Die Yes Men stimmen zu

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Die Kommunikationsguerilleros Yes Men sind schon häufig in die Rollen von hochrangigen Unternehmensangestellten geschlüpft, um all das offen aussprechen, was Manager nie sagen würden. Ihre Methode ist bekannt (siehe etwa hier). Nun haben sie sie weiterentwickelt: Sie enttarnen ihre offensichtliche Fälschung selbst als Fälschung – mit einer zweiten Fälschung.

Ziel der Aktion ist der Ölkonzern Chevron Corporation. Er hat eine neue Imagekampagne, und sie heißt: "We agree" - Wir stimmen zu. Es ist eine Kampagne, die in die Zeit passt. Wenn sich ein Unternehmen um seinen Ruf sorgt, sagt es: Wir sind nicht böse, wir sind gut! "Ölfirmen sollten ihre Profite für etwas Gutes verwenden!", heißt es in der Kampagne zum Beispiel, und daneben steht: "We agree." Diese und fünf andere Forderungen an Ölfirmen, denen das Unternehmen zustimme, sind etwa zu finden auf der Chevron-Website und im Chevron-Youtube-Kanal.

Die Yes Men, das Rainforest Action Network und Amazon Watch bezichtigen Chevron allerdings des Versuchs, sich zu "greenwashen". Chevron wird von Umweltaktivisten wie Amazon Watch unter anderem beschuldigt, für erhebliche Verschmutzungen im ecuadorianischen Regenwald verantwortlich zu sein. Das Aktivistenkonsortium entwickelte also eine eigene Kampagne und veröffentlichte sie am Montag, kurz bevor Chevron selbst die eigene Werbung publik machte. Auch sie heißt "We agree", sieht aus wie die von Chevron, kommt angeblich auch von Chevron, ist aber ein Fake.

Statt unter chevron.com/weagree, wie das Original, ist sie im Netz unter chevron-weagree.com zu finden. Sie enthält vier deutlich weiter reichende Forderungen an Ölfirmen, denen die Aktivisten im Namen Chevrons gerne zustimmen: "Ölfirmen sollten die Probleme, die sie aufwerfen, selbst lösen" (original: fix the problems, they create), "Ölfirmen sollten aufhören, Leben zu gefährden" (stop endangering life), "Ölfirmen sollten Sicherheit an die erste Stelle setzen" (put safety first) und: "Ölfirmen sollten ihren Mist wieder wegräumen" (clean up their messes).

Publik gemacht wurde die (falsche) Kampagne als Pressemitteilung über eine Website, die aussieht, als sei sie von Chevron selbst. Darin wird eine höherrangige Chevron-Frau zitiert: "Chevron macht einen sauberen Schnitt und übernimmt nun direkte Verantwortung für das eigene Handeln". Und: "Wir sprechen Wahrheiten aus, die normalerweise niemand ausspricht."

Dass das nicht von Chevron kommt, ist nicht ganz unoffensichtlich für alle Kenner der Yes Men, die über ihre Bekanntheit schon einmal gestolpert sind und von einem Lobbyvertreter enttarnt wurden, bevor ihre Aktion gegen die US-Handelskammer richtig ins Laufen kam. Also verschickten die Yes Men und ihre Partner zu ihrer eigenen Enttarnung eine Pressemitteilung, die wiederum aussieht, als sei sie von Chevron. Statt aus einer echten Reaktion des Konzerns zitierte etwa die Nachrichtenagentur AFP zunächst aus dieser Mitteilung. "Chevron nimmt diese Attacke nicht auf die leichte Schulter", heißt es darin. "Wir investieren viel in unsere Kampagnen und nehmen sie extrem ernst." Die genauen Kosten für die "We agree"-Kampagne müssten zwar vertraulich bleiben, verraten werden könne aber, dass Chevron 90 Millionen Dollar im Jahr allein für Werbung ausgebe.

Und: "Diese Fälschung ist Teil der anhaltenden Bemühungen, Chevron dafür zu kritisieren, dass 16 Milliarden Gallonen Rohöl während Bohrungen in den Amazonas geflossen sind." Die rechtlichen Vereinbarungen, die Chevron mit der ecuadorianischen Regierung getroffen habe, entbinde das Unternehmen von der Haftung.

Der Punkt ist: So argumentiert Chevron tatsächlich (siehe etwa Huffington Post). Die neue Imagekampagne des Konzerns, in der es darum geht, wie verantwortungsvoll er mit der Welt umgeht, geht also schön nach hinten los. Die Frage, die die Yes Men und ihre Partner wieder einmal aufwerfen, ist: Wer fälscht hier eigentlich?

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