Deutschland zu Gast bei Springer

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Eben komme ich von der Eröffnung der Villa Schöningen. Das war ein besonderer Abend. Mir ist das bewusst. Ich war in der Mitte Deutschlands und die Mitte war um mich! Gott schütze die Mitte und Gott schütze mich!

Angela Merkel war da.
Michael Gorbatschow war da.
Henry Kissinger war da.
Hans-Dietrich Genscher war da.
Und der polnische Außenminister war auch da. Er hat übrigens die lustigste Rede gehalten und man grübelte,warum nun ausgerechnet die Polen einen so weltgewandten lustigen Außenminister haben und wir einen so ehrgeizigen zickigen.

Die Villa Schöningen ist ein großes weißes Haus am Wasser, gleich an der Glienicker Brücke. Da ist jetzt ein Museum drin. Oben Kunstausstellungen, Neo Rauch und so. Unten aber ein kleines privates Mauermuseum, ein Grenzmuseum, ein Wendemuseum. Privat. Es ist nicht staatlich. Privat mag man es aber in Wahrheit auch nicht nennen. Der Vorstandsvorsitzende des Springer-Verlages, Mathias Döpfner, hat das Haus gemeinsam mit dem Bankier Larry Fischer gekauft, ausgestattet und eröffnet.

Kissinger sagt ein paar Worte. Zum Fall der Mauer, klar, ohne größeren Erkenntnisgewinn. In der Rückschau werden nämlich so gründlich erzählte Geschichten wie diese auch dann nicht spannender, wenn der Erzählende eine Legende der internationalen Poliik ist. Gorbatschow ist entweder klüger oder müder. Er schweigt an diesem Abend.

Ich frage mich, was es kostet, Gorbatschow und Kissinger zu solchen Veranstaltungen zu bitten. Tony Blair, habe ich einmal gelesen, konnte nach seinem Amtsende 240 000 Dollar für eine 90minütige Rede nehmen. Kann man Gorbatschow und Kissinger sozusagen buchen? Für private Feiern? Geben Sie Ihrer Museumseröffnung einen historischen Charakter! Mieten Sie sich eine Gestalt der Geschichte! Und die tauchen dann plötzlich auf wie Ronald McDonald bei einem Kindergeburtstag und raunen irgendetwas Historisches?

Der Verteidigungsminister ist auch da. Er hatte sein erstes großes Interview nach dem Amtswechsel aus dem Wirtschaftsministerium gerade der Bild-Zeitung gegeben. Alle haben das zitiert. Weil Guttenberg das erste mal das K-Wort in Verbindung mit Afghanistan geäußert hat. Bisher hatten sich alle Vorgänger gescheut, den Krieg dort als Krieg zu bezeichnen. Guttenberg hat sich für dieses Interview die Zeitung ausgesucht, die ihm in der Opel-Sache den Rücken gestärkt hatte. Beide, Bild und Guttenberg, waren eine zeitlang dafür, Opel an einen amerikanischen Investor zu verkaufen. Larry Fischer, der mit Mathias Döpfer die Villa Schöningen gekauft und renoviert hat, arbeitete für diesen Investor.

Ich habe Friede Springer heute abend nicht gesehen. Aber sie wird wohl dagewesen sein. Wie viele andere Vorstände und Chefredakteure des Springer Verlages. Habe ich schon erwähnt, dass Angela Merkel auch da war? Natürlich.

Sie hat auch eine Rede gehalten. Für einen Außenstehenden wie mich war es auch an diesem Abend wieder schwer zu verstehen, worauf die hohe Beliebtheit dieser Politikerin beruht. Sicher nicht auf der Gabe des Wortes. In diesem für sie ganz typischen Ton, der manchmal ein wenig patzig klingt, dann wieder unerwartet sarkastisch, aber eigentlich nie sympathisch, hat sie eine ihrer holperigen kleinen Reden gehalten. Darin fielen auch diese Sätze, die ich hier als Transkript wiedergebe:

"Es gibt viele staatliche, parlamentarische Ereignisse in diesen Tagen. Dieses ist ein ganz herausragendes der, wenn man das so sagen darf, Zivilgesellschaft. Privates Engagement haben dazu geführt, dass wir uns dennoch fast auf einem Fest befinden, als würde es ein Staatsereignis sein. Die Anwesenheit der vielen aus Politk, Kunst, aus Ost und West, zeigt, was hier vonstatten geht."

Ja, ein Staatsereignis. Damit wird sie dem Springer-Verlag und Mathias Döpfner aus der Seele gesprochen haben.
Merkel ist Springer sehr nah. Viel näher als Schröder es war. Der hatte rotzig zugestanden, er brauche zum Regieren nur Bild, Bams und Glotze. Aber Merkel ist auch hier ganz anders, leiser. Der Spiegel schrieb dazu vor ein paar Wochen: "Der Verlag ist Merkels Schutzpatron und Friede Springer eine wichtige Verbündete. Sie knabberte Kekse aus der Tupperschale, oben bei den Merkel-Mädels auf der Besuchertribüne, als die Kanzlerin ihren Eid schwor. Friede Springer, Mathias Döpfner, Kai Diekmann saßen mit am Tisch, als Merkel für Josef Ackermann ein Geburtstagsessen gab. Als Merkel Ende Juli für eine Signierstunde nach Sylt flog, schaute sie noch bei Frau Springer vorbei." Und als Merkel sich neulich den Papst vorgeknöpft hat, ist es gut mögich, dass dahinter Friede Springer stand, die über ihren langen Arm Mathias Döpfner die Berliner Politik an ihre Verpflichtung zur festen deutschen Haltung in allen Fragen den Holocaust betreffend erinnert hat.

Im neunzehnten Stock des Springer Hochhauses, wo das Restaurant für Vorstände und bedeutende Gäste mit den Holzpaneelen der Londoner Times getäfelt ist, liegt ein Mauerstück, das die Unterschriten von Gorbatschow, Kohl und Bush trägt. Hinter Glas. Ein Symbol für die Bedeutung, die Springer der Deutschen Einheit bemisst - und der eigenen Bedeutung. Es soll in diesen Tagen ein weiteres Mauerstück dazukommen, mit den gleichen Unterschriten. Das sind so Devotionalien hart an der innerdeutschen Grenze zum Kitsch.

In der Villa Schöningen überlege ich, dass sich Springer geradezu mit der Deutschen Geschichte möbliert, mit der Deutschen Einheit. Man kann sagen, dass Springer von der Teilung und der Einheit geradezu besessen ist. Und mir wird klar: Springer fühlt sich in der Staatspflicht. Springer versteht sich eigentlich als Staatshaus. Als der deutsche Verlag schlechthin.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Jakob Augstein

Journalist und Gärtner in Berlin

Jakob Augstein

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