Es gibt Dinge, die man eigentlich nicht wissen will, weil sie einem die richtige Stimmung verhageln. Zum Beispiel, dass Jared Followill mit 15 Jahren – obwohl er längst in einer Band war – Bass gelernt hat, indem er die Bassläufe von Is This It nachgespielt hat. Seine Band sind die Kings Of Leon, eine grässlich langweilige, aber natürlich enorm erfolgreiche Stadionrock-Band, die man also auch den Strokes vorwerfen muss. „Is This It“, deren Debütalbum, erschien vor genau zehn Jahren – zwischen Ende Juli und Ende August 2001 – in Europa. (Der Verzicht auf das eigentlich nötige Fragezeichen am Ende geschah übrigens aus rein ästhetischen Erwägungen; es sah einfach nicht gut aus auf dem Cover.) Heute gilt es als e
ilt es als eines der wichtigsten Alben der vergangenen Dekade. Und es ist vielleicht das letzte Album der Popmusik, das man als „trendsetzend für eine Ära“ bezeichnen kann. Übedies so ziemlich das erste, das zur ihrer Entwicklung praktisch nichts wirklich Neues beizusteuern hatte.2001: Es ist nicht wirklich ein spannendes musikalisches Jahr, es ist der Zeitpunkt, an dem die dominierenden Trends auslaufen. Die Technohouse-Kultur ist gerade so richtig im Mainstream angekommen und muss sich erstmal neu orientieren. Drum Bass hatte sich entgegen aller Prognosen des vrangegangenen halben Jahrzehnts nicht zum Megaseller entwickelt und geht den Weg zurück in den Underground, wo irgendwann die noch weniger massenkompatiblen Grime und Garage den Staffelstab übernehmen. Die besten Zeiten des Hip-Hop sind gerade vorbei und die Superproduzenten des Genres befinden sich noch in der Konsolidierungsphase, bevor sie den Sound des folgenden Jahrzehnts bestimmen können. Noch schlimmer geht es nur dem Gitarrenrock, der nach dem Grunge-Kater gerade mit NuMetal das historische Tief seiner Entwicklung durchgemacht hat und mehr denn je als Musik für Dorfdödel gilt. Auch die Musikindustrie selbst sieht die Götterdämmerung heraufziehen, soeben hatte sie mit der Tauschbörse Napster einen ersten Vorgeschmack auf die Internet-basierte Zukunft bekommen.The Strokes sind vom Start weg alles andere als irgendeine hergelaufene Rockband. Sänger Julian Casablancas ist der Sohn des Chefs einer Model-Agentur der internationalen Liga, Gitarrist Albert Hammond Jr. der Sohn von Albert Hammond Sr., einem Sonderling und Songschreiber etlicher Welthits vergangener Jahrzehnte. Sie kommen nicht aus der Gosse, zählen nicht zu den Perspektivlosen sondern ganz selbstverständlich zu den besseren Kreisen, haben eine solide Bildung und machen trotzdem Rock’n’Roll. Und zwar einen, den man auch so nennen kann.2001 ist das eine Sensation. Die Typen da vorn auf der Bühne scheren sich nicht wirklich um ihr Publikum, spielen ihre paar Songs in ein paar Minuten arschcool und schnodderig runter und werden „entdeckt“. Die erste England-Tour ist ratzfatz ausverkauft und das zügig nachgeschobene Album – eben Is This It läutet das nächste, also das dritte oder vierte Gitarrenrevival ein, seit HipHop und Dancefloor im Massengeschmack mitmischen. Sehr viele junge Musiker sehen das als Inspiration. Verbürgt sind zum Beispiel The Libertines und Arctic Monkeys, die wiederum selbst Heerscharen von Nachfolgern heraufbeschwören.Von Historizität angetriebene BewegungIs This It ist eigentlich kein besonders überraschendes oder gar erhellendes Album. Es bietet keine musikalische Innovation oder Revolution, begründet keine neue Genreschublade. Es greift einfach Einiges von dem auf, was auch schon vorher in der Rockmusik funktioniert hat. Aber es trifft einen Nerv und wird das Album, das mehr als jedes andere die Ära der Restauration in der Popmusik einleitet. Es ist das Leitalbum für die seitdem anhaltende Wiederherstellung von Popmusik mit den alten Mitteln, für die einzig von Historizität angetriebene Bewegung im immer enger werdenden Kreis der Revival-Zyklen. Ausbrüche gelingen derzeit nur Mikroszenen, deren Entwicklungen vor allem im elektronischen Bereich von Mehrheiten kaum noch wahrgenommen werden.Ins nahezu Ausweglose verschärft wird diese Situation durch die immer schlechteren Rahmenbedingungen für die Entstehung eines neuen „Konsens“-Trends. Denn diese letzte Dekade war vor allem auch durch die Überschwemmung mit Musik aller Couleur und Qualität per weltweiter kostenloser Verfügbarkeit geprägt, die das Potenzial an vorhandener Aufmerksamkeit gnadenlos überschreitet. Die Halbwertzeit in der sich eine Band als „Star“ etablieren kann ist dabei drastisch gesunken. Das haben nicht zuletzt auch die Strokes selbst erfahren, die nach zwei bei Weitem nicht so durchschlagenden Alben ein fünfjährige Pause einlegten und sich im Frühjahr dieses Jahres mit einem seltsam fahrig klingenden Album zurückmeldeten, das auf praktisch alle Tugenden des Debüts verzichtete. Es ist – wie so oft – ein Comeback, dessen es nicht bedurft hätte. Vor allem nicht, wenn man vor zehn Jahren ein „Is This It“ abgeliefert hat.