Immer Streit im Klimagipfel-Kindergarten

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Es ist schwer, angesichts der Ignoranz der Mächtigen dieser Welt gegenüber der globalen Zukunft nicht verbittert und zynisch zu werden. Bereits heute sind die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels zu spüren. Bereits heute sind gewisse Folgen der Erderwärmung gar nicht mehr abzuwenden, selbst wenn wir ab morgen überhaupt kein CO2 mehr ausstießen. Und trotzdem verkauft uns Umweltminister Röttgen die Klimakonferenz in Durban als Erfolg. Dabei sind dort nicht mal konkrete Ziele vereinbart worden. Erst ab 2015 will man sich in einer neuen Konferenz auf Konkretes festlegen. Erst 2020 sollen konkrete Maßnahmen ergriffen werden. Dabei müsste Studien zufolge der globale CO2-Ausstoß bereits vorher drastisch gesenkt werden, um die maximale Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu beschränken. Bis dahin werden also schon die ein oder andere Südseeinsel und Küstenregion unumkehrbar dem Ozean geopfert sein. Der einen oder anderen Extremwetterlage werden ein paar Tausend, vielleicht auch ein paar Hunderttausend oder gar Millionen Menschen vorzugsweise in den ärmsten Regionen der Welt zum Opfer gefallen sein.

Wie anders lässt sich die Luftnummer ‚Klimakonferenz‘, deren Kosten und CO2-Emissionen ihren Nutzen vermutlich bei Weitem übersteigen, anders erklären, als dass dort mächtige Lobbygruppen in Wahrheit die Fäden ziehen: das US-amerikanische Großkapital (das hört sich gleich wieder so antiquiert kommunistisch-antiimperialistisch an, aber wie soll man das sonst benennen?) oder die kanadische Ölsandindustrie, die Kanadas CO2-Ziele in weite Ferne rücken lässt. Und Kanada, geblendet von kurzfristigen Profiten, will von seinen selbst eingegangen CO2-Verpflichtungen plötzlich nichts mehr wissen. Die USA und China seien ja auch nicht mit im Boot. So redet man sich raus, wie ein Schuljunge, der zu spät nachhause kommt, weil Nachbarskinder ja auch länger draußen bleiben dürfen. Zur Erinnerung: Es geht ja nur um die Zukunft des Planeten und das Schicksal von Milliarden. Was lässt sich angesichts dieser geballten Ignoranz, Geldgier und Unvernunft noch tun?

Was im Kleinen gilt, gilt auch im Großen: zunächst einmal vor der eigenen Haustüre kehren und selbst alles tun, was möglich ist. Nur wer selbst alles Machbare getan hat, kann den moralischen Zeigefinger auf andere richten und zugleich zeigen: Es ist möglich. Und auch in Deutschland ist sicher noch deutlich mehr möglich, als getan wird. Dazu gehört auch, dass sich endlich wieder auch die größten Energieverbraucher an den Kosten der Energiewende beteiligen. Denn immer mehr industrielle Verbraucher sind in den letzten Jahren von der Erneuerbaren-Energien-Umlage befreit worden, während die kleinen Normalverbraucher die Hauptlast zu tragen haben, um gleichzeitig Stimmung gegen die Erneuerbaren zu machen. Aber das nur am Rande.

Welchen Sinn machen teure internationale Konferenzen, bei denen die Hälfte der Teilnehmer eigentlich nicht mitmachen will und nur aus Image-Gründen dabei ist? Bei denen man ohne Sanktionen einfach wieder aussteigen kann, obwohl man sich vertraglich verpflichtet hat? Diejenigen, die guten Willens sind, sollten sich zusammenschließen und sich austauschen – aber auch um Maßnahmen abzustimmen und Druck auf die Verweigerer (allen voran die USA, China, Russland, Japan, Kanada) auszuüben, die auf Kosten der Weltgemeinschaft ihre Profite mehren wollen. Wer zwingt uns eigentlich dazu, uneingeschränkt mit den größten Verschmutzern zu handeln und damit auch noch das zu unterstützen, was wir eigentlich verurteilen? Freier Handel, unbegrenztes Wirtschaftswachstum, Arbeitsplätze, seien sie noch prekär und menschunwürdig, sind zu übermächtigen Selbstzwecken geworden, die scheinbar alle Mittel heiligen. Was soll uns davon abhalten, z. B. Strafzölle auf Produkte mit schlechter CO2-Bilanz zu erheben? Das gilt übrigens auch für Produkte, die unter menschenunwürdigen Bedingungen oder durch Kinderarbeit erzeugt wurden.

Der Weg ist nicht, unsere eigenen Umwelt- und Arbeitsstandards aus Wettbewerbsgründen abzuwerten, sondern durch Abgaben und Steuern auch für Importe faire Bedingungen für alle zu schaffen. Die so eingenommenen Gelder könnten wieder zweckgebunden für Verbesserungen des weltweiten Umweltschutzes und der weltweiten Arbeitsbedingungen eingesetzt werden. Auch wenn ein gemeinsames und einvernehmliches Handeln möglichst vieler das wünschenswerte Ziel ist; es darf uns nicht davon abhalten, selbst das zu tun, was wir für nötig halten und das zu verurteilen und zu sanktionieren, was wir falsch und verwerflich finden.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Jörn-Jakob Surkemper

Freier Publizist, Lektor und Kommunikationswissenschaftler. Seit kurzem auch für den Freitag tätig

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