Kim Jong Il ohne Medaillenchance

KOMMENTAR Verleihung des Friedensnobelpreises für Kim Dae Jung

Sämtliche Tiefen und Höhen hat dieser Mann, für den Macht eine Obsession ist, durchlebt und selbst vor abstrusen politischen Windungen und Wendungen ist er nicht zurückgeschreckt, sofern diese seinen Ehrgeiz stillten. Südkorea Präsident ist der Prototyp eines politischen Chamäleons: Bauernsohn, Underdog aus der von traditionellen Ostküsten-Politikern abschätzig behandelten Provinz Süd-Cholla im Südwesten des Landes, Parlamentsabgeordneter, streitbarer Demokrat, von der Militärjunta geächteter und zum Tode verurteilter Oppositioneller, langjähriger politischer Häftling, mehrfach gescheiterter Präsidentschaftskandidat, Elder Statesman. Nun erhält er am 10. Dezember den Friedensnobelpreis.

Als im Mai 1980 ein Volksaufstand gegen die Militärdiktatur in der südwestlich gelegenen Stadt Kwangju vom Militär blutig unterdrückt wurde, galt Kim Dae Jung als Rädelsführer. Doch die Interventionen von US-Politikern bewahrten ihn vor dem Strang. Die Generäle hätten ihn damals gern hängen sehen, denn Kim war für den erstarkten außerparlamentarischen Widerstand zur Galionsfigur geworden. Als solche sah er sich denn auch legitimiert, auf dem Höhepunkt der Demokratiebewegung 1987 seinen Anspruch auf das höchste Staatsamt anzumelden. Der Schönheitsfehler: Sein Rivale und Amtsvorgänger Kim Young Sam (1993-98) trat ebenfalls an. Lachender Dritter war damals ausgerechnet der Ex-General Roh Tae Woo (Amtszeit von 1988-93), der in Kwangju an der Wiederherstellung von "Ruhe und Ordnung" beteiligt war und deshalb sowie wegen Korruption im Sommer 1996 zu lebenslanger Haft verurteilt wurde.

Mit der jetzigen Verleihung des Friedensnobelpreises dürfte Kim endlich zu sich selbst und für andere zur Ruhe gekommen sein. Mag seine Sunshine-Policy gegenüber dem Norden ihm außenpolitisch Anerkennung beschert haben, innenpolitisch ist und bleibt er umstritten. Vor allem in der Arbeiterschaft der einst mächtigen chaebol - den staatlich protegierten Wirtschafts- und Finanzkonglomeraten - und bei der noch jungen unabhängigen Gewerkschaftsbewegung ist der Präsident aufgrund seiner zeitgeistigen Bewunderung für Deregulierung und Globalisierung häufig zur Zielscheibe der Kritik geworden. Ausgerechnet im Jahr 2000 weicht das Osloer Komitee übrigens von seiner Praxis ab, beide Parteien eines Friedens- oder Entspannungsprozesses zu würdigen, wie das für Le Duc Tho (Vietnam) und Henry Kissinger (USA) oder Yitzhak Rabin/Simon Peres (Israel) und Yassir Arafat (Palästina) der Fall war. Auch für Korea hat die Annäherung zwei Väter. Kim Jong Il im Norden war immerhin im Juni Gastgeber des wahrlich historischen Gipfels in Pjöngjang. Aber da er noch nicht zum Realkapitalismus konvertiert, geht er leer aus.

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