Nachtreten und Nachgeschmack. Zur linken Diskussionskultur.

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"Kann Zuckermann arabisch?" hatte ich einen Beitrag überschrieben, in dem ich die ziemlich durchsichtige Kampagne der konkret-Redaktion gegen den israelischen Historiker und Philosophen Moshe Zuckermann darstellte. Der Anlass war ein Interview Zuckermanns mit Radio Dreyeckland gewesen.

In der neuen Ausgabe der konkret (4/11) wird ein Leserbrief von Zuckermanns Interviewpartner, Gerhard Hanloser, veröffentlicht, der inhaltlich ähnlich argumentiert wie ich: keine Auseinandersetzung mit Zuckermanns letztem Buch, dafür aber "selektive Zitiertechnik" , Verächtlichmachung durch Ironisierung von Zitaten, im Grunde eine "publizistische Hinrichtung". Die konkret-Redaktion antwortet auf diese Vorhaltungen. Und wie!

Fair und ein Zeichen linker Diskussionskultur wäre folgendes Verfahren gewesen: die Redaktion kommentiert und gibt - die technischen Mittel sind wahrlich vorhanden - dem Kritiker Gelegenheit zum Re-Kommentar. Dies wird dann veröffentlicht - ohne letztes Wort der Redaktion. Man könnte dies, wenn man möchte, einen herrschaftsfreien Diskurs nennen.

Die konkret-Redaktion ist wohl noch nicht so weit. Sie ernennt sich - auch noch mittels Zitat ihr juristisches Latinum aufweisend - zum Richter über den Leserbriefschreiber. Sie verkündet: "Ein einziger Beweis für die 'Zurichtung der Quellen" hätte nicht geschadet." Aber - es ergeht Gnade vor Recht: Hanloser konnte dies ja auch nicht beweisen. Er "umfährt" vielmehr das unter anderem inkriminierte Zitat (was heute in Israel geschehe, "stehe ...in nichts dem nach, was in Deutschland 1933 gang und gäbe gewesen ist"). Die konkret-Jour(nal)isten wissen, dass eine Zitateninterpretation (unter Bezug auf den sprachlichen Kontext, es ging an der Stelle um die antideutschen "Anti-Antisemiten") in einem Leserbrief nicht möglich ist - und nehmen die Gelegenheit am Schopfe.

Und wenn deutsche Richter einmal im Schwunge sind: Hanloser sei doch nur ein "Alternativjournalist" und könne als solcher auch nicht den Unterschied ahnen, "zwischen einem Verbrechen, das begangen wird, und einer Katastrophe, die geschieht und als die Zuckermann Auschwitz relativiert." Die konkret-Redaktion weiß nicht , ahnt wohl nicht, dass der Begriff "weltgeschichtliche Katastrophe", den Zuckermann benutzt ("weltgeschichtlich" lassen wir einfach weg, gell?) in der Tat ein gängiger Begriff der Kritischen Theorie ist, um den Holocaust zu bezeichnen, wohl wissend, dass kein Begriff das Grauen fassen kann. Peinlich, peinlich für konkret. Es ist wohl so, wie Gremliza in seiner übrigens ganz ausgezeichneten Kolumne des neuen Hefts schreibt: "Die Bourgeoisie ist eine bildungsferne Schicht." Auch ihre linke Fraktion?

Es gibt jedoch auch lesenswerte Texte in der neuen konkret. Und einen flyer des Freitag gratis.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
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