Worte als Totschlagargumente

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Meine Freundin hatte neulich Besuch von ihrem Vater. Einmal im Jahr für ein paar Tage reist dieser aus Bayern in ihr Leben nach Berlin. Sie erzählte mir, wie immer wieder aufs Neue sie erst irritiert und bald auch entsetzt sei von der rohen Sprache des Vaters, die sie natürlich noch kenne, doch wie diese Sprache sie immer wieder in ihre gewalt-atmosphärische Heimat und Kindheit katapultiere und die Erinnerung zurückkehre an diese Sprachgewalt. Du musst unbedingt diesesBuch lesen, erwiderte ich: "Pascolini" von Maximilian Steinbeis.

Dieser Roman ist eine Provinzposse aus Bayern. Ich will gerne glauben, dass Ungeheuerliches möglich ist in diesem entlegenen Landstrich mit seinen eigensinnigen, argwöhnischen, urkatholischen, politisch rückständigst stammtischlernden Bewohnern. Die Erzählerin beschreibt ihre Herkunft abgeklärt und spöttisch und bei allem, was sie dort erlebt hat, ist das vielleicht die einzig mögliche sie schützende Sprache, um überhaupt weiterzuleben zu können. Die Sprache überhaupt in diesem Buch ist die intelligente Verteidigung für die Guten wie für die Bösen, für die "Fremden"im Ort, die „Zugezogenen“, wie für die Einheimischen. Sprachliche Überlegenheit und Überheblichkeit entwaffnet die Alteingesessenen, aber auch die wissen, wie sie einen Feind unter ihresgleichen in melodisch bedrohender Mundart ins Gesicht schlagen können oder für alle Zeiten mundtot machen.

Allerorten lauert das Böse, Niederträchtige und Kriminelle, erst nur als unheimliche Ankündigung bei einer harmlosen Theaterprobe, dann inmitten einer fröhlichen Schneeballschlacht. Am Schluss übt nicht einer Rache, der nur die brachiale dumpfe wortlose Gewalt kennt, sondern einer, der die Kunst der Demütigung allein durch das Wort, Blicke und Gesten immer wieder erduldet hat.

"Man muss sich die Kunden des Aufbau-Verlags als glückliche Menschen vorstellen", mit diesem schaurigen Journalisten-Allgemeinplatz wird im Anhang die Süddeutsche Zeitung zitiert und weitere Titel im Programm des Verlags vorgestellt. Aber es stimmt! Ich muss nun auch das Debüt des Autors "Schwarzes Wasser" lesen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Katharina Schmitz

Redakteurin „Kultur“, Schwerpunkt „Literatur“

Katharina Schmitz studierte Neuere Geschichte, Osteuropäische Geschichte, Politikwissenschaften, Vergleichende Literaturwissenschaften und kurz auch Germanistik und Romanistik in Bonn. Sie volontierte beim Kölner Drittsendeanbieter center tv und arbeitete hier für diverse TV-Politikformate. Es folgte ein Abstecher in die politische Kommunikation und in eine Berliner Unternehmensberatung als Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Ab 2010 arbeitete sie als freie Autorin für Zeit Online, Brigitte, Berliner Zeitung und den Freitag. Ihre Kolumne „Die Helikoptermutter“ erschien bis 2019 monatlich beim Freitag. Seit 2017 ist sie hier feste Kulturredakteurin mit Schwerpunkt Literatur und Gesellschaft.

Katharina Schmitz

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