Wir sind Aschewolke!

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Die Deutschen würden gerne einen isländischen Vulkan mit dem unaussprechbaren Namen Eyjafjallajökull adoptieren. Im Geiste haben sie das schon, und waren auch ein bisschen enttäuscht, heute morgen, als sie aus dem Fenster guckten: der saubere Fenstersims, die blanken Autos, der Himmel zwar bewölkt, aber irgendwie auch: normal. Der vulkanische Fallout, insgeheim herbeigewünscht und bereits als schauerlicher "Blutregen" angekündigt (den es eigentlich alle naslang gibt, durch den roten Wüstenstaub aus der Sahelzone) – dieser Fallout ist bislang ausgeblieben.

Zum Glück ist der isländische Feuerberg aber noch nicht wieder eingepennt, er "spuckt", "speiht" und "tobt" weiter, könnte das angeblich noch ein ganzes Jahr lang tun, was die Isländer wohl nicht so glücklich machte, aber uns dafür ein bisschen. Endlich sind wir, die wir keinen eigenen aktiven Vulkan besitzen, auch mal betroffen, auch ohne Staub, schon jetzt, weil der Flugverkehr ausgefallen ist. Verteidigungsminister Guttenberg kann vielleicht gar nicht landen, wenn er mit den verletzten Soldaten aus Afghanistan nach Hause fliegt. Und ob die Kanzlerin je wieder in die Heimat zurückkehrt? Per Flugzeug jedenfalls nicht, und auch nicht heute. Angela Merkel hängt erstmal in Lissabon fest.

Während wir mithin ein bisschen allein zu Hause sind, schadet es natürlich nicht, an die Was-ist-Was?-Lektüre aus Kindertagen anzuknüpfen und die Kenntnisse aufzufrischen. Der eher kleine Eyjafjallajökull ähnelt den flachen Schildvulkanen von Hawaii, aus denen in stetem Strom dünnflüssige Lava gluckert, allerdings sind sich die Experten bislang nicht ganz einig, ob der unter dem gleichnamigen Gletscher gelegene Vulkan nicht doch vom Stratotyp ist, wie der Vesuv in Italien, dessen Aschemassen einst Pompeji und Herculaneum unter sich begruben. Für letzteres spricht, dass die Asche - die zum Teil aus Tennisballgroßen Glasbrocken besteht - auf Island nun zehn Kilometer weit in die Höhe geschleudert wurde.

Wirklich weit kommen davon aber nur die staubfeinen Partikel, die für Flugzeuge problematisch sind, weil sie in den Triebwerken wieder schmelzen können und in hinreichender Konzentration deshalb zu Ausfällen des Antriebs führen. Eine Vorsichtsmaßnahme. Gesundheitsgefahren indes kann man in unserem Breitengrad vergessen, aber auf die ist letztlich auch keiner wirklich scharf.

Ob uns Eyjafjallajökull mit weiteren spektakulären Explosionen und längerem Ausfall des Flugverkehrs beschäftigen wird, bezweifeln Experten aber schon. Denn nach nunmehr vier Wochen Aktivität dürfte der Druck aus dem Magma heraus sein. Was man schade finden könnte - aber es gibt ja noch Katla, für den sich die Vulkanologen nun weit mehr interessieren. Bislang haben die heftigen Ausbrüche des Eyjafjallajökull-Nachbars die Insel in penetranter Regelmäßigkeit zweimal pro Jahrhundert heimgesucht. Die letzte Eruption ist nun schon fast 100 Jahre her, und mithin überfällig. Meist fand sie unmittelbar im Anschluss an einen Ausbruch des Eyjafjallajökull statt!

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Geschrieben von

Kathrin Zinkant

Dinosaurier auf der Venus

Kathrin Zinkant

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