Was ist los mit Lars von Trier?

Kunstfilmer Im Herbst startet der neue Film des großen dänischen Regisseurs. Den Trailer zu "Antichrist" kann man sich jetzt schon anschauen - er gibt einige Rätsel auf...

Zugegebenermaßen kann Lars von Trier ein schwieriger und nerviger Typ sein, vielleicht macht dies sogar viel von seiner Anziehungskraft aus. Er hat großartige (Idioten, Dogville) und auch schlechte Filme gemacht (Dancer in the Dark) - aber er hat bislang noch nie einen langweiligen 0815-Genrefilm vorgelegt. Ich bete zu Gott, dass er sich hierin treu geblieben ist!

Die Zeichen in Bezug auf Antichrist, der im Oktober in die deutschen Kinos kommen wird, geben keinen Anlass zur Hoffnung. Das fängt an bie Triers merkwürdig uninspirierter Beschreibung des Films als „psychologischem Thriller, der sich zu einem Horrorfilm entwickelt“. Diese Haltung setzt sich im Werbetext fort: „Ein trauerndes Paar zieht sich nach „Eden“, in eine Hütte im Wald zurück. Sie hoffen, dort ihre gebrochenen Herzen und ihre gestörte Ehe heilen zu können. Aber die Natur geht ihren Gang und die Dinge entwickeln sich vom Schlechten zum Schlimmsten ...“

Schließlich gibt es da diesen Trailer. Man sieht die obligatorische warmherzige Heldin und die pastorale ländliche Umgebung und hört das pochende, unheilverkündende Raunen im Hintergrund. Dann flatternde Krähen, wildes Heulen, umherkriechendes Ungeziefer und das unvermeidliche „Ich hätte nicht hierher kommen sollen“, geflüstert von unserer mittlerweile verängstigten Heldin. Die Botschaft ist schlicht. Wenn Ihnen The Haunting in Conneticut gefallen hat, können Sie diesem Streifen vielleicht auch etwas abgewinnen.


Gibt es denn wirklich keine Hoffnung? Ist die Sache wirklich so eindeutig? Nein, das ist sie nicht. Denken Sie daran, dass es sich hier um einen Trailer handelt und dass Trailer Werbung sind. Im besten Falle sind sie Verführer, im schlimmsten Falle Lügner. Ich plädiere für: Im Zweifel für den Angeklagten. Der Antichrist ist bestimmt kein Hollywood-Horrorstreifen, sondern ein teuflischer situationistischer Spaß, eine Dekonstruktion des Film-Trailers, ein Flunkern über die Kunst des Flunkerns.

Rätsel über Rätsel

Daraus folgt, dass Antichrist nicht einfach eine Kopie von The Haunting in Conneticut sein kann wie das Remake von Wicker Man, sondern ein echter Lars van Trier-Klassiker, der möglicherweise auf einer leeren Tonbühne gedreht wurde, in dem viel gesungen wird, in dem gesunde Schauspieler so tun, als seien sie behindert und in dem echter Sex zu sehen ist. Das wird großartig.

Das war’s also von mir zum neuen von Trier-Trailer – klingt doch hieb- und stichfest, oder doch nicht? Könnte doch das Schlimmste eingetreten und Antichrist genau so sein, wie das Promo-Video uns glauben machen will? Oder noch schlimmer: Könnte unsere Verehrung für Lars von Trier uns dazu bringen, dass wir bei ihm schon mal ein Auge zudrücken und versteckte Tiefgründigkeit und bissige Hintergedanken suchen, wo keine sind?

Man weiß es nicht. Und genau hierfür mache ich von Trier verantwortlich, diesen höllischen Scherzbold, diesen heimtückischen Possenreißer. Unsere Beziehung hat einen Punkt erreicht, an dem ich nicht mehr sagen kann, ob er mich auf den Arm nimmt oder nicht.

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Übersetzung: Zilla Hofman / Holger Hutt
Geschrieben von

Xan Brooks, Guradian | The Guardian

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