Grundeinkommen und Klimaschutz (Teil 2)

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Christoph Spehr hat den Bruch, den das warenproduzierende System und die abstrakte Arbeit im Naturverhältnis erzeugt, wie folgt dargelegt:


„Die industrielle Arbeitsteilung als personelle, regionale und nationale Zurichtung, zerlegt Natur in Bestandteile, die einzeln Unbrauchbar sind, nach Abtransport an die Spitze der Pyramide aber wieder zusammengebaut werden können und den Zustrom von Natur gewährleisten. In einer ‚Bananrepublik’ können die ArbeiterInnen nicht einfach die Bananen behalten; sie müssen sie verkaufen, weil man nicht nur von Bananen leben kann. Die industrielle Landwirtschaft, die Grüne Revolution und noch mehr die Produktion mitgentechnisch manipulierten Pflanzen sind abhängig vom Zustrom von Ressourcen, die die unmittelbaren Produzenten selbst nicht herstellen können: industrielle Pestizide und Herbizide, Benzin und Ersatzteile, Saatgut und Kunstdünger. Was mit der äußeren Natur passiert, passiert auch mit der menschlichen Natur. Was in der kapitalistischen Gesellschaft Erziehung, Schule und Ausbildung vermittelt, damit kann man nichts anfangen, außer man befindet sich später an einem Ort, der einen passend ergänzt (einem Arbeitsplatz)und aus dem unnützen Wissen einen Job macht, der Geld bringt. Die soziale und internationale Arbeitsteilung im Kapitalismus hat ihre Spezifik darin, dass die manipulierte Natur und die zugerichtete Arbeitskraft nutzlos sind, wenn sie nicht ausgebeutet werden: anderswo zusammengebaut zu etwas, das funktioniert, und zwar so gut dass mit brauchbarer Natur (Versorgung) bezahlt wird. Nichts anderes bedeutet: Natur und Arbeit werden zur Ware, zu etwas, das für ihre Produzenten wirklich unbrauchbar ist, keinen Gebrauchswert hat. Und nur über den Verkauf der Ware kann solche Natur und Arbeit eingetauscht werden, die zum eigenen Überleben brauchbar wird.“(15)


Dementsprechend formuliert Gorz vor dem Hintergrund der erreichten inneren und äußeren Grenzen des Systems seine Forderung nach einem Grundeinkommen als eines der zentralen Elemente seiner politischen Ökologie: „Man muss die Forderung nach einem Existenzeinkommen wieder in diesen Zusammenhang stellen. Sein Ziel besteht nicht darin, die Gesellschaft des Geldes und der Ware zu verewigen, auch nicht das herrschende Konsummodell der sogenannten entwickelten Länder zu verewigen. Sein Ziel ist vielmehr, die Arbeitslosen und prekär Beschäftigten vom Zwang zu befreien, sich selbst zu verkaufen: die ‚Arbeit von der Diktatur der Beschäftigung zu befreien’, nach einer Formulierung von Frithjof Bergmann. (...) Es sind Tätigkeiten, durch die die Menschen sich ganz und gar als Menschen produzieren und ihre Menschlichkeit als den Sinn und das absolute Ziel ihres Daseins behaupten. Lediglich obendrein erhöhen sie auch die Produktivität der Arbeit.“(16)


Harald Welzer beschreibt an zentraler Stelle seines Schlüsselwerks „Klimakriege“ dezidiert den Untergang („Ökozid“) einer ganzen Kultur, die der Osterinseln.(17)Grund für den tödlichen Raubbau an ihren ökologischen Ressourcen waren jene gigantischen heute noch weltberühmten Steinfiguren, also ein Fetisch, um dessen Produktion ein selbstmörderischer Wettbewerb eingesetzt haben musste, der schließlich zur vollständigen Entwaldung und zur Zerstörung der natürlichen Reproduktionsgrundlagen der Insulaner geführt hatte. Die Blütezeit der Osterinsel-Gesellschaft lag um 1500. Als Kapitän Cook die Insel betrat, „bot sich ihnen ein nachgerade surreales Bild. Das Land war vollkommen baumlos und fast menschenleer; die wenigen Einwohner waren, wie Cook 1774 berichtete, ‚klein, mager, ängstlich und elend’. Außer Ratten und Hühnern gab es keine Tiere.“(18) Gegen Ende wurden die Insulaner zu Kannibalen und es entstand ein „absoluter Krieg, der zuerst das Ende der Politik, dann er Kultur und schließlich des Lebens selbst bedeutete.“(19) Dass unser heutiger Warenfetisch uns nunmehr auf globaler Ebene in analoge Selbstzerstörungsprozesse treiben könnte, ist solange nicht nur nicht auszuschließen, sondern sogar höchst wahrscheinlich, solange wir von unserem fetischisierten Waren- und Arbeitsbegriff nicht radikal abrücken.


In dem Moment, in dem das Mantra der „Beschäftigungswirksamkeit des Wachstums“ global längst empirisch widerlegt ist und das daraus abgeleitete Naturverhältnis in ein Zersetzungsverhältnis (ökologisch wie zivilisatorisch) umzuschlagen beginnt, wird der immanente Zusammenhang von Klimaschutz und Grundeinkommen daher unmittelbar evident. Damit wird dieses zum ersten emanzipatorischen Projekt einer global gewordenen Menschheit überhaupt, wie auch Antonio Negri betont: „Der Kampf um das bedingungslose Einkommen, ist, denke ich, geeignet, zu einem wirklich grundlegenden Konflikt in Europa und in den USA zu werden.“(20) Jegliche Politik, die diesen Konflikt leugnet oder gar bekämpft, gerade die der grünen, sozialdemokratischen und sozialistischen Parteien, beraubt sich damit über kurz oder lang nicht nur der eigenen Gesellschaftsbasis, sondern auch der Ernsthaftigkeit in den Analysen und der Glaubwürdigkeit in den Zielen.


Zitierhinweise:


1 Reinhard Loske: Den Konsumismus überlisten, in: taz, 27.02.2007

2 Peter Glotz: Die beschleunigte Gesellschaft. Kulturkämpfe im digitalen Kapitalismus, Reinbek (Rowohlt) 2001, S. 146.

3 André Gorz: Auswege aus dem Kapitalismus. Beiträge zur politischen Ökologie, Zürich(Rotpunktverlag), 2009, S. 19f.

4 Robert Kurz: Das Weltkapital. Globalisierung und innere Schranken des modernen warenproduzierenden Systems, Berlin (Tiamat) 2005, S. 420.

5 André Gorz: Auswege aus dem Kapitalismus, a. a. O., S. 20.

6 Vglch.: Jeremy Rifkin: Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft, Frankfurt a. M. (Fischer), 2005, S. 20.

7 André Gorz: Auswege aus dem Kapitalismus, a. a. O., S. 95.

8 Harald Welzer: Klimakriege. Wofür im 21. Jahrhundert getötet wird, Frankfurt a. M. (S. Fischer),2008, S. 104.

9 Ebda.: S. 100ff.

10 André Gorz: Auswege aus dem Kapitalismus, a. a. O., S. 20.

11 Reimund Schwarze: Das Zwei-Grad-Ziel ist kaum zu schaffen, in: ZEIT-online, 21.07.2009.

12 Peter Glotz: Die beschleunigte Gesellschaft, a. a. O., S. 131.

13 André Gorz: Arbeit zwischen Misere und Utopie, Frankfurt a. M. (Rowohlt), 2000, S. 83.

14 André Gorz: Wissen, Wert und Kapital, Zur Kritik der Wissensökonomie, Zürich (Rotpunktverlag), 2004, S. 77.

15 Christoph Spehr: Die Ökofalle. Nachhaltigkeit und Krise, Wien (Promedia), 1996, S. 138.

16 André Gorz: Auswege aus dem Kapitalismus, a. a. O., S. 112f.

17 Harald Welzer: Klimakriege, a. a. O., S. 79ff.

18 Ebda.: S.80.

19 Ebda.: S. 86.

20 Antonio Negri/Raf Valvola Scelsi: Goodbye Mr. Socialism. Das Ungeheuer und die globale Linke, Berlin (Tiamat), 2009, S. 231.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Robert Zion

Gruenen-Politiker, Publizist

Robert Zion

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