Sabotage

Film Rechte Nichtcineasten mögen Quentin Tarantinos Film "Inglorious Basterds" nicht. Sie drohten damit, ein Kino in Hoyerswerda in die Luft zu jagen. Der Film wurde abgesetzt

Über Quentin Tarantinos Film Inglourious Basterds ist bereits viel und auch hier (Freitag vom 20. und 27. August 2009) geschrieben wurden, da erreicht uns über npd-blog.info – ein Portal, das sich kritisch mit der Partei und ihrem Umfeld befasst – die Nachricht, dass der Film vier Tage nach dem Start in Hoyerswerda abgesetzt worden ist. Der Grund scheint klar (Bombendrohung) und bleibt zugleich diffus: Der örtliche Kinobetreiber verweist genervt an die Hamburger Zentrale der K-Motion Kinobetriebe, in der auskunftsfähige Mitarbeiter allerdings nur sehr schwer zu erreichen sind, wie eine Dame am Telefon beruhigend beteuert.

Nun, könnte man sagen, eigentlich sind alle möglichen Gründe gegenüber einem regionalen Anzeigenblatt auch schon genannt worden: Also nicht nur die Bombendrohung, die in dem besagten Bericht ein Polizeibeamter bestätigt, sondern auch mangelndes Interesse der Zuschauer sowie eine fehlerhafte Kopie. Oh, Wunder, was hier alles zusammenkommt. „Technische Probleme“ sind natürlich in jedem Fall die schönste Erklärung.

Gegen das angebliche Desinteresse des Publikums wäre einzuwenden, dass Inglourious Basterds, den mittlerweile 1,7 Millionen Besucher in Deutschland gesehen haben, auch einen Monat nach der Absetzung in Hoyerswerda (39.000 Einwohner) im kleineren Spremberg (25.000 Einwohner/23 Kilometer entfernt) und im gleichgroßen, benachbarten Bautzen (41.000 Einwohner) noch immer läuft. Für die Bombendrohung dagegen spricht ein Aufruf, der sich im Internet findet auf der Seite der so genannten Gesellschaft für freie Publizistik des einstigen NPD-Funktionärs Andreas Molau. Darin wurde in einer Dikti0n, die an die Parolen des NS-Propagandaministeriums im Frühjahr 1945 erinnert, gefordert, dass der Start des Films „mit allen Mitteln und auf allen Ebenen sabotiert werden“ solle.

In Hoyerswerda zumindest ist das mit etwas Verspätung gelungen – selbst wenn man sich aus dem bunten Strauß der Erklärungen des Kinobetreibers eine andere aussuchte. Der Fall wirft so oder so kein gutes Licht auf die Kultur in einer Stadt, deren Name seit 1991 mit xenophoben Krawallen verbunden ist.

Darüber hinaus ist interessant, dass Inglourious Basterds der rechten Rezeption offenbar Rätsel aufgegeben hat. Das überrascht, insofern der deutsche Zuschauer eher befürchten musste, dass Tarantinos trashiger Witz auf die (Film)Geschichte hierzulande auch oder gerade selbst dem Neonazi Freude machen könnte. Mit Christoph Waltzens SS-Mann Landa tritt in einem Hollywood-Film mal ein Nazi in Erscheinung, der kultiviert ist und nicht immer nur rumschreit. Die „Basterds“ genannten Nazi-Jäger erscheinen dagegen als ziemlich schlichte Typen (Til Schweiger!), die bei ihrer Mission mehr Glück als Verstand haben. Und außerdem ist das Attentat auf Hitler und seine Entourage nur Fiktion; die Wirklichkeit war unendlich grausamer und trauriger.

Claus M. Wolfschlag aber, der den Film für die neurechte Wochenzeitung Junge Freiheit besprochen hat, schwadroniert über die „bundesdeutsche Seelenverfassung“, maßt historische Genauigkeit an und ist beleidigt, dass in deutschen Kinos nicht das coole Abschlachten irgendeiner anderen „Volksgruppe“ gezeigt werden könne (womit es historisch doch recht ungenau wird). Immerhin: Man kann bei Wolfschlags Gejammere lächerlich finden, was in Hoyerswerda bedrohlich wirkt: Rechte, neue wie alte, verstehen keinen Spaß.


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