(60) Der subjektive Faktor

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

1

Ich fahre fort mit den beiden "Urwahlen", die den Beginn der Anderen Gesellschaft markieren. Mit der ersten Urwahl, schrieb ich in der vorigen Notiz, macht die Gesellschaft ihren Anspruch geltend, über die eigene Ökonomie zu bestimmen, und beschließt daher zunächst die Offenlegung aller ökonomischen Daten; ferner legt sie sich darauf fest, die Grenzen des Umweltraums der Erde nicht zu überschreiten, und setzt sich damit über die Logik des Kapitals hinweg, die von Marx als unbegrenzte Bewegung zum "unendlichen Mehrwert" und "Reichtum schlechthin" beschrieben worden ist. Da wir im Moment noch dabei sind, das Grundeinkommen zu verhandeln, sage ich nichts weiter zu dieser ersten Wahl.

Nur ein Hinweis sei ergänzt, der den Zusammenhang der ersten Wahl mit der dritten betrifft. Die dritte Urwahl, schrieb ich, schaffe den Kapitalismus ab, denn mit ihr entscheide die Gesellschaft erstmals selbst über die Proportionen der Ökonomie, statt dass die blinde Regie des Werts sie steuert. Mein Beispiel war die Proportion Auto- zu Schienenverkehr: Während Verwertungslogik das Auto präferiert, würde die Gesellschaft das Schienennetz ausbauen. Aber nun mag man fragen, was das denn nütze, wenn zwar in der eignen Gesellschaft der Autoverkehr reduziert werde, die Autoindustrie jedoch um so mehr Autos in andern Gesellschaften verkaufe. Die Antwort ist, dass in der ersten Urwahl die Beachtung der Grenzen nicht nur des eignen Umweltraums, sondern des Umweltraums der ganzen Erde beschlossen wird. Damit wird zum einen beschlossen, die eigne Gesellschaft habe n Anteile am Erdumweltraum ("n" ist wissenschaftlich bekannt) und werde nur sie ausschöpfen, und zum andern, sie liefere beispielsweise nach China nur so viel Autos, wie mit dem c h i n e s i s c h e n Umweltraum verträglich sind. Dies unabhängig davon, ob China selbst sich an seine Umweltgrenzen hält oder nicht.

Ich gebe den Hinweis auch deshalb, weil er den r e g i o n a l e n C h a r a k t e r d e r A n d e r e n G e s e l l s c h a f t unterstreicht. Wir wollen, schrieb ich, nicht warten, bis sie in der ganzen Welt gleichzeitig eingeführt werden kann. So eine Gleichzeitigkeit, wünschenswert zwar, scheint praktisch unmöglich zu sein. Nein, sie beginnt in e i n e r Region, die dann versuchen muss, als Vorbild zu wirken. Eine Entstehung ganz unabhängig von der Verfasstheit anderer Regionen ist freilich auch nicht denkbar, denn die sonstige Welt muss die neue, von ihr verschiedne Gesellschaft mindestens zulassen. Und diese ihrerseits muss bestrebt sein, es ihr möglichst leicht zu machen. Das gehört aber schon zur Frage, "wie das Andere überhaupt entstehen kann", die ich laut der 56. Notiz erst einmal nicht behandle.

2

Wir reden von einer bestimmten Region - und von welcher? Ich denke, es kann nur die Europäische Union sein, deren Verflechtung so weit fortgeschritten ist. Dabei kann man sich vorstellen, dass in den verschiedenen Ländern koordiniert und kompatibel zwar, aber doch verschieden gewählt wird. Das eine Land wählt diese, das andere jene volkswirtschaftliche Proportion; das eine Land wählt ein höheres, das andere ein niedrigeres Grundeinkommen. Nur die erste Urwahl ist in allen Ländern dieselbe. Wenn das der Mechanismus sein wird, kann man sich weiter vorstellen, dass ein einzelnes Land mit der Arbeit, die EU vom Weg in die neue Gesellschaft zu überzeugen, irgendwann dadurch beginnt, dass es wichtige Elemente des Neuen vorgreifend schon einführt.

Warum ist es notwendig, die Andere Gesellschaft zunächst regional denken? Nicht nur, weil es zu jedem Zeitpunkt andere Regionen geben wird, die "noch nicht so weit sind". Der Hauptgrund ist umgekehrt gerade der, dass u n s e r e e i g e n e G e s e l l s c h a f t nicht so weit ist, wie man wünschen würde, und es auch zum Zeitpunkt der Einführung der Anderen Gesellschaft nicht sein wird. Denn natürlich wünschen wir, sie möchte den eignen Reichtum auf ein Minimum reduzieren, alles den Armen geben und dann zum Beispiel auch das Geld, mit dem sie sonst im eignen Land das Grundeinkommen finanziert hätte, nach Bangla Desh überweisen. Aber wir wissen, das wird sie nicht tun. Höchstens ein Diktator könnte sie zwingen, und er würde gestürzt werden. Wenn unsere Gesellschaft eine parlamentarische Demokratie bleibt und auch noch eine Wirtschaftsdemokratie wird, dann wird sie den ärmeren Regionen eben nur so viel und immerhin das abgeben, was e i n e M e h r h e i t abzugeben b e r e i t i s t .

Damit muss man zufrieden sein: dass sich mit der Existenz der Anderen Gesellschaft die Bedingungen verbessern, unter denen die Bürger vom Sinn des Reichtumstransfers in ärmere Regionen überzeugt werden können. Diese Frage wird ja schon in der ersten Proportions-Wahl (der dritten der Urwahlen) explizit zur Abstimmung stehen: Was ist das Verhältnis zwischen den Teilen unsers Reichtums, die wir behalten, und denen, die wir anderen zur Verfügung stellen? Das ist dann zum Thema geworden. Es steht ein Modell, das auf Abbau des Reichtumsgefälles hinsteuert, (wahl)kämpferisch gegen andere Modelle. Dies Modell zeigt Zusammenhänge und drängt sich der öffentlichen Debatte auf. Und so bei allen Proportions-Wahlen, die periodisch noch folgen.

3

Wenn es zwar vielleicht besser wäre, die Bürger beanspruchten auf lange Zeit überhaupt kein Grundeinkommen, damit erst einmal das Weltreichtumsgefälle gänzlich beseitigt wird, wird es auch wahr sein, dass die innere Ruhe, die ihnen das Grundeinkommen verschafft, ihre Bereitschaft zum Nachdenken fördert. Denn die Andere Gesellschaft, ich habe es schon geschrieben, ist immer noch eine Mangelgesellschaft. Sie ist es nicht nur "objektiv" insofern, als sie nicht über den größtmöglichen Reichtum verfügt, sondern auch "subjektiv" insofern, als sie von Adam und Eva betrieben wird, statt vom Neuen Menschen, dessen Heraufkunft sie allenfalls beschleunigt. Da unser Modell ein theoretisches ist, schließt es die M ö g l i c h k e i t Neuer Menschen übrigens gar nicht aus. Würde die Andere Gesellschaft von Anfang an aus solchen bestehen, könnte sie ja von der ersten Urwahl gleich zur dritten fortgehen, unter Auslassung der zweiten.

4

Hier schließt sich die Frage der Weltwirtschaftsflüchtlinge an, von denen man fürchten mag, dass sie das Land "überschwemmen", in dem ein Grundeinkommen ausgezahlt wird, und seine Finanzkraft unterminieren. Es ist dieselbe Frage wie eben, denn Wirtschaftsflüchtlinge mitzuernähren, die zu zahlreich sind, um in die einheimische Ökonomie integriert werden zu können, ist auch eine Form des Reichtumstransfers ins Ausland. Die Andere Gesellschaft wird wie die heutige die Frage so stellen, dass sie die Aufnahmekapazität des eigenen Landes prüft, und wird sicher viel solidarischer antworten als heute. Aber kaum so, dass sie der ganzen Welt bedingungslos die Tore öffnet: schon weil dadurch das Weltreichtumsgefälle gar nicht abgebaut würde. Sie wird fragen, in welchem Verhältnis die Aufnahme von Flüchtlingen aus armen Ländern und der Aufbau dieser Länder, derart dass niemand mehr fliehen würde, zueinander stehn.

Und sollen wir leugnen, dass ihre Entscheidung, sowohl was die Proportion Aufnahmebereitschaft zu Aufbauhilfe als auch was die Höhe des Reichtumstransfers, der für beide zusammen aufgebracht werden muss, betrifft, aus einer ziemlich unklaren Mischung solidarischer mit egoistischen Motiven hervorgehen wird? Wir leugnen es nicht. Wir beharren nur auf der demokratischen Entscheidung durch Wahlen, die uns mehr Möglichkeiten der Kritik und Beeinflussung von "Adam und Eva" verschaffen. Die Andere Gesellschaft wird sich von den Menschen, wie sie heute sind, nicht trennen, sondern nur vom Kapital.

5

Wenn wir uns also klar machen, dass die zweite Urwahl den subjektiven Faktor der Gesellschaft zum Gegenstand hat, dann werden wir nicht nur über die Subjektivität derer abstimmen lassen, die vom Grundeinkommen leben, ohne zu arbeiten. Schon deshalb werden wir das nicht tun, weil uns Grundeinkommens-Bezieher und Arbeiter in gesellschaftlicher Gesamtbetrachtung als ein und dieselbe Person gelten. Es sind zwei Seiten im Leben des gesellschaftlichen Individuums, die sich wechselseitig bedingen, denn die erste kann es nur geben, weil es die zweite gibt (Seite der Notwendigkeit), und die zweite kann mit der ersten vertauscht werden (Seite der Freiheit). Dem entsprechend hat jeder ein d o p p e l t e s R e c h t und w i l l es haben, ob er es nun immer ganz in Anspruch nimmt oder nicht: das Recht auf Einkommen und das Recht auf Arbeit.

Deshalb wäre es unangemessen, wenn die zweite Urwahl nur den Grundeinkommens-Bezieher beträfe und den Arbeiter nur insoweit, als ihm ein Mindestlohn "deutlich" über der Grundeinkommens-Höhe zugesichert würde, wie ich bisher ausgeführt habe. Nein, sie muss den subjektiven Faktor überhaupt betreffen, a l l e B e d i n g u n g e n seiner ökonomischen Untermauerung: die des Arbeiters nicht weniger, sondern eher noch mehr als die des Grundeinkommens-Beziehers. Die zweite Urwahl wird deshalb nicht nur ein Grundeinkommen über der Höhe des Grundeinkommens-Minimums, sondern auch n e u e D u r c h s c h n i t t s l ö h n e , die über der Höhe der vorfindlichen liegen, beschließen. Eine Tendenz zur Steigerung der Löhne wird ja ohnehin die Folge der Einführung des Grundeinkommens sein. Es würde aber die Andere Gesellschaft lähmen, wenn sie mit überall gleichzeitigen Lohnauseinandersetzungen begänne. Besser also, die erste Lohnerhöhung, nur sie, wird eher planmäßig herbeigeführt. Das heißt, es setzen sich Vertreter der Gruppen, die sonst um den Lohn kämpfen würden, und des übrigen Gemeinwesens zusammen, arbeiten systematische Kontroversen heraus und schlagen den Wählern auf dieser Basis verschiedene volkswirtschaftlich mögliche Lohnhöhen vor. Mit der Höhe, die gewählt wird, hat die Andere Gesellschaft ihre anfänglich geltenden Durchschnittslöhne zusätzlich zu Grundeinkommen und Mindestlöhnen.

Es wird sicher eine Tendenz geben, die Löhne bis zur Grenze des Gewinn-Minimums hochzutreiben: Das ist gewiss nicht schlimmer, als wenn sie wie heute in vielen Bereichen so weit wie möglich heruntergedrückt werden. Der totale Erfolg der Tendenz wäre aber gar nicht vernünftig, und am wenigsten zum Zeitpunkt der zweiten Urwahl, weil man dafür sorgen muss, dass diese nicht einfach Kaufkraftüberhang und Inflation herbeiführt. Wenn alle Löhne auf einen Schlag maximal anstiegen, würde das sicher geschehen. Also wird eine "deutliche", aber doch begrenzte Erhöhung der Durchschnittslöhne gewählt werden. Sie bestimmt sich aus dem Bedarf an Gütern, von denen man erwartet, dass sie zusätzlich gekauft und auch zeitnah geliefert werden können. Im einen oder andern Fall wird auch der Gedanke, "es nicht zu übertreiben", eine Rolle spielen: so bei den eher unangenehmen und dabei einfachen, aber notwendigen Arbeiten, deren Lohn nicht nur deutlich, sondern sehr deutlich erhöht werden wird, aber so sehr denn doch nicht, dass er sich den Löhnen kostspielig ausgebildeter Fachkräfte annäherte. Wie auch immer, es werden durchargumentierte Konzepte zur Wahl gestanden haben. Wenn es später irgendwo Streit über den Lohn gibt, muss erneut argumentiert werden, und die gesellschaftliche Öffentlichkeit als dritte Partei im Lohnstreit wird sich nicht automatisch, sondern nach Gründen auf die eine oder andere Seute schlagen.

Ja, es kann Lohnstreit geben. Selbst in einer Genossenschaft fallen die Interessen der einfachen Beschäftigten und des sei's auch gewählten Managements nicht zusammen. Wir werden das noch näher erörtern. Hier ziehe ich es nur heran, weil die Höhe des Grundeinkommens mitbetroffen ist: Wenn die Situation eintritt, dass bereits erkämpfte höhere Löhne nicht hinreichen, alle Arbeitskraft, die gebraucht wird, herbeizulocken, werden die Löhne noch weiter und bis zum Gewinn-Minimum angehoben. Erst wenn das geschehen ist und immer noch Arbeitskraft fehlt, wird eine Senkung des Grundeinkommens in Aussicht gestellt.

Sie tritt nicht automatisch ein. Damit sie vermieden werden kann, wird sie denen angekündigt, die betroffen wären. Es hat sich nun eben herausgestellt, dass der Arbeitskräftemangel den Steuerbetrag, der für Grundeinkommen zur Verfügung steht, zu sehr vermindert. Die Grundeinkommens-Bezieher wissen von vornherein, dass der Fall möglich ist. Ihre Bereitschaft, dann die Arbeit aufzunehmen, haben sie durch Beteiligung an der zweiten Urwahl zum Ausdruck gebracht, die wie die erste, wo man Respekt vor den Grenzen des Umweltraums der Erde gelobt hatte, ein richtiger Gesellschaftsvertrag ist. Denn was sie gewählt haben, sind nicht nur Rechte auf Einkommenshöhen, sondern auch die damit verbundenen Pflichten. Die Pflichten werden auch sofort erfahrbar, weil es nicht anders sein kann, als dass der zweiten Urwahl eine kurze Phase des Sich-Einpendelns folgt. Die gewählte Höhe des Grundeinkommens ist doch nur auf Basis von Theorie und Rechnung zustande gekommen: Ob sie mit dem gesellschaftlichen Arbeitskräftebedarf nun wirklich kompatibel ist oder leicht korrigiert werden muss, wird sich schnell genug zeigen.

Man beachte, dass auf Basis dieses Gesellschaftsvertrags Arbeitsbereitschaft nicht "nachgewiesen werden muss" wie heute, sondern n o t f a l l s i n A n s p r u c h g e n o m m e n w i r d ; das ist etwas ganz anderes. Und ich unterstreiche nochmals: Es ist wirklich Arbeits b e r e i t s c h a f t , unerzwungen freiwillige, was dann in Anspruch genommen wird. Wenn sie fehlt, kann es keine Gesellschaft mit Grundeinkommen geben.

6

Ich wollte bis hierher nur zeigen, mit Karl-Ernst Lohmann, dem ich gefolgt bin (vgl. Begrenzen statt Lindern. Eine ökonomische Phantasie, in kultuRRevolution 59 [2010]), dass eine Gesellschaft nicht nur sinnvoll, sondern auch möglich ist, in der es Grundeinkommen gibt. Hat man sich darauf einmal geeinigt, steht man vor der Frage, welches der verschiedenen Grundeinkommens-Modelle man für brauchbar oder am brauchbarsten hält. Zu wundern braucht man sich übrigens nicht, dass es so viele Modelle wie politische Strömungen gibt, ja nicht einmal darüber, dass das erste einflussreiche Modell, von Milton Friedman, ein neoliberales gewesen ist. Denn das spiegelt nur wider, dass unsere Gesellschaft sich, wie man sagt, individualisiert hat: Jede Strömung kriegt es mit und fängt es in ihrem Modell irgendwie auf. Dass die Modelle sich in manchem ähneln, zeigt daher nicht die Abhängigkeit aller von Friedmans Modell, sondern dass alle mit derselben gesellschaftlichen Realität ringen.

Von den Themen, die zwischen den Modellen umstritten sind, interessiert mich eins besonders, weil es die hier angedachten Vergesellschaftungsfragen berührt: Begreifen und behandeln wir das Grundeinkommen als "Sozialdividende" oder als "negative Einkommenssteuer"? Meine Antwort wäre, dass es drauf ankommt, wie die Worte gebraucht werden. Zunächst ist klar, dass wir "Sozialdividende" präferieren: Alle zahlen in den gesellschaftlichen Fonds ein und an alle wird es wieder ausgeteilt. Aber nun könnte auch "negative Einkommenssteuer" so verstanden werden, dass alle, die gerade nicht arbeiten, aus Steuermitteln des Fonds einen bestimmten und i m m e r g l e i c h e n Betrag, die gesellschaftlich gewählte Grundeinkommens-Höhe, erhalten, während die andern je nach Arbeitseinkommen und Reichtum einen p r o g r e s s i v a n s t e i g e n d e n Betrag in ihn einzahlen. Dann liefen die Wörter "Sozialdividende" und "negative Einkommenssteuer" auf dieselbe Sache hinaus. Wenn freilich mit letzterem Wort gemeint ist, dass auch der Reichste nur Steuern in Höhe des Grundkommens für den Fonds herzugeben braucht, weisen wir es natürlich zurück.

Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang eigentlich stellt, ist doch eine andere: Angenommen, jemand nimmt Arbeit auf und erhält dafür Lohn in Höhe von Grundeinkommen plus x, wer zahlt dann den Grundeinkommens-Bestandteil des Lohns - der Unternehmer oder die Gesellschaft? Und wenn ich sage "die Gesellschaft", ist nicht die heutige gemeint, bei der es immer darauf hinausläuft, dass die Arbeiter zahlen und die Unternehmer verschont bleiben, ja man ihnen noch Steuergeschenke macht. Ich würde antworten: Wenn i n d e r A n d e r e n G e s e l l s c h a f t diese selbst den Grundeinkommens-Bestandteil des Lohns zahlt und er sich insofern als "Kombi-Lohn" darstellt, heißt das, der Grundeinkommens-Bestandteil wird aus einem Fonds genommen, in den die Nichtarbeitenden nichts, die Arbeitenden wenig und die Unternehmer und sonstigen Reichen sehr viel eingezahlt haben. Und so wollen wir es haben. Die Folge ist nämlich, er wird in jedem denkbaren Lohn zu hundert Prozent vom Unternehmer getragen, wenn auch auf dem Umweg seiner Einzahlung in den Fonds.

Indem wir uns das klar machen, taucht eine neue, für heute die letzte Frage auf: Könnte man nicht ebenso gut auf den Umweg verzichten, derart dass der Unternehmer unmittelbar den ganzen Lohn zahlt und seine Einzahlung in den Fonds sich dafür um den Grundeinkommens-Bestandteil des Lohns verringert? Das könnte man zweifellos, ich halte aber den Umweg für besser. Denn wenn jeder Arbeiter weiß, ein Teil seines Lohns kommt aus der "Sozialdividende", wird es ihm sinnfällig, dass er nicht nur gibt, sondern auch nimmt, nicht nur für sich selbst arbeitet, sondern auch als Repräsentant derer, die nicht arbeiten können, weil er arbeitet. Und der Unternehmer weiß, er ist nur als Repräsentant des Bedarfs der Gesellschaft gewollt, den diese in einer Wahl umrissen hat.

Wenn ich hier übrigens immer vom Unternehmer spreche, ist daran zu erinnern, dass dieser Unternehmer eine Genossenschaft sein kann, ja dass wir uns noch gar nicht gefragt haben, was in der Anderen Gesellschaft "Unternehmen" sein werden.

In der nächsten Notiz will ich das Kapitel Grundeinkommen abschließen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Michael Jäger

Redakteur „Politik“ (Freier Mitarbeiter)

Michael Jäger studierte Politikwissenschaft und Germanistik. Er war wissenschaftlicher Tutor im Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, wo er bei Klaus Holzkamp promovierte. In den 1980er Jahren hatte er Lehraufträge u.a. für poststrukturalistische Philosophie an der Universität Innsbruck inne. Freier Mitarbeiter und Redaktionsmitglied beim Freitag ist er seit dessen Gründung 1990. 1992 wurde er erster Redaktionsleiter der Wochenzeitung und von 2001 bis 2004 Betreuer, Mitherausgeber und Lektor der Edition Freitag. Er beschäftigt sich mit Politik, Ökonomie, Ökologie, schreibt aber auch gern über Musik.

Michael Jäger

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden