Auch David Nicholls kümmert sich in seinem neuen Roman "Zwei an einem Tag" um die unerfüllte Sehnsucht nach der großen Liebe. Ist gut geschrieben. Nervt trotzdem
„Das beste Buch, das ich je gelesen habe“, „Das Buch des Jahres“, „Wunderbar zu lesen“ – ich zitiere hier Pressestimmen und Aussagen enger Freunde. Zwei an einem Tag ist seit drei Monaten im Handel und hat sich über 80.000 Mal verkauft. Sogar meine Mutter hat es gelesen. Ich habe mich lange geziert, weil ich fürchtete, dass ich das Buch hassen würde, vor zwei Wochen gab ich mir dann einen Ruck.
Worum geht es?
Zwei füreinander bestimmte Menschen laufen 20 Jahren lang aneinander vorbei. Als sie endlich zueinander finden, ist es zu spät. Kommt Ihnen bekannt
52;rde, vor zwei Wochen gab ich mir dann einen Ruck.Worum geht es? Zwei füreinander bestimmte Menschen laufen 20 Jahren lang aneinander vorbei. Als sie endlich zueinander finden, ist es zu spät. Kommt Ihnen bekannt vor? Natürlich, es ist der Stoff, der die stillen Stunden füllt, in denen man sich fragt: Warum wurde es eigentlich nie was mit…? War vielleicht jene Person, die wir für "bester Freund"/"beste Freundin" hielten, tatsächlich unsere große Liebe?Bei Nicholls sehen die Protagonisten so aus: Emma, eine etwas nerdige Collegestudentin, deren unerträglich schlechtes Selbstbewusstsein und finsterer Sarkasmus sich aus dem fehlenden Wissen darüber nähren, dass sie nicht nur superintelligent ist, sondern auch superhübsch. Und Dexter, der superhübsche, superhohle Sohn reicher Eltern, dessen Tragik darin besteht, dass er außer seinem unverschämt guten Aussehen und einem handfesten Alkoholproblem nichts vorzuweisen hat. Die beiden hatten mal was miteinander Ende der 80er Jahre, seither sind sie "Freunde", aber natürlich ist da noch mehr – bloß was?Statt der großen Liebe entsteht eine spezielle Freundschaft, die so einiges überlebt: Dexters zwei Trilliarden Liebschaften, seine ebenso kurze wie lächerliche Karriere als TV-Moderator, seine miserable Ehe mit einer eiskalten Upperclass-Braut; auf der anderen Seite: Emmas halbherzige Beziehung mit dem witzlosen Komiker Ian und schließlich ihr Durchbruch als Bestseller-Autorin für Jugendbücher – die Frage, ob nicht Em und Dex doch zusammengehören ist die Leitplanke des Buches.Nicholls erzählt das Leben der beiden mit einem kleinen, sehr schönen literarischen Trick: Er schaut sich immer wieder den gleichen Tag im Jahr an. Am 15. Juli 1988 hatten die beiden ihren One-Night-Stand, am 15. Juli 1989 verreisen sie als Freunde, 1995 – einem besonders schlimmen 15. Juli – gesteht Emma Dexter in einer dunklen Nacht, dass sie ihn zwar liebe, "aber nicht mehr möge". So geht das 20 Jahre lang, bis sie zu einander finden. Und doch nicht glücklich werden.Was bleibt hängen?Zwei an einem Tag ist ein Riesending. Alle lieben dieses Buch. Die Leser, die Kritiker. Hat irgendwer was Negatives geschrieben? Christine Westermann vom WDR musste fast weinen, so ergriffen war sie, als sie das Buch lobte. Es tut mir sehr leid, die fröhliche Party sprengen zu müssen, aber ich fand das Buch… nein, nicht schlecht – immerhin habe ich die 541 Seiten in schlappen drei Tagen durchgelesen – bloß etwas langweilig. Nicholls Buch ist lustig, klug, ein bisschen weise sogar. Mir gefiel, wie er immer wieder die scheinbar ach so klare Grenze zwischen Liebe und Freundschaft verwischte. Ich staunte, wie kompromisslos er Dexter zugrunde richtete.Aber irgendwas stimmt mit den beiden Figuren nicht: der smarte, arrogante, etwas dümmliche Beau und das schlaue, sarkastische Mauerblümchen – ich kenne solche Figuren nur aus Filmen und Büchern. Das heißt, nein, halt, ich kenne sehr viele Menschen, die auch wirklich so sind. Sie sind so, weil sie glauben, sich in Filmen und Büchern wiederzuerkennen. Man fragt sich bei denen: Was war zuerst da, die Filme und Bücher oder ihre Lebensentwürfe? Das Buch ist aber nicht plump, hier werden keine einfach gestrickten Hochglanz-Biografien erzählt. Im Gegenteil: Die Story um Emma und Dexter ist dreckig und menschlich. Und sie tut weh. Vor allem in jenen Momenten, in denen die beiden zusammen finden und der Zauber trotzdem verfliegt. Bei aller Tragik ist das auf ganz wunderbare Weise leicht und lustig erzählt.Und man darf Nicholls wirklich keinen Vorwurf machen, dass er so gut schreibt. Aber diese Konstruktion von Liebe, diese Unterscheidung zwischen echten und falschen Gefühlen und vor allem dieser Blödsinn, dass Menschen für einander bestimmt seien – dieser halbreligiöse Glaube, dass es etwas gibt, dass größer ist als man selbst: Ich kann es nicht mehr hören. Natürlich glaube ich an die Liebe und an die Schönheit des Augenblicks. Aber bei der Lektüre musste ich ständig ich an jene meiner Freunde denken, die noch mit Mitte 30 endlos über irgendeine nie erfüllte Gymnasiums-Liebe schwadronieren. Ich musste an halbunglückliche Brigitte-Leserinnen denken, die eingekuschelt in einer Wolldecke bei einem guten Glas Rotwein im Nicholls „schmökern“. Ich musste fast kotzen. Aber all das darf ich nicht sagen. Denn ich habe Nicholls mal interviewen dürfen. Er ist ein lustiger, absolut bescheidener Typ, mit dem man gern ein Bier trinken würde und der einfach verflucht gut schreiben kann. Wir sind beim gleichen klugen Verlag (Kein ), die Übersetzerin ist eine der besten ihres Fachs. Und deshalb sage ich: Zwei an einem Tag ist ein brillant übersetztes, hervorragend verlegtes, und verflucht gut geschriebenes Buch.Wie liest es sich?Es ist, als hätte Nick Hornby Harry und Sally umschreiben dürfen: lustiger, lebensnaher, trauriger – einfach besser.Das beste Zitat?"Es war der innigste Kuss, den die beiden je erleben sollten. Hier begann alles. Hier, an diesem Tag, fing alles an. Und dann war es vorbei."Fazit: Zwei an einem Tag ist ein kleines Kunststück: Es ist wahrscheinlich das beste und hoffentlich letzte der „Lohnt-es-sich-auf-die-große-Liebe-zu-warten?“-Bücher.Was lese ich als nächstes?On the Road von Cormack McCarthy