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Kultur : Leidenschaft und Erkenntnis

Ein Gläubiger an die gesellschaftsverändernde Kraft der Kritik: Zum Tode des Literaturwissenschaftlers und Freitag-Autors Alexander von Bormann (1936-2009)

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Wer in den Literatursendungen des Deutschlandfunks mit ihm über zeitgenössische Lyrik streiten durfte, der konnte sich ein Vorbild nehmen an seiner dezenten Noblesse, mit der er die Stärken und Vorzüge selbst fragwürdiger Dichtungen zu preisen verstand. An hermeneutischem Feinsinn konnten es nur wenige Kollegen mit ihm aufnehmen.

Alexander von Bormann, 1936 auf dem Gut Menzlin in Vorpommern geboren, war ein Philologe, der an die gesellschaftsverändernde Kraft der Literatur glaubte, ohne sich in die kulturrevolutionären Illusionen der 68er zu verrennen.
Von 1971 bis zu seiner Emeritierung 2006 hatte er seine Professur für Neuere deutsche Literatur an der Universität Amsterdam sehr offensiv interpretiert. Während sich viele seiner Kollegen auf ihren Lehrstühlen ausruhten, hatte von Bormann in Amsterdam eine Art Außenposten für junge deutsche Schriftsteller eingerichtet.
Die von ihm eingerichtete Stipendiatenwohnung wurde in den späten 1980er Jahren für viele junge DDR-Autoren zu einer bedeutenden Plattform für Ost-West-Begegnungen. Nicht wenige Lyriker verdanken ihren Amsterdamer Aufenthalten ihre besten Gedichte (so entstand dort beispielsweise Thomas Rosenlöchers berühmtes Gedicht Die Neonikone).
Sehr früh hatte der Abkömmling einer alten baltendeutschen Familie seine Passion für die politische Lyrik seiner Zeit entdeckt, ohne ihre subversiven Impulse verabsolutieren zu wollen. Seine Leidenschaft für das Politische ging einher mit einer lebenslangen Faszination für die Romantik Eichendorffs.
Mit germanistischen Pflichtübungen hat sich von Bormann indes nie begnügt. Als Rezensent in deutschen Tageszeitungen, gelegentlich auch im Freitag, intervenierte er in die literarischen Debatten, wobei er deutlich seinen Ärger die Entpolitisierung bedeutender Autoren markierte.
Im Alter von 73 Jahren ist Alexander von Bormann vergangene Woche in Worpswede gestorben. Wer von seiner selbstlosen Freundschaft profitiert hat, weiß um die Schwere dieses Verlusts.

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