In der Diskussion um Frauen in der Piratenpartei spiegeln sich alte Geschlechter-Stereotype und die Genügsamkeit der Frauen. Unsere Kolumnistin fordert daher: Quote!
Als erstes möchte ich auf den sehr guten Beitrag von Daniel Schweighöfer im Kegelclub hinweisen, der mit den Worten endet: „Die Herausforderungen der Informationsfreiheit verlangen eine zweite, eine richtige Aufklärung der Menschen. Wir alle müssen daran mit arbeiten, wenn wir in der Gesellschaft der Informationsfreiheit zu Hause sein wollen.“ Sein Ende soll mein Anfang sein:
Ja: Das Internet und die Piratinnenpartei bieten prinzipiell allen Menschen die Möglichkeit, mitzumachen. Das meistgenannte Argument gegen ein aktiveres Engagement zur Förderung von Frauen in beiden Feldern. Das Internet sei doch schließlich ein Ort, an dem Status, Alter, BMI und Geschlecht keine Rolle mehr spielten, werfen viele gegen einen neuen Netzfeminismus ein. Bei d
MI und Geschlecht keine Rolle mehr spielten, werfen viele gegen einen neuen Netzfeminismus ein. Bei den Piraten ist das doch genauso! Mit dem Begriff „Post-Gender“ wurde eine feministische Diskussion innerhalb der Piratenpartei schon vor über einem Jahr abgewehrt. „Wir sind alle Menschen und das reicht mir als Info! Und selbst mit Aliens hab ich kein Problem so lange die nett zu mir sind.“ – diese Aussage bringt die Einstellung vieler Piraten vermutlich schön auf den Punkt. Das Problem aber ist: Die Gedanken im Internet sind immer an einen Körper in der realen Welt gebunden. Damit unterliegen auch sie gesellschaftlichen Strukturen und Zwängen. Auch sie wurden auf eine sehr typische Weise sozialisiert – selbst wenn die Eltern 68er waren. Auch sie haben Stereotype verinnerlicht.Stereotype und gesellschaftliche Strukturen wirken auf die Beteiligungs-Möglichkeiten – so frei das Internet auch sein mag. Da ist zum einen das Thema „Doppelte Vergesellschaftung von Frauen“, also die Inanspruchnahme der Frau durch a) Arbeit und b) Haushalt/Familie. Es hat sich längst nicht erledigt.In der Theorie stimmt der ‚moderne Mann‘ bereitwillig in Geschlechterdemokratie ein. In der Praxis hinkt er hinterher. Dadurch hat er nach wie vor mehr Zeit für Aktivitäten im Internet oder eine Vernetzung in der Piratinnenpartei. Die gesellschaftliche Rollen-Aufteilung zwischen Mann und Frau ist vielleicht gerade im Umbruch. Sie wurde noch lange nicht durchbrochen. Zum anderen ist da die Eigenaussage der Piratinnen: „Dass aber viele Frauen nicht kandidieren wollten, kann man ihnen nicht zum Vorwurf machen,“ finden einige Piratinnen und: „Als wäre ihre Parteiarbeit nichts wert, weil sie NICHT auf der Kandidatenliste stehen wollten.“ Das ist einerseits richtig. Aber es wird nicht dahinter geblickt, dass es stereotyp ist. Friedfertigkeit, Genügsamkeit und Zurückhaltung sind zentrale Merkmale weiblicher Sozialisation. In einer US-Studie konnte gezeigt werden, dass Frauen zudem Wettbewerb scheuen – Konkurrenz-Verhalten wird in Diskussionen nicht selten als „Stutenbissigkeit“ (PDF - sehr gute Analyse von Mechthild Erpenbeck in Wirtschaftspsychologie aktuell) ausgelegt. Solche neuronalen Verknüpfungen sind nur mit viel Mühe umzusortieren.Die gesellschaftlichen Strukturen zu ändern – dafür tritt die Piratinnenpartei mehrheitlich an. Die Überwindung von Geschlechtergrenzen hat sie sich auf die Fahnen geschrieben. Das ist gut. Auch in den anderen Parteien gibt es mehr und mehr progressive Kräfte, selbst bei der konservativen CDU/CSU sind nicht mehr alle gegen frühkindliche Ganztagsbetreuung oder eine Frauenquote für Aufsichtsräte. Ursula von der Leyen und Dorothee Bär setzen hier Zeichen. Und doch schreibt Bascha Mika auch im Jahr 2011 noch ein Buch über die Feigheit der Frauen. Auch wenn der Titel unglücklich ist und bereits als Gegenargument zur Quote herhalten musste: Es ist schon was dran, Mika schildert viele real existente Probleme und vor allem: stereotypes Verhalten – wir sollten uns darum kümmern, das zu ändern.Nicht ohne ArschtrittFür mich ist die „Feigheit der Frauen“ – um diese Formel, wenngleich zähneknirschend, zu nutzen – DER Grund FÜR eine Quote. Vor allem in Parteien, die scheinbar so stark männerdominiert sind und nach eigenen Aussagen etwas daran ändern wollen. Eine Quote ist immer ein Arschtritt in beide Richtungen: männliche wie weibliche Popos. Und ich bleibe dabei: Ohne Arschtritt läuft es nicht! (bitte klicken, an der Argumentation hat sich nichts geändert).Eine Quote ist nicht immer ein Zwang: Man kann Lösungen finden, die eine Quote auch einmal lockern, zum Beispiel wenn ein sogenanntes Frauenquorum, also die Mehrheit aller sich auf einem Parteitag befindenden Frauen, sich dafür entscheiden, sie zu lockern. Aber die Quote ist ein notwendiges Korrektiv. An mir selbst konnte ich beobachten: Wir Frauen scheuen uns viel mehr vor der ersten Reihe, wie wurschteln lieber im Hintergrund vor uns hin und machen uns selbst unsichtbar. Aber eine Quote macht uns dafür sensibler, dass auch wir mitmachen sollten und ernsthafter darüber nachdenken. Und mit jeder neuen Verantwortung kommt auch mehr Selbstvertrauen. Es ist ja nicht die Frau, die durch die Quote irgendwohin gehievt wird – es ist ihre bis dahin unter den Scheffel gestellte Kompetenz.