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Kultur : Schweigen ist Silber

Michel Hazanavicius erzählt in "The Artist" vom Durchbruch des Tonfilms mit den ästhetischen Mitteln seines Vorgängers

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Einerseits muss es nicht verwundern, dass dieser Film aus Frankreich stammt. Schließlich rühmt man sich dort, das Kino und die Cinéphilie erfunden zu haben. Andererseits darf man durchaus überrascht sein, dass ausgerechnet diese Kinematografie heutzutage einen Stummfilm hervorbringt. Immerhin scheint die vorherrschende Handlung im französischen Kino das Sprechen zu sein.

Diese Genügsamkeit, die wesentlichen Aussagen dem Dialog anzuvertrauen, beklagte schon François Truffaut, der gern vom „großen Geheimnis“ schwärmte, das jene Regisseure noch kannten, die in der Stummfilmzeit begonnen hatten. Die verlorene Beredsamkeit des rein visuellen Erzählens lässt Michel Hazanavicius nun in The Artist beschwingt wieder aufleben. Handlung und Erzählgestus blenden zurück in jene Epoche, als sich das Filmgeschäft in einem ebenso radikalen Umbruch befand, wie ihn heute die Digitalisierung darstellt. Der schneidige wie selbstgefällige Stummfilmstar George Valentine (Jean Dujardin) verschließt im Hollywood des Jahres 1927 die Augen vor dem unwiderruflichen Wandel, den das Aufkommen des Tonfilms für die Industrie und seine Karriere bedeutet. Sein tragischer Niedergang vollzieht sich parallel zum Aufstieg der hoffnungsvollen Statistin Peppy Miller (Bérénice Bejo), die im Sprechfilm rasant Karriere macht.

Nicht von ungefähr folgt die Geschichte dem Modell von A Star is born, einem Stoff, den Hollywood seit Beginn der Tonfilmära gleich mehrfach verfilmte, um sich auszusöhnen mit dem brutalen Aderlass, der das Ende des stummen Kinos bedeutete. Es besitzt eine hübsche Ironie, wenn Hazanavicius vom Durchbruch einer neuen Ästhetik mit den Mitteln der alten erzählt, die fortan überholt anmutete.

Seine Spezialität ist das Pasticchio, die Lehnprägung. Hazanavicius’ bisherige Regiekarriere erzählt vom Glück der Zweigleisigkeit. Er dreht Genre-Parodien, die sich zugleich als Hommagen verstehen und so die cinephile Kritik und das Publikum gleichermaßen erfreuen. Seine Filme vereinen Retro-Charme und smarte Gegenwärtigkeit; besonders beim ersten Teil seiner OSS 117-Serie hat sich dieses duale System bewährt. Raffiniert ahmt The Artist die Stilmittel des Stummfilms nach: Irisblenden, Doppelbelichtungen, verkantete Einstellungen und natürlich Zwischentitel. Für Hazanavicius verliert diese Ästhetik freilich nie ihre Exotik. Ostentativ führt er eingangs vor, was ihr fehlte. The Artist ist ein falscher Stummfilm: einer, der zum Ton drängt. Für ihn ist das Schweigen letztlich doch nur Silber.

Dennoch macht er den Zuschauer bald zum vergnügten Komplizen dieser veralteten Filmsprache. Die Inszenierung setzt sie ins Recht: in wehmütigen Kabinettstücken der visuellen Pointierung, der Pantomime. George einen pfiffigen Terrier als treuen Gefährten an die Seite zu stellen, ist ein prächtiger Einfall. Der Film will verzaubern und weiß genau, wie man das anstellt.

Seit seinem Überraschungserfolg in Cannes wird The Artist freilich von diversen Filmakademien und der anglo-amerikanischen Kritik ein wenig zu hoch gehandelt. Er ist sich seines eigenen Charmes eine Spur zu gewiss, schmeichelt einem Publikum, das entzückt sein darf angesichts der eigenen Großzügigkeit, seine Vorbehalte für dieses eine Mal zu überwinden. Das gelingt nicht immer: Aus England war zu hören, dass Kinogänger in Liverpool ihr Eintrittsgeld zurückverlangten, weil der Film schwarz-weiß, stumm und nicht auf Breitwand war.

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