Hat sich eigentlich schon einmal jemand darüber erregt, dass Giovanni di Lorenzo die Talkshow 3 nach 9 moderiert? Schließlich könnte man von dem Autor des Buches Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt durchaus erwarten, dass er nun ein Lob aufs Nikotin singt. Oder hat sich schon einmal einer nachher darüber irritiert gezeigt, dass kein einziges Mal vom Qualmen die Rede war?
Nein? Schon komisch. Oder eben nicht, denn zum Glück gibt es ja den weiblichen Sex, vor dem es die deutsche Seele sichtlich mehr gruselt als vorm Rauchen. Den verschwieg Charlotte Roche allerdings dreist, als sie am vergangenen Freitag neben di Lorenzo ihren Moderatorenjob bei der Radio-Bremen-Talkshow 3 nach 9 antrat. Welche Enttäuschung: Brav und bieder sei sie gewesen, wunderten – nein: beschwerten sich zahlreiche Kritiken nach der Sendung. Dazu kann man nicht viel mehr sagen außer vielleicht diesen Nietzsche-Satz: „Wenn jemand ein Ding hinter einem Busche versteckt, es ebendort wieder sucht und auch findet, so ist an diesem Suchen und Finden nicht viel zu rühmen.“ Was gleichermaßen fürs Nicht-Finden gilt.
Menschelnder People-Talker
Viel zu rühmen ist an Giovanni di Lorenzo demnach ebenfalls nicht. Seine neue Talkshow-Partnerin – die dritte in seinen nunmehr 20 Jahren bei 3 nach 9 – ist knapp vier Jahre jünger als die Sendung, 20 Jahre jünger als ihre Vorgängerin Amelie Fried und als di Lorenzo, den sie – und das bleibt bei solcher Konstellation nicht aus – tatsächlich ein wenig alt aussehen lässt. Während Roche andere zum Reden bringt, indem sie erst einmal sich selbst bloß stellt, kommt di Lorenzo übers Finden des zuvor hinterm Busch Versteckten kaum hinaus.
So dass die Gäste der Talkshow im Grunde nur die Inhalte der Vorgespräche zu wiederholen haben, um ihn zufrieden zu stellen. Und wo sie auf seine Andeutungen hin – „Schafft man dieses Aussehen ohne jede Hilfe von außen?“ – nicht von selbst zu plaudern beginnen, scheut di Lorenzo auch die Direktheit nicht. „Sie sind unoperiert?“, fragt er Peter Kraus dann und reibt sich das Kinn mit Daumen und Zeigefinger. Wen interessiert denn so was?
Diese diskrete Lust an der Indiskretion ist das genaue Gegenteil der Methode Roche, die allen nur nicht sich selbst gegenüber rhetorisch stets taktvoll distanziert blieb – während di Lorenzo dem Kerner bald mehr ähnelte als sich selbst.