Gegen inhumane Checkpoints: Zivilcourage israelischer Frauen

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Liebe Freunde,

am Freitag, den 6. August, veroeffentlichten 12 israelische Frauen folgendes Inserat in der Zeitung Haaretz ueber ihre Aktion in Zivilem Ungehorsam. Bitte verbreiten.

Von Roni Hammermann (Machsomwatch)

In den Fußstapfen von Ilana Hammerman, Anfang August

Am Freitag den 23.Juli 2010 machte ein Dutzend jüdischer Frauen, ein Dutzend palästinensischer Frauen, ein Baby und drei palästinensische Kinder in sechs privaten PKWs einen Ausflug von der Westbank.

Wir überquerten etliche Checkpoints und fuhren in die israelische Küstenebene und fuhren auch durch Tel Aviv und Jaffa. Wir waren in einem Restaurant, schwammen im Meer und spielten am Strand.

Wir endeten unsern Tag in Jerusalem. Die meisten unserer palästinensischen Gäste hatten noch nie das Meer gesehen. Die meisten hatten noch nie in ihrem Leben an ihren heiligen Stätten gebetet. Sie sahen voller Sehnsucht von der Höhe des Skopusberges hinüber ...

Keiner unserer Gäste hatte einen Passierschein von den israelischen Behörden. Wir verkünden dies hier öffentlich, dass wir absichtlich das Eintritts-Gesetz nach Israel verletzt haben.

Wir taten dies in den Fußstapfen von Ilana Hammerman, nachdem der Staat mit der Polizei eine Klage gegen sie eingereicht hat. Sie hatte am 7. Mai einen Artikel in Haaretz veröffentlich und dort von einer ähnlichen Exkursion berichtet.

Wir können der Rechtmäßigkeit des "Eintrittsgesetzes nach Israel" nicht zustimmen, das jedem Israeli und jedem Juden erlaubt, sich in allen Regionen zwischen Mittelmeer und dem Jordan frei zu bewegen, während es den Palästinensern dieses Recht verweigert. Es ist ihnen nicht erlaubt, innerhalb der besetzten Gebiete sich frei zu bewegen und auch nicht in den Städten jenseits der Grünen Linie, wo ihre Familien, ihr Volk und ihre Traditionen tief verwurzelt sind.

Sie und wir, gewöhnliche Bürger, vollführten diesen Schritt mit klarer und entschlossener Haltung. Auf diese Weise waren wir privilegiert, eines der schönsten und aufregendsten Tage unseres Lebens zu erleben, uns mit unseren tapferen palästinensischen Nachbarn zu treffen und anzufreunden und zusammen mit ihnen freie Frauen zu sein -- wenigstens einen Tag lang.

Wir nahmen keine "Terroristen" oder Feinde mit, sondern Menschen. Die Behörden trennen uns von diesen Frauen mit Zäunen und Straßensperren, Gesetzen und Regeln. Oft wird behauptet, dies geschehe um unserer Sicherheit willen. Tatsächlich sind die Barrieren nur dafür bestimmt, die gegenseitige Feindseligkeit und die Kontrolle des nach internationalen Konventionen und den Werten von Gerechtigkeit und Humanität illegal genommenen palästinensischen Landes zu verewigen.

Nicht wir verletzen das Gesetz -- der Staat Israel verletzt es seit Jahrzehnten. Nicht wir -- Frauen mit einem demokratischen Gewissen -- haben (das Gesetz, die Grenze) überschritten -- der Staat Israel überschreitet ( die Grenzen ...) und schleudert uns alle in die Leere.

Henry David Thoreau schrieb in seinem berühmten Aufsatz "Ziviler Ungehorsam" (1845) :

"wenn ein Sechstel einer Bevölkerung einer Nation, die ein Refugium der Freiheit sein will, Sklaven sind und ein ganzes Land ungerechterweise überrennt und durch eine fremde Armee erobert und einem Militärgesetz unterwirft, dann denke ich, ist es für ehrenhafte Männer (und Frauen) nicht zu früh, zu rebellieren und zu revoltieren. Was diese Pflicht noch dringender macht, ist die Tatsache, dass das überrannte Land nicht das unsrige ist, aber die eingefallene Armee unsere Armee ist."

Hört auf diese Worte und seht wie sehr sie unsere Situation hier und jetzt beschreiben -- und das tun, was wir getan haben.

Hier die Namen der 12 tapferen Frauen:

Ilana Hammerman, Nitza Aminov, Irit Gal, Jerusalem; Annelien Kisch, Ronit Marian-Kadishai, Ramat Hasharon; Esti Tsal, Jaffa; Daphne Banai, Klil Zisapel, OfraYeshua-Lyth, Ruti Kantor,Tel Aviv; Michal Pundac Sagie, Herzlia; Roni Eilath, Kvar Sava.

Respekt! Und damit verbunden die Hoffnung, dass sich möglichst viele Frauen und hoffentlich auch Männer diesem Bürgermut anschliessen.

Das israelische Außenministerium wirbt indessen auf seiner Webseite stark für die seit einiger Zeit tatsächlich eingeführten Erleichterungen in Bezug auf Checkpoints, Straßensperrungen und Kontrollen. U.a.:


Since the beginning of the year 60 roadblocks have been removed.

Road number 443 was opened for Palestinian traffic.

Dahariya checkpoint was opened for unrestricted movement.

16 checkpoints remain in the West Bank; all of them are regularly open

Die Vereinten Nationen bestätigen diese Erleichterungen ("The number of Israeli roadblocks in the West Bank has been reduced by 20 per cent in the last year.").

Verbesserungen sind zu begrüssen. Doch die schiere Menge der auf der o.g. Webseite gelisteten Erleichterungen könnte leicht darüber hinweg täuschen, wie stark die Beschränkungen insgesamt ausfallen. Dazu muss man unter anderem die gesamte Anzahl von checkpoints und Sperren (roadblocks) nennen.

Dabei scheint die israelische Regierung eine andere Zählweise zu haben als zum Beispiel die NGO Machsomwatch. Die Organisation, die sich die Beobachtung der Checkpoints zur Aufgabe gemacht hat, führt 68 checkpoints an.

Die UN addiert alle israelischen Straßenhindernisse und kommt dabei auf insgesamt 505 (Stand Juni 2010, roadblocks_westbank mp3).

Fünfhundert Hindernisse, die den Personen- und Straßenverkehr verlangsamen, behindern oder teilweise völlig unterbrechen. Ganz zu schweigen von der Demütigung der Betroffenen, die sich permanent prüfen lassen müssen und dabei allen Arten von Willkür ausgesetzt sind.

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Bild: "Penumbra", courtesy by Randall Stolzfus (c)

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Geschrieben von

schlesinger

"Das Paradies habe ich mir immer als eine Art Bibliothek vorgestellt" Jorge Louis Borges

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