Sabrow und Schroeder: Streit über Brandenburger Enquete-Gutachten

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Die Brandenburger DDR-Enquete-Kommission kommt am Freitag zu ihrer siebenten Sitzung zusammen - und die könnte einen kontroversen Verlauf nehmen. Beginnen wird das von Landtag eingesetzte Gremium mit einem Papier des Historikers Klaus Schroeder zum Thema „Was konstituiert ein Geschichtsbild und wie verändert es sich?“. Im nächsten Tagesordnungspunkt geht es dann um ein Gutachten des Politologen Christian Thönelt. Das steht bereits in der Kritik, und auch dabei geht es am Rande um Schroeder.

Thönelt hat im Auftrag der Enquete, genauer gesagt auf Vorschlag unter anderem von Schroeder, wie es aus der Kommission heißt, ein Papier mit dem Titel „Die DDR als Gegenstand in Lehre, Forschung und politischer Bildung. Eine Analyse für das Land Brandenburg“ verfasst. Bisher war der Autor nicht besonders als Experte in Sachen Geschichtspolitik und Vergangenheitsbewältigung hervorgetreten. Aber er war, das sei hier erwähnt, längere Zeit Funktionär der Jungen Union. In seinem Gutachten geht es unter anderem um die Leistungen des Potsdamer Zentrums für Zeithistorische Forschung, einer der maßgeblichsten Forschungseinrichtungen zur DDR-Geschichte.

Dass der Direktor Martin Sabrow bereits öffentlich auf Thönelts Papier geantwortet hat, bevor dies der Allgemeinheit zugänglich geworden ist, mag zunächst etwas irritieren. Die teils scharfe Kritik hat aber ihren Grund - und der liegt nicht nur bei Thönelts Vereinfachungen, der sprachlichen Nachlässigkeit und methodischen Schwäche. Sondern in einer geschichtspolitischen Auseinandersetzung mit langer Tradition. Thönelts Gutachten, beklagt sich Sabrow, trage „Züge einer Stellvertreterauseinandersetzung um ‘gute‘ und ‘schlechte‘ DDR-Forschung, wie sie in polarisierender und fachlich wenig ergiebiger Weise seit den neunziger Jahren wiederholt vom Forschungsverbund SED-Staat an der Freien Universität Berlin angestrengt und auch gegen das ZZF gerichtet worden“ sei.

An eben jenem Forschungsverbund ist auch Schroeder tätig, der nun als zuständiger Gutachter des Themenschwerpunkts „Geschichtsbild und allgemeine Aufarbeitung“ in der Enquete-Kommission des Brandenburger Landtags an der Beauftragung Thönelts beteiligt gewesen sein soll - und von diesem prompt „als eigentlicher Referenzrahmen seiner Expertise angeführt“ wird, wie es Sabrow formuliert. Damit erwecke das Gutachten den falschen Eindruck, „dass die jüngere Zeitgeschichtsschreibung zur DDR sich bevorzugt mit den Spielarten der nach 1990 revitalisierten Totalitarismustheorie und den Aussagen Klaus Schroeders beschäftige bzw. sich an ihnen zu messen habe“. Sabrow nennt das „Engführung auf eine schon vor fünfzehn und zwanzig Jahren eher wissenschaftlich randständige Diskussion um das Erbe der ,alten DDR-Forschung‘ vor 1989“, eine zudem, die am heutigen Forschungsstand vorbeigehe.

Sabrow und Schroeder sind, was die DDR-Geschichtsschreibung und die politische Aufarbeitung angeht, alte wissenschaftliche Konkurrenten - und vielleicht auch mehr als das. Der Mann vom Forschungsverbund hat den Potsdamer Professor vor gar nicht allzu langer Zeit als „einer der profiliertesten linken Geschichtspolitiker“ bezeichnet, was nicht als Kompliment gemeint war. Sabrow habe vielmehr in einer Kritik „mit sinnentstellenden und irreführenden Interpretationen“ versucht, die Ergebnisse einer Untersuchung von Schroeder zu „banalisieren“ und damit zur „Verharmlosung des SED-Regimes“ beigetragen. Auch im Streit um die Schaffung eines „Geschichtsverbund zur Aufarbeitung des SED-Unrechts“ vor einigen Jahren standen sich Sabrow, nach dem die zuständige Kommission später oft genannt wurde, und Schroeder gegenüber. Wo der eine eine Akzentverschiebung weg von Stasi-Fokus und eher schon politisch-normativer Diktaturwarnung vorantrieb, sah der andere Verharmlosung und Weichzeichnung am Werke. Die Debatte kann in Auszügen hier und hier und hier nachgelesen werden.

Sabrow hatte, wie aus seiner Entgegnung hervorgeht, offenbar schon im Oktober vergangenen Jahres der Enquete seine Befürchtungen mitgeteilt, die Qualität des Gutachtens könnte sich am Ende als aus seiner Sicht unzureichend erweisen. Nun sieht sich der Historiker bestätigt: Das Papier bewege sich „in einem analytischen Rahmen, der der Verflochtenheit von politischer Herrschaft und sozialer Lebenswelt in der DDR nicht hinreichend gerecht wird“.

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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