Aufgepasst - der Bundespräsident erklärt uns den Krieg!

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Auf der Internet-Seite von DeutschlandRadio finden sich zwei mp3-Dateien mit jeweils unterschiedlichen Fassungen des Interviews mit Horst Köhler auf seinem Rückflug von Masar-I-Sharif am vergangenen Freitag/Samstag. In der ersten Fassung (chronologisch ist es die zweite von 08:12 Uhr) fehlt die entscheidende Passage, in welcher der Bundespräsident offen ausspricht, dass es in diesem Krieg auch um wirtschaftliche Interessen Deutschlands als Außenhandelsnation geht, dass es um „freie Handelswege“ geht, dass es am Hindukusch eigentlich um deutsche Arbeitsplätze gehe und dass all das Gründe seien, die im Zweifelsfall einen militärischen Einsatz der Bundeswehr rechtfertigten, inklusive toter Soldaten. (2. Fassung von 07:51 Uhr, diese Passage enthaltend, hier)

Mal abgesehen davon, dass das mit den zwei verschiedenen Interview-Fassungen etwas merkwürdig ist und vor allem, dass die entscheidende Passage in der aktuelleren der beiden Fassungen fehlt, bleibt festzustellen, dass Horst Köhler als oberster Verfassungsschützer im Begriff ist, selbige zu brechen. Denn wenn wirtschaftliche Gründe für den Krieg herhalten müssen, ist das durch das Grundgesetz keinesfalls gedeckt, weder im Wort noch im Geist. Im Gegenteil: es ist sogar explizit verboten.

Wenn Köhler nun schon, wahrscheinlich aus Unachtsamkeit, so ehrlich war, dann sollte man doch auch sofort den Soldaten in Afghanistan und ihren Familien, der ganzen deutschen Gesellschaft reinen Wein einschenken und sagen, was diese Äußerungen des Bundespräsidenten hoch über den Wolken bedeuten. Zum Beispiel bedeutet es, dass die in Afghanistan Gefallenen, guter deutscher Tradition folgend, weder für Freiheit oder Sicherheit noch für Kaiser, Volk und Vaterland gefallen sind, sondern für privatwirtschaftliche Interessen. Quasi aus konjunkturellen Gründen. Keine toten Helden also, sondern lediglich Weichziele mit Totalschaden, abzuschreibendes Humankapital.

Es bedeutet auch, dass alle im Bundestag vertretenen Parteien -bis auf eine Ausnahme (über der, auch für ihre Verweigerungshaltung diesbezüglich, regelmäßig mediale Schmutzkübel entleert werden)- immer wieder für einen verfassungswidrigen Militäreinsatz gestimmt haben, diesen bis heute rechtfertigen und mindestens prinzipiell unterstützen. So wenig, wie es beim Irak-Krieg um Massenvernichtungswaffen ging, genau so wenig geht es in diesem Afghanistan-Krieg um Demokratie, Frieden und Sicherheit. Das ist seit längerem evident; nun ist es durch ein Geständnis hinlänglich bewiesen. Leugnen ist ab jetzt also zwecklos.

Man darf gespannt sein, ob diese ungeheuerliche Tatsache, dieser Skandal in den Medien des Landes breite Beachtung finden wird. (das glaube ich ja wohl selbst nicht)

P.S.: Falls in der Zwischenzeit eine der beiden Interview-Fassungen auf dradio.de wundersam abhanden kommen sollte, und es ausgerechnet diejenige ist, welche die heikle Passage enthält, kann man diese Fassung hier (verzendnet) und hier (rapidshare) herunterladen. Soll ja wenigstens dieses Mal keiner hinterher behaupten können, er habe von nichts gewusst...

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden