von Santiago ebenso wie für die 17 Kilometer hinein nach Havanna. Auch „das Schiff mit den Pullovern, Mützen und Postern, mit denen wir den Papst begrüßen, ist eingetroffen“, informiert das Außenministerium auf seiner Website. Was auch immer das heißen soll. Damit Kuba auch wirklich keinen Respekt schuldig bleibt, hat das Arbeitsministerium angekündigt, dass jedermann für die jeweils halben Tage der Papstmessen in Santiago und Havanna von der Arbeit freigestellt wird – und zwar ohne Lohnabzug. Der „Pilger der Nächstenliebe“ kann kommen.
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