Die Normalität des Queeren

Filmfestival Das internationale Frauenfilmfestival in Köln/Dortmund hat noch immer mit der geringen Anzahl männlicher Besucher zu kämpfen

Das Internationale Frauenfilmfestival, das im jährlichen Wechsel in Köln und Dortmund stattfindet, ist das größte seiner Art weltweit. Nach wie vor haben Filmemacherinnen es schwerer als ihre männlichen Kollegen, ein großes Budget für eine Produktion einzuwerben. Deshalb wird von einem Frauenfilmfestival weniger Kommerzielles als Experimentelles erwartet. Aber woran liegt es, dass auch das diesjährige Publikum in Köln zu 95 Prozent weiblich war?

Das Festival hat seine ursprünglich feministische Ausrichtung lange verbreitert, es geht um die Verteidigung eines Rechts auf Differenz. Frauen aller Kontinente befassen sich heute mit Queer- und Transgenderthemen, die Männer auch interessieren könnten. In Köln sah es allerdings so aus, dass die Bekämpfung sozial konstruierter Ausgrenzungsnormen ein stark weibliches Anliegen ist, selbst wenn es sich um Verständnis für den Wunsch dreht, ein richtiger Mann zu werden.

In Sarah Brömmels Film Was mann ist erzählen vier als Frauen geborene Menschen von ihrem langen Weg, über Coming-out, Therapie, Hormonbehandlung, operative Geschlechtsumwandlung und vom großen Glück, in der Öffentlichkeit zum ersten Mal als Mann wahrgenommen zu werden. Zwei der Protagonisten haben sich gegenseitig auf diesem Weg unterstützt und sind dabei ein Paar geworden, womit sie nicht dem Klischee von Transsexualität entsprechen.

Hohe Liebesphilosophie

Die offensichtlich unhintergehbare Macht des Verlangens, den falschen Körper gegen den richtigen auszutauschen, zeigt der in Florenz spielende Film Corpo giusto von Jennifer Norton. Die hingebungs- und verständnisvolle Liebe der Lesbe Grazia macht ihre Freundin Antonia nicht glücklich, weil sie sich selbst nicht lieben kann. Erst als Grazia das zu verstehen beginnt und sich mit der Perspektive einer Geschlechtsumwandlung Antonias auseinandersetzt, hat diese eine Chance, ihre Depression zu überwinden.

Transsexuelle brauchen nicht nur die Liebe eines Partners auf dem Weg ins andere Geschlecht, sondern auch die Akzeptanz des sozialen Umfelds. Derer ist sich der 13-jährige Holländer Joppe sicher, den Susan Koenen in dem Dokumentarfilm Ik Ben een Meijsje! (Foto) vorstellt. Joppe darf sich nicht nur als Mädchen kleiden, sondern ist als solches von seinen Mitschülerinnen anerkannt, die sich mit ihm zusammen im Schminken üben, duschen und ihm Tipps für ein Rendezvous mit einem Jungen geben, in den er verliebt ist. Souverän erzählt der Teenager von seiner Hormonbehandlung, die verhindern soll, dass er in die männliche Pubertät kommt. Joppe will einen Mann heiraten, wird aber unfruchtbar sein. Er stellt sich vor, Kinder über eine Leihmutter zu bekommen.

Hohe Liebesphilosophie und besten Unterhaltungswert vereinigt der Spielfilm All about love der Hongkong-Chinesin Ann Hui: Macy und Anita, zwei Lesben, die sich 15 Jahre aus den Augen verloren hatten, begegnen und verlieben sich erneut, als sie beide zufällig schwanger geworden sind. Ihre Jobs sind unsicher und doch entscheiden sie sich gegen Abtreibung, weil „die biologische Uhr tickt“ und weil zwei lesbische Freundinnen, die zunächst fundamentalistisch gegen die Hetero-Abweichungen gewettert hatten, sich zu Paten der Kinder wandeln. Da auch die zunächst nicht sehr geliebten Erzeuger hartnäckig auf ihre Vaterschaft pochen, haben die ­Babys schließlich vier Mütter und zwei Väter. Macys Fazit: Inklusion statt Exklusion. Nach dieser Zauberformel kann die Welt gerettet werden.

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