Durch alle Höllen

Crime Watch No. 149 Endlich erscheint der Spionagethriller "Siro" auf Deutsch. Journalist und Autor David Ignatius darf man in eine Reihe mit den großen Vier des Genres stellen

Vielleicht erinnert man sich bei dem Namen David Ignatius an den Moderator beim Weltwirtschaftsforum 2009 in Davos, der zwischen die Fronten der hitzigen Diskussion zwischen Shimon Peres und Recep Tayyip Erdoğan geriet und dann feststellte, dass es in diesem Streit keine „mittlere Position“ geben könne.

Mittlere Positionen sind vermutlich auch gar nicht David Ignatius’ Ding, weil er neben seinem Job bei der Washington Post eine Reihe exzellenter Spionageromane verfasst hat, die immer ein wenig im Schatten der Großen Vier (Eric Ambler, John LeCarré, Ross Thomas und Robert Littell) standen.

Nachdem Ridley Scott aus Ignatius’ Der Mann, der niemals lebte">Body Lies (Der Mann, der niemals lebte) ­einen klugen und eleganten Film gemacht hatte, und bevor ein ganz neuer Roman von Ignatius im nächsten Frühjahr auf Deutsch erscheinen wird, kommt in der Zwischenzeit endlich Siro heraus – unter dem deutschen Titel: Das Netzwerk">Das Netzwerk.

Obwohl das Buch von 1991 stammt, als die Welt noch ein bisschen anders, wenn auch nicht unbedingt schöner aussah, und gar in den Jahren 1979 ff. spielt, als die Welt auch noch anders und auch damals schon nicht schöner war, kann man bei der Lektüre sehr gut die Qualitäten und Themen, vor allem aber die Denkweise von Ignatius erkennen.

Illegale Operation

1979 war das Image der USA auf einem Tiefpunkt, in Teheran nahm das neue Regime die US-Botschaft in Geiselhaft, ein Befreiungsversuch scheiterte kläglich, Jimmy Carter galt als schwächlicher Präsident, der zuließ, dass die USA vorgeführt wurden, wie dies die Falken in der CIA sahen und sich von unpatriotischen Weicheiern und Liberalen bei ihren Kalter-Kriegs-Spielen gegen die Sowjets behindert fühlten. Die wiederum waren gerade wegen diverser nationaler Impulse in ihrem kommunistischen Vielvölkerreich nervös und schickten sich an, in Afghanistan einzufallen.

Vor diesem Hintergrund erzählt ­Ignatius in seinem Roman von einer illegalen Operation der CIA in Zentralasien, die zwar die politische Zustimmung ­obskurer Strippenzieher im Weißen Haus hat, aber nicht die des Kongresses, geschweige denn der Chefebene des Geheimdienstes. Also zieht Edward Stone, ein Cold-War-Veteran, noch einmal alle Register seines Könnens: Täuschung, Betrug und kaltschnäuzige Intrige – kurzum, eine Haltung, die sich um Menschenleben nicht schert. Weil die CIA ihm keine offizielle Großoperation genehmigt, simuliert er für die Sowjets eine großturkestanisch-muslimische Autonomie­­bewegung von Kasachstan über Usbekistan bis Armenien. Also den traditionellen Achillesfersen des Imperiums UdSSR.

Bizarre Rekrutierung

Wie Ignatius das Stone machen lässt, ist byzantinisch abgebrüht, wie er seine Figuren – eine junge, idealistische Agentin und ein Geheimdienst-Hallodri – durch die Höllen der von ihnen selbst aufgebauten Fallen hetzt, das ist grandios erzählt. Manchmal fast behäbig, aber stets genau, dann wieder sehr komisch und bizarr, dann wieder lakonisch und verblüffend.

Klar ist: Gute und Böse gibt es nicht, und die Figuren sind, so wie sie agieren, bewaffnet mit einer glasklaren Weltsicht, erheblichem Witz, wenig bis keiner Moral und, im Falle von Edward Stone, von einem eisigen Machiavellismus. So werden wir Zeuge eines bizarren Rekrutierungsgesprächs mit Beinahevergewaltigung und anschließendem Knockout, erfreuen uns an sehr klugen Überlegungen zum Status von Frauen in Geheimdiensten, und staunen über den Wahnsinn an Bürokratie und Inkompetenz in allen Lebenslagen.

David Ignatius ist ein Autor, der der Welt mit allen Mitteln erzählerisch auf den Pelz rückt, nur nicht von einer Position der Mitte aus.

Das Netzwerk (Siro, 1991)David Ignatius, Roman. Deutsch von Tanja Handels und Thomas Merk. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2009, 668 S., 9,95

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