Lafontaine, Wagenknecht und der Spiegel

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Der Spiegel wird am Montag berichten, die Linkspartei habe bei der Bundestagswahl „offenbar“ ihre Wähler „getäuscht“. Oskar Lafontaine, so schreibt das Magazin weiter, habe nämlich schon lange vor dem 27. September geplant, die Führung der Bundestagsfraktion nach der Wahl abzugeben, dies aber erst nach dem Urnengang am 9. Oktober und zur Überraschung nicht nur vieler Menschen in der Partei öffentlich gemacht. Potzblitz - aber Betrug? War die Linke mit dem konkreten Versprechen angetreten, der Saarländer werde ein bestimmtes Amt fortführen? Hält der Mann nicht trotzdem wichtige Reden im Bundestag? Kann man wirklich von einem „virtuellen Kandidaten“ sprechen?

Zugegeben: Hätte Lafontaine im Wahlkampf erklärt, er wolle sich aus privaten Gründen auf den Parteivorsitz beschränken, wäre das ein Aufreger gewesen - mit unabsehbaren Folgen. Wahrscheinlich hätte es kaum jemand geglaubt, die Medien hätten ein Manöver im Zusammenhang mit dem Saarland vermutet, vielleicht auch einen Riesenkrach in der Linken. Oder sie hätten gleich jene Geschichte breitgewalzt, die schon länger im Hintergrund herumgeistert, und die der Spiegel nun in seiner Printausgabe auftischt. Ein Klatschstückchen, das dem Blatt offenbar selbst ein wenig peinlich ist, weshalb es in der Vorabmeldung den „Knaller“ sogar verschweigt: die angebliche Affäre von Lafontaine und Sahra Wagenknecht.

Gerüchte darüber gab es schon seit Monaten. Auch darüber, dass der Saarländer in eine delikate Situation kommen könnte, wenn die frühere Europaabgeordnete in den Bundestag einzieht. Dass Lafontaine dann mehr Rücksicht auf seine Frau Christa Müller nehmen müsse. Und so weiter. Und so egal. Eigentlich sei die Privatsphäre von Politiker ja tabu, schreibt das Sturmgeschütz der Ehemoral, um die behauptung sogleich wieder zu kassieren: „Doch in diesem Fall muss sie erzählt werden, weil hier das Private höchst politische Folgen hat.“

Hat das Ganze wirklich die Dimension, von der im Spiegel raunend die Rede ist? Dass der Rückzug vom Fraktionsvorsitz die „Erosion seiner Autorität“ verstärkte. Dass die Reformer heimlich jubeln, weil damit auch bestimmte Positionen ins Hintertreffen geraten. Dass niemand mehr eine Wette darauf eingehen will, wie lange Lafontaine überhaupt noch Gefallen an der Linke finde. Oder könnte das nicht ganz andere Gründe haben, die sich ohne Affärchen nur nicht so schön erzählen ließen? Und von wegen Rückzug: Wenn der 66-Jährige bisher noch nicht daran gedacht haben sollte - nach dieser Spiegel-Geschichte und dem, was jetzt noch an Nachklapperei zu erwarten ist, könnte dieser Gedanke erst richtig reifen. Vielleicht ist es ja genau das, was eine solche Veröffentlichung erreichen will. „Das Private“ hätte dann tatsächlich „höchst politische Folgen“.

Abgesehen von der nur vermeintlichen oder auch echten Affäre: Was das Magazin nun unter Berufung auf den Bundesgeschäftsführer der Linken vorab vermeldet und mit dem Hinweis veredelt, es handele sich um „Informationen des Spiegel“, hatte Dietmar Bartsch schon vor mehr als zwei Wochen im Neuen Deutschland erklärt: „Oskar Lafontaine hat 2005 intern gesagt, er stehe zunächst für eine Legislatur zur Verfügung, alle anderen Entscheidungen werden danach getroffen. Und er hat in kleiner Runde frühzeitig angekündigt, die Belastung – Fraktionschef an der Saar, Partei- und Fraktionschef in Berlin – so nicht fortführen zu wollen. Das wichtigste Parteiamt, den Vorsitz, will er behalten.“ Über Lafontaines Privatleben wurde in diesem Interview nichts gesagt.

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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