Frank Schirrmacher und das Multitasking

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Ach, der Herr Schirrmacher von der FAZ hat wieder ein Buch geschrieben. Schirrmachers Bücher sind immer ein Medienevent. Sie sind meist auch ein Memento, sagt man. Ich kenne Schirrmachers Bücher gar nicht. Das macht aber nichts, weil man über die mediale Verwurstung alles erfährt, was man wissen muss, um mitzuquatschen.

Gestern im Kulturjournal ttt nun wurde Schirrmachervom beeindruckten Moderator- gut gespielt von Dieter Moor - eindrücklich befragt über sein neuesBuch "Payback" . Darin will der Kulturkritiker und Publizist nachdrücklich auf die Gefahren des Internets hinweisen. Denn das Internet mit seiner Informationsflut verführt die Menschen zu Dingen, die sie eigentlich gar nicht tun wollen.

Was er in die Medienwelt schleuderte, war eine dringende Warnung vor einer Art des täglichen Handelns, die sich landauf landab breitgemacht hat: Hütet Euch vor der Technik des Multitasking, meint er. Wir Menschen, unkt er, sind nicht dazu gemacht, soviel nebeneinander, soviel gleichzeitig zu tun: Im Internet recherchieren, SMS schreiben, Telefonieren. Das geht nicht, das ist ganz gefährlich, wir verflachen, wir zerstreuen uns oder so ähnlich.

Das beißt sich - in meinem weiblichen Bewusstsein - mit einer genderspezifischen Aussage,nach der einmal festgestellt wurde, dass Frauen das ganz gut können, dieses Multitasking, dieses Mehreres gleichzeitig machen. Aber da, wo Männer so was definieren, wird natürlich auch die Priorität anders gesetzt.

Es kommt ja auch immer drauf an, wovon die Rede ist.

Ich meine: Der Herr Schirrmacher hätte seine Stimme viel früher erheben müssen - mindestens 150 bis 100Jahre früher. Bevor das Automobil seinen verhängnisvollen Siegeszug um die Welt antrat.

Alles, was er über die Gefahren der Datenautobahnen sagt, der Internetkultur und ausufernden Multitaskings, das trifft - in viel konkreterer Form - auf die moderne Autowelt zu.

Nur, auf diesem Gebiet haben die Menschen das Multitasking schon so verinnerlicht, dass sie es gar nicht mehr bemerken und - nur noch in Ausnahmefällen - kritisch sehen und bewerten. So ist zum Beispiel das Telefonieren mit dem Handy inzwischen als eine gefährliche Art des Multitasking angeprangert. Es wurden zumindest die Bedingungen, unter denen es im Auto stattfinden darf, geändert.

Aber wie sieht es denn aus in der modernen Welt des Autowahns?

Wenn jemand Auto fährt, übt er permanentes Multitasking aus: Er bedient das Auto. Also wenn es keine Automatik hat, muss er ständig schalten, bremsen Gas geben, er muss auf den Verkehr an sich achten, er muss auf die Schilder achten, auf ungewohnte Situationen. Oder er grübelt - aufmerksamkeitsverschleißend - darüber nach, ob sein Navi nun spinnt oder ob er hier noch richtig ist.

Wenn er allein fährt, lauscht er eventuell auch noch dem Radio oder - wenn nicht allein - unterhält er sich mit einem gähnenden Mitfahrer über die Gefahren unausgeschlafenen Autofahrens usw.

Niemand würde auf die Idee kommen, die Gefahren, die vom ständigen Autofahren ausgehen so anzuprangern. Schon lange nicht mehr. Man hat sich dran gewöhnt. Und auch an die ganz konkreten Opfer, die der Autowahn ständig kostet. Das ist einer modernen Welt geschuldet, das nimmt man hin.

Inzwischen weiß man; Nicht nur das Internet, vor allem das Auto bringt Menschen dazu, Dinge zu tun, die sie eigentlich gar nicht tun wollten. Es gilt die wissenschaftlich begründete Aussage, dass, wer Verkehrswege baut, auch Verkehr schafft, aber niemand schert sich drum. Menschen werden zu unnötigen Spritztouren genötigt, zu Kurzreisen und Caravan-Eroberungen überall, wo man es ihnen anbietet. Menschen haben per Auto mobil zu sein, ganz gleich wie kräftezehrend, konzentrationsmindernd, lebenszeitverschleißend das ist. Keine Sau interessieren diese zivilen Kollateralschäden der Mobilität. Menschen wollen- mit der Brötchentaste oder wie das heißt – ihr täglich Brot mit dem Auto direkt von der Bäckerei abholen und mit dem Geländeauto zur Theke preschen, um ihr Bier dort zu erwerben. Man lebt ungesund, man bewegt sich zu wenig. Auch das ist eine Parallele zum Computerhocken.

Warum fällt dem modern-betriebsblinden Schirrmacher nicht ein, darauf mal nachholend einzugehen. Multitasking ist überall gefährlich. Im Straßenverkehr schafft es geradezu höllische Szenarien.. Aber die Warnung vor den höllischen Gefahren der Datenautobahn ist jetzt kulturkritisch aktueller und bringt mehr ein.

Ansonsten – über Mautgebühren diskutiert man auf der Datenautobahn genauso wie auf konkreten Autobahn – ums Geld geht’s immer.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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