Architekt im Dazwischen

Nachruf Der Architekt Matthias Rick ist gestorben. Sein Büro Raumlabor versuchte, die Ruinen der Moderne mit den Bedürfnissen der Menschen fantasievoll zu versöhnen

"Wenn ein Mensch kurze Zeit lebt/sagt die Welt, dass er zu früh geht", heißt es in einem Song der Puhdys. Hierhin passt das Lied nicht nur, weil Matthias Rick in der Mitte seines Lebens gestorben ist, sondern vor allem durch den Film, der es populär gemacht hat: Wenn ein Mensch lebt ist die eingängige Melodie zu Die Legende von Paul und Paula von 1973.

Denn neben vielem, wovon Heiner Carows Verfilmung des Buchs Legende vom Glück ohne Ende von Ulrich Plenzdorf handelt, geht es in diesem Film auch darum, wie Architektur und Stadtplanung das gelingende Leben bedingen. In Carows Ostberlin steht der verfallende Altbau, in dem Paula wohnt, gegen den wuchtigen Neubau, aus dem Funktionär Paul kommt. Die Opposition verdankte sich den spezifischen ökonomischen Bedingungen der DDR: dass man die Schwierigkeit, den Erhalt der Altbauten und damit einer gewachseneren, kleinteiligeren Struktur zu finanzieren, mit den Fortschrittsversprechen der Moderne überging, die in großen Plänen entworfen wird.

Dieses Erbe war der Ausgangspunkt für das Schaffen Matthias Ricks. Geboren im westfälischen Versmold, kam er 1988 zum Studium der Architektur an der TU nach Berlin – in ein Danach und ein Davor. Die Hoffnungen einer generalplanmäßigen Moderne waren abgekühlt, und die Tristesse der brachliegenden Altbauten wusste noch nichts von der kommenden Totalsanierung. Rick und seinen Kollegen wie Benjamin Foerster-Baldenius – die sich zuerst in der Gruppe Dadathomyziel, ab 2002 zu dem Büro Raumlabor zusammentaten – ging es in der historischen Situation um die Ausweitung des Kindergeburtstags in die Planstädte, um die Versöhnung von Pauls Neubaurealität mit den Wohngefühlen von Paula.

Glaube an Machbarkeit

2003 gehörte Rick zur Leitungsmannschaft von Hotel Neustadt, das in Halles Planstadt – ähnlich wie die Eichbaumoper 2008 im Ruhrgebiet – einen Sommer lang eine Zukunft imaginierte, die ökonomisch längst woanders war. Den Leerstand der Plattenbauten füllten Rick und seine Kollegen mit kleinteiligen, performativen und installativen Vorschlägen für ein freundlicheres Leben. Dabei wurde den Ruinen der Großentwürfe nicht deren Scheitern vorgeworfen, man bespielte sie vielmehr im Glauben an Machbarkeit (und nicht an Verwertung) – der fantasievollen Möglichkeit einer selbst gebastelten Utopie nach den Utopien.

Solchen Geist hat vielleicht keine der Arbeiten schöner gezeigt als die Flutung des entkernten Palasts der Republik 2004: Wasserstadt hieß der Parcours, durch den man sich auf Schlauchbooten bewegte. Und der die Verlängerung der Idee war, 1999 ein Sommerbad vor dem eigenen, kollektiv bewohnten Haus in der Lychener Straße 60 in Prenzlauer Berg zu eröffnen. Mit Sand, Kiosk und – sehr kleinem – Pool. Heute erfüllt Investorenarchitektur solche Träume solventen Kunden.

Die Bedeutung von Architekten addiert sich zumeist aus der Liste ihrer Großbauten. Zu Matthias Ricks Arbeiten gehört ein aufblasbares, mobiles Küchenmonument (2006), das auch unter Hochstraßen Gemeinschaftsabende möglich macht. Das mag unbedeutend wirken, weiß von der Rolle der Architektur im Zeitalter des Mangels aber mehr als jedes Star-Architekten-Projekt im Geiste des Standortmarketings.

Am 28. April ist Matthias Rick im Alter von 46 Jahren gestorben. Die ihn kannten, erinnern sich an einen freundlichen Menschen.

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Geschrieben von

Matthias Dell

Filmverantwortlicher

Matthias Dell

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