Kolumne #3: Wenn Demokratie lästig wird

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Es ist schon eine gute Woche her, als Christine Lagarde über den Zielkonflikt zwischen Demokratie und Markt sprach. Demokratie kann lästig sein – in der Krise ist sie wichtiger denn je.

Quelle: www.peterknobloch.net

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Die Sturmwolken einer Weltwirtschaftskrise hat sie heraufbeschworen. Aus Washington warnte Christine Lagarde vor einer großen Depression, wie sie in den 1930er Jahren Millionen von Menschen in den Ruin trieb.

Demokratische Prozesse verhindern oft schnelle Entscheidungen, findet die Direktorin des Internationalen Währungsfonds. Da hat sie recht. Mit dem Takt der Finanzmärkte kann die Demokratie nicht schritthalten. Niemals werden parlamentarische Debatten um Gesetze und Reformen die Geschwindigkeit automatisierter Tradersoftware erreichen. Vielleicht ist das auch gut so.

Dann sprach Le Garde von einem Zielkonflikt zwischen den Erwartungen der Märkte und der politischen Realität, der gelöst werden müsse. Diesen Konflikt gibt es. Anders als im Kalten Krieg häufig beschworen, setzen frei wirtschaftende Märkte keines Wegs auch zwangläufig eine Demokratie voraus. Dass der Kapitalismus sich ebenso im autoritärem Gewandt wohlfühlen kann, zeigt das Beispiel China.

Die Politik, das wollte Frankreichs ehemalige Wirtschafts- und Finanzministerin wohl sagen, müsse neue Wege finden, um weiter schritthalten zu können – mit den vielbeschworenen Erwartungen der Märkte. Ähnlich staatsphilosophierte unsere Kanzlerin von einer "marktkonformen Demokratie."

Langsam werden die HerrschaftInnen also ehrlich. Es scheint als sähen sie sich in erster Line als Interessenvertreterinnen der Märkte, (hinter denen ebenso Menschen aus Fleisch und Blut stecken, wie hinter der Politik und der Wählerschaft.)

Wenn sich Politiker aber allein auf die Interessen einer einflussreichen Minderheit beschränken wollen, dann müssen sie das Kind auch beim Namen nennen. Auf Worthülsen wie marktkonforme Demokratie kann Angela Merkel getrost verzichten. Denn für das, was da gefordert wird, gibt es einen Begriff, nämlich den der Plutokratie – der Herrschaft der Reichen.

Doch das geht nicht, denn Angela Merkel wurde als demokratische Volksvertreterin gewählt. Und die Mehrheit der Menschen will vermutlich keine marktkonforme Demokratie, sondern demokratiekonforme Märkte – freie Märkte, die sich ebenso wie freie Bürger an Gesetze halten. Wo gegen Recht verstoßen wird, hat die Freiheit ihre Grenzen.

Doch die Politik hat diese Grenzen aufgeweicht, sie hat den Markt soweit dereguliert, dass sie den Entfesselten kaum wieder an die Zügel bekommt – oftmals mangelt es am eigenen Willen. Am Vorabend der Wende ist die Politik der falschen Religion beigetreten. Der Neoliberalismus ist wie jede Ideologie in beschränktem Maß wissenschaftlich, ihr Grundannahmen, von denen alles Weitere abgeleitet wird, sind Glaubenssätze. Die unsichtbare Hand der Märkte, das haben die vergangenen Jahre deutlich gezeigt, ist ebenso real wie der Weihnachtsmann. Sie existiert nur, solange alle fest daran glauben. Diesen Glauben haben die meisten Bürger verloren, zu oft wurden sie enttäuscht. Die Regierungen sollten das respektieren, denn Politik ist kein Selbstzweck, sondern Volksvertretung.

Frau Lagarde darf natürlich ihrer Ansichten haben und diese äußeren. Doch sie spricht für sich – nicht als Volksvertreterin. Eine demokratisch legitimierte Ministerin war sie einmal. Jetzt ist sie Bankdirektorin. (Abgesehen davon dürfte sie gar nicht im Amt sein, würden sich Europäer und Amerikaner an ihre Versprechen gegenüber den Entwicklungsländern halten.)

Dass die Demokratie den Entscheidungsträgern in Krisenzeiten lästig wird, ist sogar verständlich. Zulassen dürfen wir das als Souverän aber nicht. Lagarde hat den Vergleich zur Krise der 30er Jahre gezogen. Dann sollte sie auch wissen, welche Konsequenzen die Demokratieverdrossenheit der damaligen Zeit hatte.

Egal wie lästig es erscheint, wir brauchen mehr Demokratie denn je. Denn die Anarchie auf den Finanzmärkten hat demokratische Staaten in Bedrängnis gebracht. Wir Steuerzahler haben den Banken unseren guten Willen gezeigt. Es war keine unsichtbare, sondern unsere Hand die wir ihnen zur Rettung gereicht haben. Sie wussten unsere Hilfe nicht zu schätzen. Hätten wir nach ihren Regeln, denen des freien Marktes, gespielt – sie wären längst pleite. Sie haben ihre Chance verspielt. Es ist nicht mehr an ihnen, etwas zu fordern. Und ist unsere Politik nicht bereit, unsere Interessen zu schützen, dann müssen wir unsere eigene Politik machen. An klugen Köpfen mangelt es nicht.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Peter Knobloch

Seit September arbeite ich als ifa-Redakteur bei Radio Neumarkt in siebenbürgischen Neumarkt, Târgu Mureș

Peter Knobloch

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